Uwe E. Kemmesies: Die ‚Offene Drogenszene‘ und das Gesundheitsraumangebot in FaM – ein erster ‚Erfahrungsbericht‘

 

Institut zur Förderung qualitativer Drogenforschung, akzeptierender Drogenarbeit und rationaler Drogenpolitik
(INDRO e.V./Münster)

Uwe E. Kemmesies

 

Szenebefragung
Frankfurt/aM 1995

Die ‚Offene Drogenszene‘ und das Gesundheitsraumangebot in FaM – ein erster ‚Erfahrungsbericht‘

– Abschlußbericht –

 

im Auftrag der Stadt Frankfurt/Dezernat Frauen und Gesundheit – Drogenreferat

Frankfurt am Main/Wiesbaden Oktober 1995

 

INHALTSVERZEICHNIS


1 Einleitung

2 Untersuchungsziel – Forschungsinteresse

2.1 ‚Offene Drogenszene‘ – Begriffsklärung, Hintergründe
2.2 ‚Gesundheitsraum‘ – Begriffsklärung, Hintergründe

3 Methodische Konzeption
3.1 Empirischer Zugang
3.1.1 Stichprobenbildung – Zugangswege
3.1.2 Befragungsinstrument
3.2 Analytischer Zugang
3.2.1 Eingesetzte Rechenverfahren – Statistische Operationen
3.2.3 Art und Weise der Ergebnispräsentation
3.3 Gütekriterien – zum Qualitäts- u. Verallgemeinerungsanspruch

4 Ergebnisse
4.1 Zum Verlauf der Interviewtätigkeit
4.2 Deskription der Stichproben anhand biographischer Standarddaten
4.2.1 Alter, Geschlecht, Familienstand, Nationalität
4.2.2 Ausbildungsniveau – aktuelle Arbeitssituation
4.2.3 Aktuelle Wohnsituation
4.3 Zum drogalen Entwicklungsverlauf
4.3.1 Zu den aktuellen Drogengebrauchsmustern
4.4 Zum Gesundheitszustand
4.4.1 Physischer, psychischer Allgemeinzustand
4.4.2 HIV-Status
4.4.3 Überdosiserfahrungen
4.5 Zur Alltagspraxis
4.5.1 Bestreitung des Lebensunterhalts/Drogenbedarfs
4.5.2 Zum Drogenerwerb
4.5.3 Zur Bedeutung der Szene
4.5.4 Aktuelle Kontaktintensität ‚Drogenhilfe‘
4.5.4.1 Zur Nutzungsintensität des Gesundheitsraumangebots
4.6 Teilsauswertung ‚Gesundheitsraumstatistiken‘

5 Zusammenfassung

6 Literatur

1 Einleitung

Mit diesem Endbericht werden die Ergebnisse einer Anfang Juli 1995 von der Stadt Frankfurt (Dezernat Frauen und Gesundheit – Drogenreferat) in Auftrag gegebenen Studie präsentiert. Wie dem Projekttitel ‚Szenebefragung Frankfurt/aM 1995‘ zu entnehmen, ist die Studie auf das empirische Feld der ‚offenen Drogenszene‘ der Stadt Frankfurt fokussiert. Der Untersuchung liegt ein zweigeteiltes Erkenntnisinteresse zugrunde (vgl. 2). Zum einen soll ein aktueller Überblick über die Zusammensetzung der offenen Drogenszene erschlossen werden. Zum anderen gilt das spezifische Erkenntnisinteresse dem Ende 1994 in das Drogenhilfesystem Frankfurts aufgenommenen Gesundheitsraumangebot: Inwieweit findet dieses spezifische ‚Harm-Reduction-Angebot‘ (vgl. 2.2) Akzeptanz seitens der den offenen Drogenszenebezügen zugerechneten Drogengebraucher. Entsprechend des forschungsleitenden Erkenntnisinteresses ist die in Kapitel 3 skizzierte methodische Konzeption umgesetzt worden. Angesichts des eng gesteckten Zeitplanes (das Projekt war auf einen Dreimonatszeitraum ausgelegt) und der personellen Ausstattung mußte leider vieles ‚ungefragt‘ und ‚unbeleuchtet‘ bleiben – ich werde hierauf zurückkommen. Dennoch gewähren die in Kapitel 4 präsentierten Ergebnisse Einblicke in die Zusammensetzung und in den Alltag der offenen Drogenszene der Stadt Frankfurt (FaM) im Jahre 1995 und geben erste Eindrücke vom Nutzungsverhalten der iv-(intravenös applizierenden)Drogengebraucher aus deren Perspektive (‚Nutzer-‚ bzw. ‚Zielgruppenperspektive‘) im Blick auf das ’neu‘ implementierte Gesundheitsraumangebot wieder. Ergänzt wird die ‚Zielgruppenperspektive‘ durch eine exemplarische Auswertung der in den Gesundheitsräumen geführten Besucherstatistiken über den Zeitraum von zwei Monaten, um so einen umfassenderen Eindruck von der Gesundheitsraumpraxis zu erhalten. In Kapitel 5 findet sich eine zusammenfassende Darstellung der zentralen Studienergebnisse.

Bevor wir die Darstellung aufnehmen, gilt es folgenden Personen und Einrichtungen einen Dank auszusprechen. In erster Linie schulden wir den InterviewpartnerInnen ein Dankeschön, daß sie sich Zeit genommen haben, uns Teileinblicke in ihren Alltag zu gewähren. Weiterhin danken wir den InterviewerInnen – Vannessa Barth, Torsten Lay, Irene Meyer, Oliver Müller, Ilona Ostheimer, Jörg Steinmetz, Phillip Stielow, Torsten Tögel – ohne deren engagierte Feldarbeit das Forschungsprojekt in dem eng gefaßten zeitlichen Rahmen nicht realisierbar gewesen wäre. Last but not least gebührt den Einrichtungen der Frankfurter Drogenhilfe – im besonderen der ‚AIDS-Hilfe/FaM‘ und dem Verein ‚Integrative Drogenhilfe‘ – ein besonderer Dank für ihre Kooperationsbereitschaft.

2 Untersuchungsziel – Forschungsinteresse

Der Studienkomplex umfaßt ein zweifaches Erkenntnisinteresse bzw. zwei Fragestellungen, die eng miteinander verknüpft sind:

 

1 Skizzierung der aktuellen Struktur und Lebensumstände der offenen Drogenszene in FaM

 

Es ist geplant, einen Überblick über die aktuelle Struktur (Zusammensetzung) und Lebensumstände der offenen Drogenszene (zum Begriff ‚offene Drogenszene‘: 2.1) im Bereich der Bahnhofsregion zu erstellen. Gedacht ist an eine Art Fortschreibung der in den letzten Jahren im gleichen empirischen Bezugsfeld durchgeführten Studien in FaM (Einmalbefragungen – Querschnittsuntersuchungen: Vogt 1992; Ostheimer/et al 1993; Kemmesies 1995), um so einen Eindruck von der Entwicklungsdynamik der offenen Szenestrukturen respektive erste Hinweise auf mögliche Entwicklungstrends im Bereich der offenen Drogenszene in FaM zu bekommen. In dieser Intention berührt der Fragekatalog in Abstimmung auf vorliegende Daten aus früheren Szenebefragungen diverse drogengebrauchs- und lebensstilbezogene Fragestellungen, wie sie in 3.1.2 aufgeführt sind. Darüber hinaus geht die Befragung ebenfalls auf das in das Drogenhilfesystem der Stadt Frankfurt aufgenommene Gesundheitsraumangebot ein. Hiermit ist das zweite Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie angesprochen.

 

2. Überblick über die Nutzungsintensität des Gesundheitsraumangebotes seitens der Zielgruppe (iv-Drogengebraucher)

 

Die Absicht, einen ersten Überblick über die Nutzungsintensität der Gesundheitsräume seitens der Zielgruppe (iv-Drogengebraucher) zu erschließen, läßt sich in folgende Fragestellung übersetzen: In welchem Umfang wird das Gesundheitsraumangebot von welchem Konsumentenkreis genutzt? Von besonderem Interesse sind Hinweise bez. der gegenwärtigen ‚Alltagsbeobachtung‘ im Umfeld der Bahnhofsregion, daß trotz der Implementierung szenenaher Angebote (wesentlich: Gesundheitsraumangebot) weiterhin offene Szenestrukturen bzw. ein offener Drogenkonsum (mit all den damit potentiell verhafteten negativen Implikationen – sowohl für den Gebraucher illegaler Drogen selbst, als auch für die Öffentlichkeit) in nicht unerheblichem Maße beobachtbar ist: Wird eine bestimmte User-Gruppe bzw. Teilgruppierung der offenen Drogenszene möglicherweise vom Druckraumangebot nicht erreicht und wenn ja, warum nicht?

Unter der Berücksichtigung praktizierter Drogengebrauchsmuster, Beschaffungsmuster sowie biographischer Standarddaten und der aktuellen Lebenssituation soll ein erstes, plastisches Bild von den möglichen Beweggründen für die Nutzung bzw. Nicht-Nutzung dieses spezifischen Angebots gezeichnet werden. Im Vorgriff auf den ‚empirischen Zugang‘ (vgl. 3.1) wird es bereits offensichtlich, daß eine sich dieser Fragestellung nähernde Klärung vor allem der Berücksichtigung, der Konzentration auf die Nutzerperspektive, auf die Sichtweise und Erfahrungen der Angebotszielgruppe bedarf. Nur so sind zielgruppengerechte – und somit letztlich praxisgerechte – Hinweise im Blick auf eine Optimierung dieses Teilangebots im Rahmen eines differenzierten Drogenhilfesystems zu gewinnen.

 

Wie aus den bisherigen Ausführungen ersichtlich, stehen die Fragestellungen in einem Zusammenhang, der in besonderer Weise die Einrichtungen der Gesundheitsräume in FaM berührt. In Form einer Fragestellung formuliert: Wie stellt sich die Praxis der Gesundheitsräume – vor allem aus der Nutzerperspektive – dar und warum erreicht – angesichts der vielfach beobachtbaren öffentlichen Konsumsituationen (speziell in der Bahnhofsregion) – dieses Angebot offenbar einen Teil der offenen Drogenszene nicht bzw. nur in begrenztem Umfang? Fassen wir abschließend zusammen, so visiert die Studie (Teil-)Klärungen zu folgenden Inhalts- bzw. Phänomenbereichen an:

 

· (aktuelle) Struktur der offenen Drogenszene in FaM

· Nutzungsintensität ‚Gesundheitsraumangebot‘

· Charakteristika der Gesundheitsraumnutzergruppe

· Motive hinsichtlich der Nutzung (und/) oder (partiellen) Distanzhaltung zum     Gesundheitsraumangebot

· Verbesserungsvorschläge bez. des Gesundheitsraumangebots aus der
Nutzerperspektive

 

Um den Forschungsgegenstand dieser Studie greifbarer herauszustellen, wollen wir uns im folgenden überblickartig den Begriffen ‚offene Drogenszene‘ und ‚Gesundheitsraum‘ widmen, insofern sie in besonderer Weise das empirische Bezugsfeld dieser Studie bzw. den zentralen Forschungsgegenstand repräsentieren.

2.1 ‚Offene Drogenszene‘ – Begriffsklärung, Hintergründe

Der Begriff ‚offene Drogenszene‘ umreißt das spezifische empirische Bezugsfeld dieser Studie. Versuchen wir eine Näherung an den Begriffsinhalt, so ist zunächst das Mißverhältnis zwischen der Selbstverständlichkeit der Begriffsnutzung und der begrifflichen Unschärfen zu konstatieren: Wer gehört zur offenen Drogenszene? Auch der obdachlose Alkoholiker oder der etablierte Wochenendkonsument, der sich auf der ‚Szene‘ mit Heroin oder Kokain versorgt? Ab welcher Größenordnung ist von einer offenen Drogenszene zu sprechen? Ist all das beobachtbare Verhalten auf offenen Szenen wirklich drogengebrauchsbezogen und sind wirklich drogengebrauchsbezogene Verhaltensweisen das entscheidende Definitionskriterium? (vgl. in diesem Zusammenhang: Korf 1993, 36) Gleichwohl der ‚verelendete Straßen-Junkie‘ wesentlich unsere Vorstellung von der ‚offenen Drogenszene‘ prägt, so verdeutlichen die aufgeworfenen Fragen, daß der Typus des ‚Straßen-Junkies‘ nur einen Realitätsausschnitt beschreibt: Der marginalisierte Junkie, wie auch das Sozialgefüge ‚offene Drogenszene‘ beschreibt nur einen Ausschnitt – wenn auch stark das öffentliche Bewußtsein prägend – einer mannigfachen Drogengebrauchskultur (ausführlich: Kemmesies 1995, 77ff). D.h., daß Beobachtungen, die im begrenzten Feld der ‚offenen Drogenszene‘ gemacht werden, nicht auf die Gesamtsituation ‚Gebrauch illegaler Drogen‘ extrapolierbar sind. Ja, sie besitzen nur einen zeitlich begrenzten Aussagewert – vergegenwärtigen wir uns die Entwicklungsdynamik innerhalb der Drogengebrauchslandschaft – und unterliegen einem vergleichsweise starken regionalen Bezug – vergegenwärtigen wir uns die extremen regionalen Unterschiede hinsichtlich drogenpolitischer und -hilfepraktischer Zugangsweisen (in diesem Zusammenhang: Bless/et al 1993). Diese differenzierenden Vorbemerkungen sind vor allem im Hinblick auf die Ergebnisdarstellung und -diskussion relevant.

Die Konzeption dieser Studie orientierte sich bez. der Feldarbeit (Interviewkontaktaufnahme) an der Definition von Bless/et al (1995, 128), gemäß derer eine ‚offene Drogenszene‘ als eine größere Konzentration von Gebrauchern illegaler Drogen in innerstädtischen Bereichen begriffen wird. Hiermit sind die oben angesprochenen begrifflichen Unschärfen allerdings auch nur ansatzweise aufgehoben. Deshalb ist diese Definition lediglich als eine ‚Arbeitsdefiniton‘ zu verstehen; sie ist ohne näheren explanativen Gehalt. Wichtig bleibt festzuhalten, daß eine kritische Auseinandersetzung mit phänomenbezogenen Forschungsbefunden es erforderlich macht, zu bedenken, daß sich hinter dem Begriff (offene) Drogenszene eine ‚regional- und zeitspezifische Realität‘ verbirgt. (Offene) Drogenszene stellt angesichts der enormen Wandlungsprozesse (etwa: Modetrends hinsichtlich neuer Drogen und/oder Konsumformen) und der extremen Einflüsse bzw. Steuerungsbemühungen (sozial- und/oder ordnungspolitischer Natur) keine festumrissene, bar jeglicher Entwicklungsdynamik bestehende Größe dar. Der Beschreibungsversuch der Struktur einer (offenen) Drogenszene – wie es die vorliegende Studie anstrebt – stellt immer nur eine mehr oder weniger konturscharfe Momentaufnahme unter den jeweiligen (sub-)kulturellen und gesellschaftlichen (sozial-, gesundheits- und ordnungspolitischen) Jetzt-Zeit-Bedingungen dar. Was heute als ‚wahr‘ erkannt wird und unserem drogenpolitischen Bemühen möglicherweise als Orientierung dient, ist unter Umständen morgen bereits obsolet. Erst die Aneinanderreihung von kontinuierlich zu erschließenden Momentaufnahmen erlaubt uns Einblicke in die Veränderungsdynamik der Drogengebrauchslandschaft zu gewinnen, um so eine höhere Bedarfsnähe der drogenpolitischen Strategien zu erreichen. Die hiermit vorgelegte Studie versucht einen ersten vorsichtigen – angesichts der begrenzten finanziellen und zeitlichen Ressourcen – Schritt in diese Richtung im Blick auf die Frankfurter Situation im Bereich offener Szenestrukturen, indem explizit auf die Datenlage früherer ‚Szenestudien‘ aus FaM Bezug genommen wird.

2.2 ‚Gesundheitsraum‘ – Begriffsklärung, Hintergründe

Gesundheitsräume (‚Druckräume‘, ‚Fixer-Stuben‘) sind als ein spezifisches Angebot im Rahmen akzeptierender, schadensminimierender Drogenarbeit zu verstehen. Die Einrichtung dieses ‚Harm-Reduction-Angebots‘ in Frankfurt greift auf entsprechende Erfahrungen aus der Schweiz mit den dort als ‚Gassenzimmer‘ bezeichneten Einrichtungen zurück (zu den Erfahrungen in der Schweiz etwa: Haemmig 1992; Sozialamt der Stadt Zürich 1995). Im wesentlichen verfolgt das Gesundheitsraumangebot folgende gesundheits- und ordnungspolitisch orientierten Zielsetzungen:

 

· Gesundheitsfürsorge – Bereitstellung risikoarmer, hygienischer Konsumumstände zur Eindämmung der mit dem Konsum von Schwarzmarktdrogen in Verbindung stehenden Gesundheitsrisiken (Infektions-, Drogennotfall-Prophylaxe)

· Kontaktfelderweiterung (in der Intention einer möglichst zielgruppenumfassenden Gesundheitsfürsorge) – Gesundheitsräume als Möglichkeit, Zugang und Kontakt zu Drogengebrauchsgruppen herzustellen, die über die bisherige Angebotspalette nicht erreicht wurden

· Entlastung des öffentlichen Raumes vom offenen Konsumgeschehen (iv-Drogengebrauch) und dem damit offensichtlich für weite Bevölkerungskreise einhergehenden Belästigungspotentials (vgl. in diesem Zusammenhang: Renn/Lange 1995, 42ff)

 

Die Frage, inwieweit das Betreiben von Gesundheitsräumen in Deutschland rechtlich zulässig ist, also vor allem Straftatbestände des BtMGs (wesentlich: §29 BtMG) erfüllt, ist verschiedentlich diskutiert und geprüft worden. So stellen Michaelis (1991) und Körner (1993) heraus, daß die Unterhaltung von Gesundheitsräumen keinen Straftatbestand erfüllt, sofern in den Gesundheitsräumen unter Maßgabe der Rechtslage „der Erwerb, der Handel und die Abgabe (von BtM; Ergzg.d.d.A.) in diesen Räumen nicht geduldet wird und durch Sorgfalt, Kontrolle und Fürsorge für einen hygienischen, streßfreien, risikomindernden Konsum Sorge getragen wird“ (Körner 1993, 19). Nach Abwägung der dieses spezifische Drogenhilfeangebot berührenden strafrechtlichen und gesundheitspolitischen Aspekte kommt Michaelis zu dem Schluß, daß „das Betreiben von Druckräumen (…) einen weiteren wichtigen Beitrag zu einer auf gesellschaftliche und soziale Risikoreduktion abzielenden Drogenarbeit darstellen (würde)“ (Michaelis 1991, 117).

Vor dem hier skizzierten Hintergrund dieses Harm-Reduction-Angebots, hat die Stadt Frankfurt/aM (FaM) als erste deutsche Kommune 1994 einen Gesundheitsraum im Krisenzentrum in der Schielestraße (‚Integrative Drogenhilfe e.V.‘) und zwei weitere Anfang 1995 im Bereich der Bahnhofsregion (‚AIDS-Hilfe/FaM‘; ‚Integrative Drogenhilfe e.V.‘) realisiert (vgl.: Drogenreferat – Stadt Frankfurt/aM 1995; ECDP-Newsletter 1995). Die drei bisher bestehenden Druckräume werden auf der Grundlage des strafrechtlichen Gutachtens Körners (1993) betrieben; primär sind folgende, im wesentlichen das Gesetzeswerk des BtMGs berücksichtigende, Nutzungsregeln verbindlich:

 

· Kein Dealen oder Teilen von Drogenrationen (Vermeidung des Erwerbs und der unbefugten Abgabe von BtM)

· die Nutzer versichern durch das Unterschreiben einer Erklärung, daß sie das 18. Lebensjahr vollendet haben und sich aktuell nicht in einer Substitutionsbehandlung befinden

 

Bisher liegen bez. des Gesundheitsraumangebots in FaM (sowie für Gesamtdeutschland) keine näheren Erfahrungsberichte vor. Dieses Defizit soll mit der hiermit vorgelegten Studie angegangen werden, wobei es vor allem darum geht, einen ersten Eindruck vom Nutzungsverhalten bez. dieses Angebots seitens der offenen Drogenszene – also der eigentlichen Zielgruppe – zu erhalten (vgl. 2).

3 Methodische Konzeption

Wie aus dem zweifachen Erkenntnisinteresse des Studienkomplexes (vgl. 2) ersichtlich, sind differente methodische – vor allem empirische – Zugangswege erforderlich. Im folgenden soll ein komprimierter Überblick über die eingesetzten Methoden gegeben werden. Abgeschlossen wird dieses Teilkapitel mit einer konkret forschungsprozeßbezogenen Diskussion der potentiellen Reichweite der Forschungsergebnisse, wobei die Darstellung sich an den klassischen Gütekriterien (‚Reliabilität‘, ‚Validität‘ u. ‚Repräsentativität‘) orientiert.

3.1 Empirischer Zugang

Mit ‚empirischer Zugang‘ ist das praktizierte Stichprobenbildungsverfahren und die eingesetzten Erhebungsmethoden angesprochen. Gehen wir zunächst auf die Art und Weise der Stichprobenbildung ein.

3.1.1 Stichprobenbildung – Zugangswege

Da sowohl ein aktueller Überblick über die Struktur der offenen Drogenszene erschlossen werden sollte, als auch der Frage nachgegangen werden sollte, ob sich die Nutzergruppe der Druckräume möglicherweise durch spezifische Charakteristika auszeichnet, mußten unterschiedliche Zugangswege beschritten werden. Entsprechend des Erkenntnisinteresses wurde unmittelbar auf der offenen Drogenszene in der Bahnhofsregion Zugang zu potentiellen Interviewpartnern gesucht, als auch direkt in den drei Gesundheitsräumen der Stadt FaM [‚Eastside‘ (Schielestr.), ‚Druckraum Moselstr.‘ (Moselstr.), ‚La Strada‘ (Mainzer Landstr.)]. Insgesamt wurden 150 Drogengebraucher interviewt, wobei 100 Personen unmittelbar auf der offenen Drogenszene (‚Szenebefragung‘) und 50 Personen in den Gesundheitsräumen (‚Druckraumbefragung‘) kontaktiert wurden:

Tab. 1: Ort der Interviewkontaktanbahnung (n=150)

 

‚SZENEBEFRAGUNG‘ (n=100)

 

Moselstr.

30

 

Bahnhofsvorplatz

19

 

Taunusstr.

19

 

Poststr.

11

 

Niddastr.

8

 

Ludwigstr.

6

 

Karlstr. und Mainzer Landstr.

7

 

‚DRUCKRAUMBEFRAGUNG‘ (n=50)

 

Druckraum ‚Schielestr.‘

21

 

Druckraum ‚Moselstr.‘

17

 

Druckraum ‚Mainzer Landstr.‘

12

Insgesamt waren 106 Kontaktanbahnungsversuche nicht erfolgreich. In 65% der Fälle war die Begründung ‚keine Zeit zu haben‚ ausschlaggebend. Jede dritte Person (31%) betonte ein ‚mangelndes Interesse‘ und vier Personen (4%) hatten offenbar ‚kein Vertrauen‘ in die Anonymität der Befragungssituation. Alles in allem ergab sich eine Ausschöpfungsquote (Verhältnis geführter Interviews zu Kontaktanbahnungsversuchen) von 59% (‚Szenebefragung‘: 57%/’Druckraumbefragung‘: 61%). Diese Quote kann angesichts der Sensibilität der zu erhebenden Daten als vergleichsweise hoch angesehen werden. Entgegen den in der Forschungsliteratur betonten Schwierigkeiten, daß Forschungskontakte innerhalb der offenen Drogenszene kaum zu initiieren seien (etwa: Berger/et al 1980, 19), gestaltete sich der Zugang zum Feld relativ unproblematisch – wenn auch aufwendig. Die anvisierten 100 Interviews mit Gebrauchern illegaler Drogen im Rahmen der Szenebefragung wurden im Zeitraum vom 12. bis zum 24. Juli 1995 von einem sechsköpfigen Interviewerteam geführt; die 50 Interviews im Rahmen der ‚Druckraumbefragung‘ erfolgten in der Zeit vom 3. bis zum 22. August, wobei drei Interviewer tätig waren. Um das Spektrum potentiell unterschiedlicher (Drogengebrauchs-)Typen in den Forschungsblickwinkel aufnehmen zu können, ist die Interviewtätigkeit gleichmäßig auf die Wochentage [47% der Interviews erfolgten am Wochenende (Fr-So) und 53% an Wochentagen (Mo-Do)] und Tageszeiten (42% der Interviews erfolgten zwischen 10 und 15Uhr und 58% zwischen 15 und 20.30Uhr) verteilt worden.

Die in Anbetracht der Hektik und Rastlosigkeit des Szenealltags (was sich auch in der primären Interviewverweigerungsbegründung ‚keine Zeit zu haben‘ widerspiegelte) hohe Interview- und in dem erfolgten Umfang nicht erwartbare Informationsbereitschaft (vgl. 4.1), wurde durch das im folgenden kurz zu skizzierende, sensibel gestaltete Verfahren der Interviewanbahnung ermöglicht.

Den potentiellen Interviewpartnern wurde absolute Anonymität zugesichert. Jegliche Informationen, die zur Identifikation der jeweiligen Person hätten führen können, wurden nicht festgehalten. Von entscheidender Bedeutung war vor allem auch die „one-off-nature“ (Brannen 1988, 558) des Interviewkontaktes: Die befragten Personen mußten keinerlei Konsequenzen aus dem Forschungskontakt befürchten, da dieser nicht an ein therapeutisches oder justizielles Setting geknüpft war. Entscheidend war vor allem auch die Offenlegung des Forschungsinteresses: Das Vorhaben, Szenealltag und die Praxis der Gesundheitsräume aus Sicht der eigentlich Betroffenen beschreiben zu wollen, schien in vielen Fällen ein die Interviewbereitschaft erhöhender motivationaler Faktor zu sein. War der Kontaktanbahnungsversuch von einer grundsätzlichen Interviewbereitschaft gekennzeichnet, wurde den angesprochenen Personen eine Aufwandsentschädigung von DM 5,- zugesagt. Dieser Entlohnungsaspekt war bewußt an das Ende einer von grundsätzlicher Mitarbeitsbereitschaft gekennzeichneten Kontaktanbahnung gesetzt, um nicht ‚monetär motivierte‘ Interviews mit all den darin potentiell verhafteten ‚Gültigkeitsproblemen‘ zu erhalten. Inwieweit es gelungen ist, einen exemplarischen Ausschnitt der offenen Drogenszene Frankfurts in der Stichprobe abgebildet zu haben, läßt sich angesichts der dieses Forschungsfeld in besonderer Weise berührenden Dunkelfeldproblematik nur recht grob einschätzen. Wir werden hierauf in 3.3 zurückkommen.

3.1.2 Befragungsinstrument

Die Interviewtätigkeit erfolgte fragebogengestützt. Es handelte sich um ein strukturiertes, standardisiertes Interviewverfahren. Zum Einsatz kam ein Fragebogen mit standardisierten, teilstandardisierten und offenen Fragestellungen, die in einer Face-to-Face-Interviewsituation systematisch von eingewiesenen – z.T. bereits feldarbeitserfahrenen – Interviewern abgefragt wurden. Der Fragekomplex berührte folgende Bereiche:

 

· Soziale Standarddaten:

 

– Alter, Geschlecht, Nationalität

– Schul-, Berufsqualifikation/aktuelle Beschäftigungssituation

– aktuelle Wohnsituation

 

· Drogensequenz/Aktuelles Drogengebrauchsmuster:

 

– Konsumerfahrungen/Einstiegsalter bez. diverser Drogen

– aktuelle Konsumintensität diverser Drogen

– favorisierte Applikationsform

– favorisierte Drogen/Drogen mit Finanzierungspriorität

 

· Aktuelle ‚direkte‘ und ‚indirekte Beschaffungsmuster‘:

 

– hauptsächliche Drogenbezugsquelle

– aktueller Gelderwerb (Finanzierungsquellen)

 

· Aktuelle Alltagspraxis:

 

– Nähe-Distanz-Verhältnis zur offenen Drogenszene (Kontaktmotive, -intensität)

– Drogenhilfekontakte

wesentlich: Gründe für aktuelle Drogenhilfekontakte u. Nutzungsintensität der Gesundheitsräume sowie Motive für die (partielle?) Nicht-Nutzung dieses Angebots

 

In den Fragebogen sind Fragestellungen aus einer Vergleichsstudie ‚Deutschland-Niederlande‘ [Amsterdam – Frankfurt/aM (Kemmesies 1995)] aufgenommen worden. Da es sich bei dieser Studie um das gleiche empirische Bezugsfeld (‚offene Drogenszene‘) handelte, sind so systematische Vergleiche zur Szenestruktur aus dem Jahre 1993 (Erhebungszeitraum der Vergleichsstudie: 4/1993 – 12/1993) möglich.

Die bei den Teilerhebungen (‚Szenebefragung‘: n=100 – ‚Druckraumbefragung‘: n=50) eingesetzten Fragebögen sind bis auf zwei Ausnahmen identisch. Bei der ‚Druckraumbefragung‘ wurde auf die Frage, ob aktuell eine Substitutionsbehandlung vorliegt, verzichtet, da bei dieser Frage im besonderen damit gerechnet werden mußte, falsche Angaben zu erhalten. Denn die Interviewpartner wurden unmittelbar in Gesundheitsräumen kontaktiert, nachdem sie dieses Angebot nutzten und zuvor versicherten (qua unterschreiben einer Erklärung; zum näheren justiziellen Hintergrund vgl. 2.2), aktuell nicht substituiert zu werden. Diese spezifische Konstellation bez. der Kontaktanbahnung veranlaßte angesichts der sich hieraus offenkundig ergebenden Validitätsproblematik zum Verzicht auf diese Fragestellung. Eine weitere Abweichung der Fragebögen betrifft den Medikamentenkonsum (Benzodiazepin, Barbiturate). Die im Rahmen der ‚Druckraumbefragung‘ interviewten Personen wurden konkret nach ihrem aktuellen Medikamentenkonsum gefragt, während die innerhalb der ‚Szenebefragung‘ interviewten Drogenkonsumenten lediglich ‚unspezifisch‘ nach einem Medikamentengebrauch anläßlich der (in beiden Teilerhebungen gleichermaßen gestellten) Fragestellung ‚Was war für dich in den letzten sieben Tagen die wichtigste Drogen?‘ befragt wurden. Die Intention dieser Befragungsabweichung liegt darin begründet, Hinweise zu erhalten, ob möglicherweise ein Medikamentengebrauch – etwa als Ausdruck eines unter Heroin- und/oder Kokainkonsumenten ‚verpönten‘, ‚un-coolen‘, nicht gern eingeräumten [aber dennoch (möglicherweise) weitverbreiteten] Drogengebrauchsverhaltens – nicht bzw. in deutlichem Maße weniger berichtet wird, wenn nicht konkret danach gefragt wird.

3.2 Analytischer Zugang

3.2.1 Eingesetzte Rechenverfahren – Statistische Operationen

Angesichts der Fülle des Datenmaterials – zu jeder der befragten 150 Personen liegen über 180 Einzelinformationen vor, die in kodierter Form einem über 37.000 Ziffern umfassenden Datensatz entsprechen – war eine computergestützte Datenanalyse unumgänglich. Die statistischen Berechnungen wurden mit dem Auswertungssystem SPSS/PC+ (Version 4.0) erstellt. In einem ersten, deskriptiv-statistischen Zugang galt es, eine ordnende, tabellarische Sichtung des Materials auf der Grundlage von Häufigkeits- und Prozentwertverteilungen vorzunehmen: Wie sind die Merkmale in der Gesamtstichprobe und den jeweiligen Teilstichproben (‚Szenebefragung‘, ‚Druckraumbefragung‘) verteilt. Zudem wurden Kennwerte ermittelt, die die Eigenschaften der vorgefundenen Merkmalsausprägungen überblickartig wiedergeben (primär: arithmetisches Mittel). Erbrachte die vergleichende Sichtung der Werte aus der Szenebefragung und Druckraumbefragung Unterschiede bez. der Merkmalsausprägungen (etwa: Altersverteilung, Konsumhäufigkeit bez. der diversen Substanzen etc.), wurden Analysen durchgeführt, ob die Unterschiede bedeutsam im Sinne statistischer Signifikanz sind, oder ob sie eher als zufällig einzustufen sind (vorrangig eingesetzte Testverfahren: T-Test, Chi-Quadrat-Test). Derartige vergleichende Berechnungen wurden auch mit Daten aus der Szenebefragung im Rahmen der bereits in 3.1.2 angesprochenen niederländisch-deutschen Vergleichsstudie (s.o.; Kemmesies 1995/nähere Informationen in Abb. 1) angestrengt, da ein Rückgriff auf den SPSS-lesbaren Datensatz möglich war. Eine vergleichende Darstellung der Teilstichproben (Szenebefragung – Druckraumbefragung) erfolgte nur an Punkten, bei denen sich Unterschiede abzeichnen. Ist die Darstellung alleinig auf die Gesamtstichprobe (n=150) bezogen, zeigt dies an, daß keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Teilstichproben im Blick auf die jeweilige Merkmalsausprägung aufgetreten sind.

Darüber hinaus wurden punktuell Korrelationsberechnungen durchgeführt, um Hinweise auf (mögliche) Zusammenhänge von unterschiedlichen Merkmalsausprägungen zu erhalten. Nur am Rande sei auf die Deutungsproblematik von Korrelationskoeffizienten verwiesen: Sie sind nicht als Kausalzusammenhänge zu interpretieren, kann es sich doch – in kaum näher bestimmbaren Maße – um reine Forschungsartefakte handeln.

3.2.2 Art und Weise der Ergebnispräsentation

In die Ergebnisdarstellung ging das gesamte, anhand des Fragebogens erhobene Datenmaterial ein. Eine graphische oder tabellarische Veranschaulichung erfolgt, wenn sich besondere Verteilungsmuster oder aber bedeutsame Unterschiede zwischen den Teilstichproben – also den unmittelbar auf der offenen Szene (‚Szenebefragung‘) und den in den Gesundheitsräumen rekrutierten Interviewpartnern (‚Druckraumbefragung‘) – abzeichnen. Traten bei der vergleichenden Betrachtung der einzelnen Merkmalsausprägung Unterschiede oder Zusammenhänge auf, so sind etwaige statistische Signifikanzen gemäß folgender Übereinkunft veranschaulicht:

* p < 0.1

* * p< 0.05

* * * p < 0.01

* * * * p < 0.001

Gemäß dieser Darstellungsform verweisen die Sternchen auf die prozentuale Restwahrscheinlichkeit (etwa: * * – 5%-Niveau), mit der der vorgefundene Unterschied oder Zusammenhang rein zufällig ist: Beispielsweise zeigen in dieser Weise zwei Sternchen im Zusammenhang mit einem Altersmittelwertunterschied an, daß die vorgefundene Differenz mit einer Restwahrscheinlichkeit von 5% ein Zufallsprodukt, ohne bedeutsamen Gehalt mit Blick auf die Grundgesamtheit darstellt. Oder anders gewendet: Mit 95-prozentiger Sicherheit ist der vorgefundene Unterschied nicht zufällig, sondern spiegelt eine – wie zunächst auch immer begründete – bedeutsame Abweichung wider. Weiterhin sei darauf hingewiesen, daß alle präsentierten Prozentwerte gerundet sind, es sei denn, sie beziehen sich auf die jeweiligen Teilstichproben, sofern sie in ihrer Gesamtheit in die Berechnung eingingen (‚Szenebefragung‘: n=100), ‚Druckraumbefragung‘: n=50).

3.3 Gütekriterien – zum Qualitäts- u. Verallgemeinerungsanspruch

Im folgenden soll es nicht um eine grundlegende, methodologisch orientierte Diskussion der klassischen Gütekriterien Validität, Reliabilität und Repräsentativität gehen – diesbezüglich sei auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen. Vielmehr sollen einige zentrale, den konkreten Forschungsprozeß betreffende Überlegungen angestrengt werden, um den möglichen Aussagewert bzw. Erkenntnishorizont der präsentierten Ergebnisse ansatzweise einschätzen zu können.

Gehen wir zunächst auf das Kriterium der Reliabilität ein. Dieses Kriterium verweist auf die Zuverlässigkeit eines Meßinstruments. Reliabilität ist als Grad definiert, gemäß dessen wiederholte Messungen mit den eingesetzten Erhebungsverfahren gleiche Meßergebnisse produzieren. Angesichts der Prozeßhaftigkeit und Dynamik des zu untersuchenden Phänomenfeldes (offene Drogenszene) ist eine gleiche Ergebnisse hervorbringende Meßwiederholung quasi auszuschließen. Dies trifft um so mehr zu, als es sich im vorliegenden Forschungsprozeß um eine feldnahe Erhebungssituation handelte, welche im Falle von Kontrollerhebungen unweigerlich Ergebnisabweichungen hervorbringt. Letztlich wären im Falle von Kontrollerhebungen die potentiellen Einflußeffekte und die nähere Bestimmung deren Einflußintensität nicht in bezug auf mögliche Ergebnisabweichungen näher entflechtbar: War die Szene zwischenzeitlichen Wandlungsprozessen unterworfen [etwa: neue (sub-)kulturelle Trends, veränderte Kontrollmaßnahmen seitens der Verfolgungsbehörden, differente sozialmedizinische Gegebenheiten (etwa: Veränderung bez. der Substitutionspraxis) etc.]? Handelte es sich um vergleichbare Interviewsituationen? Handelte es sich um die gleichen Interviewer? Wirkten vorgenannte Einflußfaktoren gleichzeitig und wenn ja, taten sie es kumulativ oder in entgegengesetzten Wirkrichtungen? Vorstehende Ausführungen richten sich generell gegen einen Reliabilitätsanspruch innerhalb der Drogenforschung bzw. sozialwissenschaftlicher Forschung allgemein: Denn das klassische Gütekriterium Reliabilität gründet in der Annahme einer Phänomenkonstanz, welche die Historizität sozialer Phänomene in unzulässiger, d.h. nicht gegenstandsangemessener Weise ignoriert.

Die Validität berührt den Aspekt der Genauigkeit eines Erhebungsinstrumentes: Wird auch tatsächlich das erhoben, was Erhebungsintention war, was gemessen werden sollte? Konkret erhebungsbezogen ist gemäß des Validitätskriteriums vor allem zu fragen, ob ‚wahre‘, d.h. nicht bewußt gefälschte Aussagen erhoben wurden. Ein Garant dafür, nicht bewußt getäuscht zu werden, war die Vertrautheit der Interviewer mit dem Phänomenfeld. Dies war aufgrund bestehender Forschungserfahrungen und einer konkret fragebezogenen Einweisung der Interviewer gegeben. Von zentraler Bedeutung war weiterhin die Wahrung der Anonymität der Interviewpartner sowie der Umstand, daß die Erhebung nicht mit Verfolgungsbehörden assoziiert wurde, und die Zusicherung eines ausschließlich wissenschaftlichen Verwendungszwecks der Daten. Verschiedene Studien aus den USA, die sich speziell mit der Validitätsfrage in diesem spezifischen Forschungsfeld auseinandergesetzt haben (vgl. überblickartig: Wolber/et al 1990, 550ff), weisen einen hohen Validitätsgrad – vor allem im Blick auf einen selbstberichteten Drogengebrauch – nach. Rounsaville/et al betonen, daß eine hohe Validität bzw. ‚Wahrheit‘ garantiert sei, „as long as the research questions are independent of legal or treatment decisions“ (Rounsaville/et al 1987, 227). Obwohl diese Bedingungen (Anonymität, soziale Folgenlosigkeit der Befragung) gegeben waren und – so zumindest legte es die hohe Informationsbereitschaft der Interviewpartner nahe (vgl. 4.1) – augenscheinlich auch von den Gesprächspartnern als gegeben angesehen wurden, ist ein ‚Wahrheiten verzerrender‘ möglicher Effekt nicht auszuschließen: Mangelnde, ungenaue Erinnerbarkeit. Mitunter beruhten die Angaben (etwa: Einstiegsalter bez. bestimmter Drogen) auf Schätzungen. Angesichts des Stichprobenumfangs kann dieser Effekt jedoch als relativ unbedeutend angesehen werden, da davon ausgegangen werden kann, daß sich ‚Schätzfehler‘ weitestgehend ausgleichen.

Widmen wir uns abschließend dem Kriterium der Repräsentativität. Ihm kommt im Blick auf den Aussagegehalt einer Studie eine besondere Bedeutung zu, entscheidet doch der Repräsentativitätsgrad einer Studie darüber, inwieweit die Ergebnisse stellvertretend für die im Forschungsfokus stehende Population stehen, d.h. diese repräsentieren. Fassen wir den Problemkreis ‚Drogenforschung – Repräsentativität‘ in der hier gebotenen Kürze zusammen, so bleibt festzuhalten, daß die Ziehung einer repräsentativen Stichprobe quasi nicht gewährleistet werden kann. Denn aufgrund der Dunkelfeldcharakteristik des Forschungsfeldes ist nicht angebbar, „wer alles zur Grundgesamtheit gehört (extensionale Definition)“ (Kromrey 1983, 137) und es ist zudem nicht präzise ausweisbar, „durch welche Merkmale die Elemente der Grundgesamtheit gekennzeichnet sind (intensionale Definition)“ (ebd., 137). Und sollte es auch approximativ gelingen, eine repräsentative Stichprobe zu ziehen, so erscheint angesichts der im Zusammenhang mit dem Reliabilitätskriterium bereits angesprochenen Historizität sozialer Phänomene, Repräsentativität immer nur als vorübergehend: Repräsentativität zerrinnt infolge des Wandels der Drogenszene aufgrund struktureller Verschiebungen im Zuge sich ändernder Gesetzeslagen und Drogenhilfestrukturen sowie (sub-)kultureller (Mode-)Trends und der mit ihnen korrespondierenden Drogen und Konsummuster. Was bedeutet dies aber nun im Blick auf den hier in Frage stehenden Forschungszusammenhang?

Die der Studie zugrundeliegende Stichprobe erfüllt folglich – und für die Drogenforschung typisch – nicht das Kriterium der Repräsentativität. Gleichwohl kann sie als von vergleichsweise hoher exemplarischer Abbildungsqualität der offenen Drogenszene Frankfurts im Sommer 1995 angesehen werden. Hierfür spricht zum einen, daß das quantitative Ausmaß der offenen Drogenszene im Bereich der Bahnhofsregion im Bezugszeitraum der Studie auf einen Kreis von etwa 200 Personen geschätzt wird, der sich – mit Tagesschwankungen – mehr oder weniger permanent in der Bahnhofsregion aufhält. Zum anderen spricht für die Abbildungsqualität der Stichprobe, daß die Interviewpartner relativ gleichmäßig über die Wochentage und Tageszeiten rekrutiert wurden, um – wie bereits ausgeführt (3.1.1) – möglichst das Spektrum unterschiedlicher (Drogengebrauchs-)Typen erfassen zu können. Vor allem ist nicht außer Acht zu lassen, daß die Interviewpartner unmittelbar im interessierenden Forschungsfeld der offenen Drogenszene aufgesucht wurden (im Gegensatz zu einem ‚institutionellen‘ Forschungszugang, etwa in Therapieeinrichtungen oder Haftanstalten), womit bis zu einem gewissen Grad bereits gesichert ist, daß die Interviewpartner als Repräsentanten der im Erkenntnisinteresse stehenden Lebenswelt (‚Drogenszene‘) gelten.

4 Ergebnisse

Die im folgenden zu präsentierenden Ergebnisse werden im Spiegel der Datenbasis von Forschungsprojekten betrachtet, die im vergleichbaren empirischen Bezugsfeld (‚offene Drogenszene‘) in den letzten Jahren in FaM durchgeführt wurden. So sollen Hinweise auf mögliche Entwicklungstrends bzw. augenscheinlich stabile Erscheinungsformen der Szenestrukturen Frankfurts erschlossen werden. Um eine grobe Orientierung bez. der Vergleichsangemessenheit, Reichweite sowie Forschungszusammenhänge der jeweils angeführten Projekte an die Hand zu geben, ist in der unten anstehenden Übersicht ein ‚Kurzprofil‘ der zur Ergebnisreflexion herangezogenen Studien angeführt. Andere Vergleichsangaben beziehen sich auf (Kriminal-)Statistiken, (Ein-)Schätzungen oder Forschungsprojekte, die außerhalb Frankfurts durchgeführt wurden, der jeweils angegebenen Autoren bzw. Institutionen.

Abb. 1: Projektprofil der zur analytischen Reflexion herangezogenen Studien

Autor(en)/Quelle

(Erscheinungsjahr)

Erhebungszeitraum

Erkenntnisinteresse

Untersuchungsziel

Zielgruppe/

Datenbasis/

(Zugang)

n

=

Methode/

Forschungsdesign

Ostheimer/et al

(1993)

2/1993 – 5/1993

Veränderungen der Zusammensetzung und Lebensbedingungen der offenen Drogenszene in FaM infolge der auf offene Szenebezüge ausgerichteten Rückbildungsstrategie in FaM

Drogengebraucher auf der offenen Drogenszene im Bahnhofsviertel FaM (Zugang über das Projekt ‚mobiler Spritzentausch‘)

 

137

quantitativ:

strukturierter Fragebogen mit standardisierten Fragestellungen – Erhebung unmittelbar auf der Szene

Vogt

(1992)

10/1991 – 12/1991

Strukturelle Zusammensetzung und Lebensbedingungen der offenen Drogenszene in FaM

Drogengebraucher der offenen Drogenszene in FaM (Kontaktanbahnung an offenen Szenetreffpunkten)

 

237

quantitativ:

strukturierter Fragebogen mit standardisierten Fragestellungen – Erhebung unmittelbar auf der Szene

Kemmesies

(1995)

4/1993 – 12/1993

deutsch-niederländische Vergleichsstudie: Einfluß differenter drogenpolitischer Kontextbedingungen auf Struktur und Ausdrucksformen der offenen Drogenszene

Kompulsive Drogengebraucher (Heroin- und/oder Kokaingebrauch auf nahezu tgl. Basis) der offenen Drogenszene in Amsterdam und Frankfurt/aM (Zugang unmittelbar im Umfeld der offenen Drogenszene)

 

100

quantitativ-qualitativ:

fragebogengestütztes, strukturiertes Interview mit standardisierten und offenen Fragestellungen – Feldbeobachtung – Erhebung unmittelbar im Umfeld der offenen Drogenszene

4.1 Zum Verlauf der Interviewtätigkeit

An dieser Stelle soll ein Eindruck vom ‚Entstehungszusammenhang‘ der im weiteren vorzustellenden Daten vermittelt werden. Die durchschnittliche Interviewlänge betrug nahezu eine halbe Stunde [MW: 27.6 (Minuten), SD: 10.2/Min: 10 – Max: 60] und übertraf deutlich das auf 15 bis 20 Minuten Interviewdauer konzipierte Zeitmaß des Fragebogens. Dies illustriert die hohe Informations- und Gesprächsbereitschaft der Interviewpartner und kann als deutliches Signal gewertet werden, daß es den Interviewern offenbar gelungen ist, eine offene, vertrauensvolle und damit erzählmotivierende Interviewsituation herzustellen. Dies gilt um so mehr, als die Interviews im Rahmen der Szenebefragung ausschließlich unmittelbar im Szenekontext auf der Straße angebahnt wurden und nahezu jedes dritte Interview (71%) der Szenebefragung auch unmittelbar auf der Straße geführt wurde. Die verbleibenden 29 Interviews wurden in szenenahen Drogenhilfeeinrichtungen geführt. Die Kontaktanbahnung und Interviewdurchführung der Druckraumbefragung geschah unmittelbar in den Gesundheitsräumen (vgl. 3.1.1).

Jedes vierte Interview wurde im Beisein einer dritten Person geführt, was ausdrücklich von den Gesprächspartnern gutgeheißen – ja mitunter gewünscht – wurde. Bis auf Ausnahmen, in denen diese den Interviewpartnern vertrauten Personen bei der Erinnerung bestimmter Zeitpunkte etc. behilflich waren, verhielten sich die anwesenden Dritten passiv. Wie angesichts der Art und Weise der Interviewkontaktanbahnung offensichtlich, standen die Interviewpartner zumeist unter Drogeneinfluß. Zwei von drei Gesprächspartnern wurden von den Interviewern als merklich bis stark unter Drogeneinfluß stehend eingeschätzt. Dennoch gebot der Zustand der Interviewpartner in keinem Falle einen Abbruch des Gesprächs, wenn auch zwei Interviewverläufe durch partielle Widersprüche gekennzeichnet waren. Die Mehrzahl der Befragten (70%) wurde – trotz Drogeneinflusses – als konzentriert eingeschätzt. Zusammenfassend betrachtet, kann das Interviewgeschehen als weitestgehend entspannt und kommunikativ charakterisiert werden; die Gesprächsverläufe erwiesen sich insgesamt als vertrauensvoll-offen. Den Interviewern ist es offensichtlich gelungen, eine vertrauensvolle Gesprächssituation herzustellen, was sich bereits daran abzeichnete, daß lediglich vier angesprochene Personen ein Interview verweigerten, da sie allem Anschein nach kein Vertrauen in die Anonymitätsbedingungen der Erhebung hatten (vgl. 3.1.1).

4.2 Deskription der Stichprobe anhand biographischer Standarddaten

4.2.1 Alter, Geschlecht, Familienstand, Nationalität

Tab. 2: Altersgruppenverteilung (n=150)

 

20 – 25 Jahre

27/18%

 

26 – 30 Jahre

57/57%

 

31 – 35 Jahre

34/23%

 

> 35 Jahre

32/22%

MW:

SD:

Min – Max:

30.6

5.7

20 – 44

Das ermittelte Durchschnittsalter von 30.6 Jahren deutet im Vergleich zu früheren Studien darauf hin, daß sich das durchschnittliche Lebensalter der ‚Szenepopulation‘ zu erhöhen scheint: So ermittelte Vogt (1992) ein Durchschnittsalter von 27.7 Jahren (SD: 6.1), Ostheimer/et al (1993) von 28 Jahren und Kemmesies (1995) von 29.9 Jahren (SD: 6). Die sich andeutende Tendenz einer Altersanhebung spiegelt sich plastisch auch darin wider, daß in der Studie Vogts (1992) die Gruppe der Älteren (35-45 Jahre) ein Stichprobenanteil von 15% auf sich vereint, während in der vorliegenden Untersuchung jeder vierte Interviewpartner (25%) dieser Altersgruppe angehört. Eine Altersanhebung der Szenepopulation deutet sich auch indirekt im ( – nur bedingt vergleichbaren und lediglich als Indiz angeführten – ) kriminalstatistischen Datenmaterial zu den registrierten Drogentodesfällen im Stadtgebiet FaM an. Die polizeiliche Kriminalstatistik weist einen kontinuierlichen Anstieg des Durchschnittsalters der erfaßten Drogentodesfälle von 28.7 Jahre auf 30.8 Jahre zwischen den Berichtsjahren 1988 bis 1994 aus (Polizeipräsidium-FaM: 1990, 27; 1991, 39; 1992, 17; 1993, 21; 1994, 176; 1995, 143). Das in den Massenmedien im regelmäßigen Turnus gezeichnete Horrorszenario von einer Drogenszene, in der immer jüngere Konsumenten anzutreffen sind, findet offenbar keinen Rückhalt; das Gros der Interviewpartner ist deutlich älter als 25 – lediglich ein Befragter hatte zum Interviewzeitpunkt das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet.

37 der 150 Befragten waren Frauen. Dies entspricht einem Anteil von 25%, der sich im Rahmen entsprechender Werte korrespondierender Forschungsprojekte bewegt. Die interviewten Frauen waren in der Tendenz – allerdings nicht signifikant – jünger, als die Gruppe der Männer (ca. ein halbes Jahr).

Tab. 3: Familienstand (n=150)

 

ledig

102/68%

 

verheiratet

22/15%

 

geschieden

18/12%

 

Sonstige

8/5%

– in Trennung lebend/5

– verwitwet/3

Die überwiegende Mehrzahl der befragten Drogengebraucher ist ledig. Ein nahezu deckungsgleiches Verteilungsbild der einzelnen Kategorien findet sich bei Vogt (1992, 120) und Kemmesies (1995, 134).

90% der Interviewpartner waren Deutsche. Der zehnprozentige Ausländeranteil gibt allerdings kaum das reale Nationalitätenverhältnis auf der offenen Drogenszene Frankfurts wieder, da aufgrund von Sprachbarrieren zu ausländischen Drogengebrauchern kaum ein Interviewkontakt hergestellt werden konnte.

4.2.2 Ausbildungsniveau – aktuelle Arbeitssituation

Tab. 4: Abgeschlossene Schulausbildung (n=150)

 

aktuell in Schulausbildung

1/1%

 

Hauptschule

72/48%

 

Realschule

40/27%

 

Fachschule

10/6%

 

Gymnasium

7/5%

 

KEINE

20/13%

Tab. 5: Abgeschlossene Berufsausbildung (n=150)

 

aktuell in Berufsausbildung

5/3%

 

Lehrberuf

66/44%

 

Studium

1/1%

 

KEINE (nie begonnen)

24/16%

 

KEINE (abgebrochen)

54/36%

Das Ausbildungsniveau der Interviewpartner stellt sich in der Gesamtbetrachtung niedrig dar. Die ermittelten Werte liegen zwischen denen der Studie von Vogt (1992) und Kemmesies (1995): 13% der Befragten verfügt über keine abgeschlossene Schulausbildung (Vogt: 4%; Kemmesies: 28%) und 78 Interviewpartner (52%) sind bisher eine Berufsausbildung nicht angetreten oder haben sie abgebrochen (Vogt: 44%; Kemmesies: 58%). Die von Vogt (1992, 15) gemachte Beobachtung, daß Frauen über eine insgesamt höhere Schulausbildung verfügen, zeichnete sich im vorliegenden Datenmaterial nicht ab. Wohl aber fiel in Übereinstimmung mit der Studie Vogts auf, daß mehr Männer über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen (Frauen: 30% – Männer: 49%; c 2: 4.1 * * /DF: 1).

Lediglich jede zehnte Person ist über ein geregeltes Arbeitsverhältnis in das Erwerbsleben eingebunden. Der absolut überwiegende Teil (79%) der Inteviewpartner ist aktuell arbeitslos. Der auch bei Vogt (1992, 16) und Kemmesies (1995, 219) herausgestellte hohe Arbeitslosenanteil erscheint als ein typisches Charakteristikum der offenen Drogenszene. In welcher Form der Mangel an geregeltem Arbeitseinkommen Niederschlag in spezifischen Formen der Deckung des Lebensunterhaltes und des Drogenbedarfs findet, wird uns in 4.4.1 beschäftigen.

4.2.3 Aktuelle Wohnsituation

Tab. 6: Aktuelle Wohnsituation (n=150)

 

‚obdachlos‘ ò

69/46%

‚Notschlafunterkunft‘

‚Straße‘

‚bei Bekannten‘

41/59%

19/28%

9/13%

 

‚fester Wohnsitz‘ ò

81/54%

‚eigene Wohnung‘

‚mit Partner/User‘

‚mit Partner/Non-User‘

‚WG/User‘

WG/Non-User‘

‚Eltern‘

40/50%

9/11%

4/5%

5/6%

5/6%

18/22%

Die Wohnungsnot unter den befragten Drogengebrauchern der offenen Drogenszene scheint besonders groß, wie bereits Vogt (1992, 13f) und Kemmesies (1995, 136) herausstellten. 46% der Interviewpartner sind aktuell obdachlos. Daß die Notschlafunterkünfte im Rahmen des Drogenhilfeangebots offenbar eine reale Notlage vieler Drogengebraucher berühren, belegt der Umstand, daß von den Obdachlosen 59% gegenwärtig von einem Übernachtungsangebot der Drogenhilfe Gebrauch machen.

Vergleichsweise günstig stellte sich die Wohnsituation in der Gruppe derer dar, die außerhalb Frankfurts leben: Hier lag der Obdachlosenanteil bei 20%, während er unter den ‚Frankfurter Befragten‘ 51% betrug (c 2: 48.16 * * * /DF: 1). Die Gruppe der außerhalb von Frankfurt (Großraum) lebenden Interviewpartner umfaßt 25 Personen, was 17% der Gesamtstichprobe entspricht. 23 Interviewpartner (15%) gaben an, aktuell im Großraum FaM (RMV-Einzugsgebiet) zu leben und 102 Befragte (68%) wohnen unmittelbar in FaM. Die Frage, ob sie in FaM polizeilich gemeldet sind, bejahten 63%. Jede dritte Person (37%) ist aktuell außerhalb FaM oder überhaupt nicht polizeilich gemeldet. Mit 63% liegt der Anteil in FaM gemeldeter Personen deutlich höher, als in der Studie Vogts (1992, 12, die einen entsprechenden Prozentwert von 40% ausweist) – möglicherweise deuten sich in dieser Diskrepanz Effekte der ordnungspolitisch motivierten Maßnahmen in FaM im Blick auf die auswärtigen Drogengebraucher an.

Daß die Frankfurter Drogenszene auch weiterhin – offensichtlich wegen des attraktiven Drogenmarktes (Preisniveau, Angebot) – eine Sogwirkung auf Drogengebraucher aus umliegenden Regionen ausübt, illustriert die Zahl der ‚Szenebesuche‘ der Auswärtigen: Sie besuchen die Frankfurter Drogenszene durchschnittlich viermal pro Woche (MW: 3.6, SD: 2.5). Ohne daß es systematisch erhoben wurde, scheinen sich drei Hauptbesuchsmotive abzuzeichnen: 1. Attraktivität des Drogenmarktes 2. Frankfurter Szene als ‚informeller Arbeitsmarkt‘ (‚Drogengeschäfte‘) 3. Anonymität im großstädtischen Szenegefüge (unkompliziertere, mit einem geringeren Entdeckungsrisiko behaftete Ausübung drogengebrauchsbezogener Handlungen: Erwerb, Konsum etc.).

4.3 Zum drogalen Entwicklungsverlauf

Im anstehenden Abschnitt soll ein komprimierter Überblick über die drogalen Entwicklungsverläufe – festgemacht an der Drogensequenz – gegeben werden. In dieser Absicht sei zunächst eine Übersicht präsentiert, aus der das durchschnittliche Einstiegsalter, die Life-Time-Prävalenz und der Anteil an experimentellen Gebrauchern jeweils substanzbezogen wiedergegeben.

Tab 7: Drogensequenz (n=150)

Droge

Einstiegsalter

MW (SD; Min-Max)

 

‚Life-Time-Prävalenz‘

 

rein experimenteller Gebrauch

 

Nikotin

12.4 (2.7; 6 – 23)

100% (150)

____

 

Alkohol

13.3 (2.4; 8 – 23)

97% (146)

1% (1)

 

Cannabis

14.8 (2.8; 11 – 38)

99% (149)

____

 

LSD

16.9 (3.0; 12 – 30)

81% (121)

19% (23)

 

Heroin

18.4 (3.8; 12 – 34)

99% (148)

1% (1)

 

Medikamente

18.7 (5.7; 11 – 36)

90% (45)

2% (1)

 

Speed

19.4 (4.8; 13 – 40)

79% (118)

19% (22)

 

Kokain

20.2 (5.7; 12 – 40)

99% (149)

1% (1)

 

Rohopium/Opiate

20.7 (5.0; 14 – 36)

68% (103)

26% (27)

 

Ecstasy

23.7 (4.8; 13 – 36)

33% (49)

43% (21)

 

Crack

26.5 (6.6; 15 – 44)

41% (61)

10% (6)

 

‚Harte Drogen‘

17.0 (3.6; 12 – 40)

100% (150)

____

 

‚Karriere harte Drogen‘

13.7 (6.1; 0 – 28)

bis 5 Jahre: 11 (7%)

6-10 Jahre: 46 (31%)

11-20 Jahre: 75 (50%)

> 20 Jahre: 18 (12%)

Die ermittelten Altersdurchschnittswerte bei Gebrauchsaufnahme der diversen Substanzen bewegen sich in der Spannbreite der jeweiligen Angaben einschlägiger Forschungsberichte (etwa: Projektgruppe Rauschmittelfragen 1991, 83; Kreuzer/et al 1991, 129). Bedeutsame Abweichungen zeichnen sich nicht ab; sie bewegen sich im Rahmen von (maximal; +/-) 12 Monaten. Auch ein direkter systematischer Vergleich (t-Test) mit den entsprechenden, in der Studie von Kemmesies (1995, 200) ermittelten Altersdurchschnittswerten ergab keine signifikanten Unterschiede: So deckt sich das Durchschnittsalter bei der Gebrauchsaufnahme ‚harter Drogen‘ der vorliegenden Studie (17 Jahre) mit dem entsprechenden Wert in der Studie von Kemmesies (17.4 Jahre; ebd. 201) nahezu. Eine ähnliche Übereinstimmung ergab sich auch bez. der bisherigen Erfahrungskarriere mit dem Gebrauch harter Drogen [13.6 Jahre – 12.5 Jahre (ebd. 206)]. Angesichts dieser Zahlen überrascht es auch nicht, daß sich in der Stichprobe bei Kemmesies (1995) ein ähnlich hoher Anteil an Drogengebrauchern findet, die bereits länger als 10 Jahre (mehr oder weniger kontinuierlich) harte Drogen konsumieren [62% – 58% (ebd. 206)].

Betrachten wir die vorstehende Tabelle eingehender, so werden einige Besonderheiten augenfällig. Gebrauchserfahrungen mit den legalen Drogen Nikotin und Alkohol sowie mit den illegalen Drogen Cannabis, Heroin und Kokain scheinen offenbar zum ‚kollektiven drogalen Erfahrungsschatz‘ der Gebraucher der offenen Drogenszene zu gehören: Die Interviewpartner geben nahezu ausnahmslos einschlägige Konsumerfahrungen an, die über einen rein experimentellen Gebrauch hinausgehen. Auch einen über ein experimentelles Stadium hinausgehenden Medikamentengebrauch berichten 9 von 10 (88%) Interviewpartner, die im Rahmen der Druckraumbefragung interviewt wurden. Eine hohe – im Vergleich zu den vorher angesprochenen Substanzen jedoch deutlich niedrigere – Life-Time-Prävalenz ist ebenso bez. der Drogen LSD, Speed und Rohopium (u./o. pharmazeutische Opiate) festzuhalten. Allerdings stellte jede fünfte (bez. Rohopium: jede vierte) Person den Konsum dieser Substanzen nach einer Experimentierphase jedoch wieder ein. Die Beobachtung einer merklich geringeren Life-Time-Prävalenz und einer deutlich größeren Gruppe von experimentellen Gebrauchern legt die Vermutung nahe, daß diese Drogen innerhalb der offenen Drogenszene eine geringere Bedeutung haben bzw. einen Bedeutungsverlust – infolge wechselnder Gebrauchs-(/Mode-)Trends und Marktentwicklungen – durchlaufen haben. Diesbezüglich bieten sich substanzbezogen drei (hypothetisch formulierte) Erklärungen an, die einer differenzierteren, durch den Einbezug älterer Studien gekennzeichneten Analyse bedürften: Der Konsum von LSD hat den seinen subkulturellen – in der Hippiebewegung verankerten – Begründungszusammenhang eingebüßt. Zudem ist der LSD-Konsum, aufgrund des halluzinogenen Wirkspektrums und der lang anhaltenden Drogenwirkung von LSD, mit dem Szenealltag und mit dem (häufig durch eine physische Abhängigkeit diktierten) Lebensrhythmus kaum vereinbar. Rohopium sowie pharmazeutische Opiate (‚Apotheken-Junk‘) fanden Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre eine weiteren Verbreitungsgrad und wurden Anfang/Mitte der 70er Jahre infolge einer international greifenden Marktumstellung mehr und mehr durch Heroin ersetzt (vgl. bez. der hier angesprochenen subkulturellen Entwicklungstrends und Marktverschiebungen etwa: Scheerer 1989, 285ff). So verwundert es in diesem Erklärungskontext auch nicht, daß die Gruppe der Rohopium- und LSD-erfahrenen Interviewpartner im Durchschnitt deutlich älter sind, als diejenigen, die diese Substanzen bisher nie probierten bzw. deren Konsum nach einem experimentellen Gebrauch wieder einstellten [Rohopium: 32.4 (SD: 5.3) gegenüber 28.9 (SD: 5.5) Jahre; t: 3.9.1 * * * * /LSD: 31.5 (SD: 5.6) gegenüber 29.2 (SD: 5.4) Jahre; t: 2.38 * * ].

Speed (Amphetamin, Methamphetamin) – in den 70er Jahren eine weitverbreitete Stimulanzdroge innerhalb der offenen Drogenszene – hat ebenfalls offenbar an Bedeutung verloren. Es hat den Anschein, als sei Speed durch die natürlichere Stimulanzdroge Kokain – vor dem Hintergrund einer Ausweitung des Kokainmarktes auf der Grundlage eines (im Vergleich zu früheren Jahren) relativ geringen Preisniveaus und kostengünstiger Verpackungseinheiten (Kleinstmengen ab DM 20,- gehandelt) – verdrängt worden. Vor allem aber spiegelt sich der hier andeutende Bedeutungsverlust von LSD, Rohopium und Speed in den aktuellen Konsummustern der Interviewpartner wider: Nur in Ausnahmefällen wird ein gegenwärtiger Gebrauch dieser Substanzen berichtet (vgl. 4.3.1).

Gehen wir auf die neueren Drogen Ecstasy (XTC) und Crack ein, so ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Wie auch bereits bei der Szenebefragung in FaM (1993) im Rahmen einer Vergleichsstudie ‚Niederlande-Deutschland‘ (Kemmesies 1995, 185f), gibt jede dritte Person an, Ecstasy einmal probiert zu haben. Es scheint, als habe die Gruppe der Ecstasy-Erfahrenen innerhalb der offenen Drogenszene nicht zugenommen – wenn auch einzuräumen ist, daß diese Beobachtung auf einer vergleichsweise begrenzten empirischen Basis fußt. Allem Anschein nach findet Ecstasy in offenen Szenebezügen keinen größeren Verbreitungsgrad, was sich implizit auch darin ausdrückt, daß ein großer Teil (43%) der ‚Probierer-Gruppe‘ den Ecstasy-Konsum nach einem Gebrauchsexperiment wieder einstellte und Ecstasy im aktuellen Drogengebrauchsverhalten der Interviewpartner quasi keine Rolle zu spielen scheint (vgl. 4.3.1). Möglicherweise ist die marginale Bedeutung von Ecstasy in der (Heroin-)Szene mit einer Art subkulturellen Inkompatibilität zu erklären: Ecstasy ist eng mit spezifischen subkulturellen Bezügen und Stilbildungsprozessen (Techno-, Rave-Szene) assoziiert, welche sich zu einem weitestgehend eigenständigen (sub-)kulturellen Raum verdichtet haben, der offenbar nur wenig Berührungspunkte mit der offenen Drogenszene hat. Demgegenüber scheint innerhalb der offenen Drogenszene der Crackkonsum an Bedeutung zu gewinnen (quasi im Windschatten der Bedeutungszunahme von Kokain). Während in einer Szenestichprobe aus dem Jahre 1993 (Kemmesies 1995) insgesamt 16% der interviewten Drogengebraucher angaben, bisher Crack einmal konsumiert zu haben, liegt der entsprechende Anteil in der vorliegenden Studie bei 41% – also um 25% höher (c 2: 10.1* * * , DF: 1). Daß eine Bedeutungszunahme von Crack innerhalb der offenen Drogenszene angenommen werden kann, illustriert nicht nur die offenbar zunehmende Prävalenzrate an Crackerfahrungen, sondern vor allem auch der Umstand, daß Crack im aktuellen Drogengebrauchsverhalten eines nicht unerheblichen Teils der Interviewpartner eine wesentliche Rolle zu spielen scheint.

4.3.1 Zu den aktuellen Drogengebrauchsmustern

Ein erster Eindruck von den aktuell praktizierten Drogengebrauchsmustern vermittelt die anstehende Tabelle über die im Zeitraum der letzten vierundzwanzig Stunden und der letzten Woche konsumierten Drogen:

Tab. 8: Drogengebrauch der letzten 24 Stunden/Woche (n=150)

 

letzten 24 Std.

 

letzte Woche

 

keinerlei

2

 

Alkohol (Alk)

2

2

 

Cannabis (C)

2

1

 

Kokain (K)

3

2

 

Crack (Cr)

3

 

Heroin (H)

11

5

 

Alk/C

1

 

Alk/K

4

2

 

Alk/H

5

4

 

Alk/C/K

3

2

 

Alk/C/H

2

4

 

Alk/H/K

19

19

 

Alk/H/Cr

2

2

 

Alk/C/H/K

22

39

 

Alk/H/K/CR

3

2

 

Alk/C/H/K/Cr

1

13

 

C/K

2

2

 

C/H

2

 

C/H/K

10

22

 

C/H/K/Cr

1

5

 

K/Cr

1

 

H/K

45

17

 

H/Cr

1

 

H/K/Cr

3

6

Auf den ersten Blick vermittelt die Übersicht, daß offenbar höchst differente Konsummuster praktiziert werden. Der ausschließliche Gebrauch lediglich einer Substanz im Verlauf der zurückliegenden vierundzwanzig Stunden wird von 21 Personen (14%) berichtet. Bez. der vergangenen Woche geben lediglich 10 Personen (7%) an, nur eine der aufgeführten Substanzen gebraucht zu haben. Insgesamt zeichnet sich ein polyvalentes Drogengebrauchsverhalten ab: Im Verlaufe des zurückliegenden Tages hat nahezu jeder zweite Interviewpartner (47%) drei (oder mehr) Drogen konsumiert (MW: 2.5, SD: 1.1). Im Blick auf die letzte Woche trifft dies auf drei von vier (78%) der befragten Drogenkonsumenten zu (MW: 3.3, SD: 1.2). Diese Grobskizzierung der mehrheitlich polyvalenten Konsummuster trifft auf die Teilstichproben (‚Szenebefragung’/’Druckraumbefragung‘) gleichermaßen zu, wobei ebenfalls zu berücksichtigen ist, daß sich unter den einhundert Intviewpartnern der Szenebefragung 38 Personen (38%) befinden, die aktuell mit Methadon (33) oder Codein (5) substituiert werden. Weiterhin ist – wie in 3.2.1 ausgeführt – nur im Rahmen der Druckraumbefragung konkret nach dem Zeitpunkt des letzten Medikamentengebrauchs gefragt worden. Hier findet sich eine Gruppe von 20 Personen (40%), die im Verlaufe der vergangenen Woche Medikamente (zumeist Rohypnol) gebrauchten.

Eine binnendifferenzierende Betrachtung der aktuellen Drogengebrauchsmuster vermittelt einige Besonderheiten. Betrachten wir die diversen Drogen im einzelnen:

· Alkohol

Tab. 9: Häufigkeit Alkoholkonsum

 

täglich

37/25%

 

ein-, mehrmals pro Woche

26/17%

 

ein-, mehrmals pro Monat

20/13%

 

weniger als einmal pro Monat/gar nichts

67/45%

Tab. 10: Letztkonsum Alkohol

 

letzten 24 Stunden

64/43%

 

letzte Woche

26/17%

 

letzter Monat

10/7%

 

länger her/nie genommen

50/33%

Alkohol scheint im Drogengebrauchsverhalten der Interviewpartner eine wichtige, aber keine herausragende Rolle zu spielen. Es scheint, als ‚polarisiere‘ sich die Stichprobe anhand der Fragen zur Häufigkeit des Gebrauchs und zum Zeitpunkt des Letztkonsums von Alkohol. Einerseits findet sich jeweils eine große Gruppe an Personen, die angeben, täglich Alkohol zu konsumieren und dies auch in den letzten 24 Stunden getan zu haben. Andererseits gibt nahezu jeder zweite Interviewpartner an, Alkohol weniger als einmal pro Monat (oder gar nicht) zu nehmen und bei immerhin jedem dritten befragten Drogengebraucher liegt der Letztkonsumzeitpunkt länger als ein Monat zurück. Das Verteilungsbild der Tabelle stellt sich innerhalb der Teilstichproben ähnlich – ohne bedeutsame Abweichungen – dar. Reduzieren wir die Tabelle zum Letztkonsum auf die Frage ‚Alkoholkonsum in den letzten 24 Stunden: Ja oder nein?‘, so ergeben sich geschlechtsspezifische Differenzen, insofern wir unter den Männern eine ungleich größere Gruppe an Personen finden, die in den vergangenen 24 Stunden Alkohol konsumierten (Frauen: 24% – Männer: 49; c 2: 6.75 * * * , DF: 1).

· Cannabis

Tab. 11: Häufigkeit Cannabiskonsum

 

täglich

22/15%

 

ein-, mehrmals pro Woche

37/25%

 

ein-, mehrmals pro Monat

27/18%

 

weniger als einmal pro Monat/gar nichts

64/43%

Tab. 12: Letztkonsum Cannabis

 

letzten 24 Stunden

46/31%

 

letzte Woche

43/29%

 

letzter Monat

17/11%

 

länger her/nie genommen

44/29%

Auch Cannabis nimmt, ähnlich wie Alkohol, offenbar keine herausragende Bedeutung im Konsumgeschehen der offenen Drogenszene ein. Dies wird auch daran ersichtlich, daß lediglich vier Personen in der letzten Woche ausschließlich Alkohol und/oder Cannabis konsumierten. Zwischen Frauen und Männern sowie zwischen den Teilstichproben ergaben sich keine bemerkenswerten Abweichungen. Es scheint, als werde Cannabis nebenbei, im Falle einer sich anbietenden Gelegenheit (auf Einladung) konsumiert, ohne größere Anstrengungen im Blick auf den Erwerb zu unternehmen oder dem Cannabiskonsum eine größere Bedeutung zuzuweisen: Zwar geben 89 Befragte (60%) an, Cannabis im Verlaufe der letzten Woche konsumiert zu haben, allerdings hat von dieser Gruppe nur jeder vierte (26%) Geld für diese Droge ausgegeben oder wies Cannabis eine besondere gegenwärtige Konsumbedeutung zu.

· Ecstasy (XTC)

Wie sich schon in 4.3 abzeichnete und diskutiert wurde, erscheint Ecstasy im Kontext der offenen Drogenszene von nur randständiger Bedeutung. Lediglich ein Interviewpartner gibt an, Ecstasy in den letzten 24 Stunden genommen zu haben und dies auch regelmäßig (mehrmals pro Woche/Wochenende) zu tun. Auch finden sich insgesamt nur zwei weitere Interviepartner, die Ecstasy im vergangenen Monat gebrauchten. Die bereits 1993 gemachte Beobachtung einer offenbar marginalen Bedeutung von Ecstasy im Szeneumfeld (vgl. Kemmesies 1995, 185f) bestätigt sich allem Anschein nach auch im Blick auf die gegenwärtige Situation der offenen Drogenszene.

· LSD

LSD spielt quasi keine Rolle mehr innerhalb der offenen Drogenszene Frankfurts. Insgesamt berichten nur drei Befragte (2%) einen LSD-Konsum innerhalb des letzten Monats. Bezüglich der möglichen Hintergründe des sich offensichtlich vollziehenden Bedeutungsverlustes dieser – vor allem um die Jahrzehntwende 60er-70er Jahre – symbolträchtigen Droge verweisen wir auf 4.3 zurück.

· Rohopium – pharmazeutische Opiate

Rohopium sowie pharmazeutische Opiate finden ebenfalls nur einen beschränkten Abnehmerkreis bzw. werden kaum mehr auf dem illegalen Drogenmarkt gehandelt. Nur in Ausnahmefällen wird ein aktueller Konsum berichtet: Eine Person hat derartige Substanzen im Verlaufe der letzten 24 Stunden, drei Interviewpartner im Verlaufe der letzten Woche und elf Personen im zurückliegenden Monat konsumiert. Heroin hat sich – so legt es das Gebrauchsverhalten nahe – in der Substanzgruppe der ‚Opiate‘ zur marktbeherrschenden Droge entwickelt.

· Heroin

Tab. 13: Häufigkeit Heroinkonsum

 

täglich

87/58%

 

ein-, mehrmals pro Woche

40/27%

 

ein-, mehrmals pro Monat

7/5%

 

weniger als einmal pro Monat/gar nichts

16/11%

Tab. 14: Letztkonsum Heroin

 

letzten 24 Stunden

127/85%

 

letzte Woche

11/7%

 

letzter Monat

2/1%

 

länger her/nie genommen

10/7%

Heroin stellt im aktuellen Drogengebrauchsverhalten der Interviewpartner die meistgenutzte Droge dar – allerdings nur mit graduellem Abstand zum Kokain (s.u.). Vier von fünf Befragte (85%) geben an, Heroin mindestens einmal pro Woche zu nehmen. Mehr als die Hälfte (58%) der interviewten Drogengebraucher nimmt Heroin auf täglicher Basis und die absolute Mehrheit (85%) nutzte Heroin in den letzten 24 Stunden. Reduzieren wir den Differenzierungsgrad vorstehender Tabellen auf die Information ‚täglicher Heroinkonsum: Ja oder nein?‘ und ‚Letztkonsum Heroin innerhalb der letzten 24 Stunden: Ja oder nein?‘, so ergeben sich auffällige Differenzen zwischen den Teilstichproben. Während von den im Rahmen der Szenebefragung interviewten Drogengebrauchern 79% angeben, im Verlaufe des zurückliegenden Tages Heroin genommen zu haben, trifft dies auf 96% der Interviewten der Druckraumbefragung zu (c 2: 7.42* * * , DF: 1). Auch liegt der Anteil der täglichen Heroinkonsumenten in der Teilstichprobe ‚Druckraumbefragung‘ – wenn auch nicht signifikant – höher (64% gegenüber 55%). Möglicherweise deuten sich hier Gebrauchsmusterunterschiede an, die im Zusammenhang mit der Nutzungsintensität des Gesundheitsraumangebotes stehen. In diese Richtung weist auch die Applikationshäufigkeit (pro Tag) der auf täglicher Basis heroinkonsumierenden Interviewpartner: Die unmittelbar auf der Szene kontaktierten Drogengebraucher berichten durchschnittlich bedeutend mehr Konsumsituationen mit Heroin, als die in den Gesundheitsräumen Frankfurts interviewten Konsumenten [(Gesamtdurchschnitt: MW: 4.82, SD: 2.7, Min-Max: 1 – 12) ‚Szenebefragung‘: MW: 5.5, SD: 2.7 – ‚Druckraumbefragung‘: MW: 3.6, SD: 2.1; t: 3.69* * * * ].

Die durchschnittliche Heroinkonsummenge pro Tag in Gramm unterscheidet sich in den Teilstichproben nicht signifikant – wenngleich sie in der Teilstichprobe ‚Szenebefragung‘ um etwa 0.5g höher liegt (Gesamtdurchschnitt: MW: 2.9 , SD: 1.9, Min-Max: .2 – 10). Setzen wir die durchschnittliche tägliche Applikationshäufigkeit in Relation zum Herointagesbedarf in Gramm, so applizieren die in den Gesundheitsräumen Befragten eine durchschnittlich deutlich höhere Heroindosis pro Konsumsituation [(Gesamtdurchschnitt: MW: .67, SD: .38, Min-Max: .11 – 2.0) ‚Szenebefragung‘: MW: .58, SD: .34 – ‚Druckraumbefragung‘: MW: .82, SD: .39; t: 2.85* * * ]. Möglicherweise hängen diese unmittelbar den Umgang mit Heroin betreffenden Unterschiede mit teilstichprobenspezifischen Präferenzen für parallel konsumierte Substanzen – vor allem Kokain (s.u.) – zusammen. Diese Vermutung scheint sich angesichts der Antworten zur Fragestellung, ob Heroin aktuell unmittelbar in Verbindung mit anderen Drogen konsumiert wird, zunächst nicht zu bestätigen:

Tab. 15: Kombinationsgebrauch von Heroin mit anderen Drogen

‚Szenebefragung‘

(n=100)

‚Druckraumbefragung‘

(n=50)

GESAMT

(n=150)

 

’nein‘

10/10%

6/12%

16/11%

 

’selten‘

14/14%

12/24%

26/17%

 

‚häufig‘

19/19%

8/16%

27/18%

 

‚am liebsten immer‘

48/48%

23/46%

71/47%

 

‚(akt.) kein H-Konsum‘

9/9%

1/2%

10/7%

Die absolute Mehrheit (65%) der Interviewpartner gibt an, aktuell Heroin ‚häufig‘ bzw. ‚am liebsten immer‘ kombiniert mit anderen Drogen zu nehmen – wobei sich die Teilstichproben nicht unterscheiden. Nehmen wir die Kategorie ’selten‘ hinzu, so kombinieren 88% der aktuellen Heroinkonsumenten Heroin – zumindest ab und zu – unmittelbar mit anderen Substanzen. Auch auf die Frage, welche Droge beim Parallelkonsum bevorzugt wird, ergaben sich keine Unterschiede. Mit Abstand wird Kokain von 90% der Befragten als Kombinationsdroge bevorzugt. Die restlichen Nennungen entfallen auf Medikamente (5%) und weitere 5% geben an, daß Medikamente und Kokain von gleichrangiger Bedeutung sind. Die primäre Heroinapplikationsform ’spritzen‘ findet quasi eine Fortschreibung beim kombinierten Drogengebrauch. Der intravenöse Heroingebrauch stellt mit 97% der Nennungen die mit Abstand verbreitetste Konsumform dar – lediglich zwei Interviewpartner geben an, Heroin hauptsächlich zu snifen, und weitere zwei Personen nennen ‚Folien-rauchen‘ (einatmen der Dämpfe von auf Aluminiumfolie erhitztem Heroin mittels eines kleinen Rohres) als hauptsächlich praktizierte Konsumform. Beim kombinierten Drogengebrauch findet die intravenöse Applikationsform von Heroin zu 100% Anwendung. Mit Abstand wir die gemeinsame Aufbereitung von Heroin und Kokain (oder Medikamente; Szenebezeichnung: ‚Cocktail‘) zur intravenösen Applikation favorisiert (94%); weitere sechs Personen bevorzugen die unmittelbar aufeinander folgende intravenöse Applikation von Heroin und Kokain (‚Stereo-Druck‘) und zwei Personen geben an, Heroin zu spritzen und Medikamente parallel oral einzunehmen.

Die vorstehenden Zahlen vermitteln einen Eindruck von der Dominanz des intravenösen Drogengebrauchs innerhalb des empirischen Bezugsfeldes ‚offene Drogenszene‘ dieser Studie.

· Kokain

Tab. 16: Häufigkeit Kokainkonsum

 

täglich

71/47%

 

ein-, mehrmals pro Woche

45/30%

 

ein-, mehrmals pro Monat

10/7%

 

weniger als einmal pro Monat/gar nichts

24/16%

Tab. 17: Letztkonsum Kokain

 

letzten 24 Stunden

118/79%

 

letzte Woche

11/7%

 

letzter Monat

5/3%

 

länger her/nie genommen

16/11%

Vergleichen wir die angeführten Tabellen mit den entsprechenden Übersichten zu Heroin (Tab. 13; 14), so wird ersichtlich, daß Kokain nahezu eine gleichhohe Konsumintensität innerhalb des Drogengebrauchsverhaltens der Interviewpartner erfährt: Die Unterschiede sind nur gradueller, nicht jedoch grundsätzlicher Natur. Jeder zweite Gesprächspartner (47%) konsumiert Kokain täglich (Heroin: 58%); drei von vier Befragte (77%) nutzt Kokain mindestens einmal pro Woche (Heroin: 85%). Offenbar hat sich Kokain innerhalb der offenen Drogenszene fest etabliert und sich – neben Heroin – zur wichtigsten Droge im Konsumgeschehen der Drogenszene entwickelt. Dies legt vor allem ein Vergleich zu den Konsumgewohnheiten der Stichprobe von Kemmesies (1995) aus dem Jahre 1993 nahe: Während vor zwei Jahren sechs von zehn (62%) Interviewpartner einen Kokainkonsum innerhalb der letzten 24 Stunden berichteten, trifft dies in der vorliegenden Stichprobe auf acht von zehn Personen (79%) zu (c 2: 5.48* * , DF: 1).

Vergleichen wir die Teilstichproben, so vermittelt sich ein Bild deutlich voneinander abweichender Kokainkonsummuster. Von den im Rahmen der Szenebefragung interviewten Personen berichten graduell mehr einen Kokainkonsum in den letzten 24 Stunden (‚Szenebefragung‘: 83% – ‚Druckraumbefragung‘: 70%; c 2: 3.36* , DF: 1). Auch geben deutlich mehr Interviewpartner der Szenebefragung einen täglichen Kokainkonsum an (‚Szenebefragung‘: 54% – ‚Druckraumbefragung‘: 34%; c 2: 5.3* * , DF: 1), wobei diese Gruppe ebenso eine deutlich höhere Zahl an täglichen Kokainkonsumsituationen berichtet [(Gesamt: MW: 6.9, SD: 4.8, Min-Max: 1 – 20) ‚Szenebefragung‘: MW: 7.6, SD: 5.0 – ‚Druckraumbefragung‘: MW: 4.7, SD: 3.5; t: 2.61* * ]. Wie bereits anläßlich der Betrachtungen zum Heroinkonsummuster (s.o.), stellt sich diesbezüglich die in der weiteren Analyse zu verfolgende Fragestellung, ob die unterschiedliche Gebrauchsintensität von Kokain im Zusammenhang mit einer möglicherweise differenten Nutzungsintensität der Gesundheitsräume in den Teilstichproben steht.

· Speed

Wie in 4.3 bereits herausgestellt, scheint Speed seine ehemalige Bedeutung als ‚Kokain des armen Mannes‘ weitestgehend eingebüßt zu haben bzw. ist weitestgehend durch die Stimulanzdroge Kokain vom Markt verdrängt worden. Lediglich zwei Interviewpartner geben an, Speed gegenwärtig täglich zu nutzen; weitere drei berichten einen Konsum auf ‚Wochenbasis‘ (mindestens einmal) und zwei Gesprächspartner nehmen Speed auf ‚Monatsbasis‘ (mindestens einmal). So gebrauchten nur fünf Personen Speed im Verlaufe des letzten Tages – insgesamt finden sich 14 Interviewpartner (9%), die diese Substanz im letzten Monat mindestens einmal konsumierten. Demgegenüber liegt der Anteil an aktuellen Kokainkonsumenten (Konsum innerhalb des letzten Monats) in der Gruppe derjenigen, deren letzter Speed-Konsum länger als ein Monat zurückliegt (oder die Speed bisher nie konsumierten) bei 90%(!) – ein eindeutiger Hinweis, daß nicht ein Bedeutungsverlust der Substanzgruppe ‚Stimulanzien‘ innerhalb der offenen Drogenszene zu konstatieren ist, sondern allem Anschein nach Kokain weitgehend Speed aus dem Marktgeschehen verdrängt hat.

· Crack

Auf die offensichtliche Bedeutungszunahme von Crack innerhalb der offenen Drogenszene ist bereits in 4.3 eingegangen worden: Es findet sich in der vorliegenden Stichprobe ein ungleich höherer Anteil an konsumerfahrenen Personen als in der Frankfurter Stichprobe im Rahmen der niederländisch-deutschen Vergleichsstudie von Kemmesies (1995, 190f). Daß Crack auch in den aktuell praktizierten Gebrauchsmustern offensichtlich an Bedeutung gewinnt, wird eindrucksvoll daran ersichtlich, daß jeder fünfte (20%) Befragte einen Crackkonsum im Verlaufe der letzten Woche berichtet, während ein aktueller Crackgebrauch von keinem der 1993 befragten Drogengebraucher der angesprochenen Vergleichsstudie angegeben wird (ebd. 191; c 2: 11.76* * * * , DF: 1). Im Blick auf den gegenwärtigen Konsum von Crack zeichnet sich ein gradueller Unterschied zwischen den Vergleichsstichproben ab, insofern – vergleichbar zu den Beobachtungen im Zusammenhang mit Kokain – sich unter den Interviewpartnern der Szenebefragung eine tendenziell größere Gruppe findet, die noch im Verlaufe der vergangenen Woche Crack konsumierten (‚Szenebefragung‘: 24% – ‚Druckraumbefragung‘: 12%).

· Medikamente

Wie in 3.1.2 erklärt, ist nach dem konkreten Medikamentengebrauch nur innerhalb der Teilstichprobe ‚Druckraumbefragung‘ (n=50) gefragt worden. Jeder zweite Interviewpartner (54%) gibt einen regelmäßigen Medikamenten(bei)konsum an, sechs Interviewpartner (12%) nehmen Medikamente (primär Benzodiazepin: Rohypnol) täglich und weitere 14 Personen (28%) ein- bis mehrmals pro Woche. Auf die Frage nach dem Zeitpunkt des Medikamentenletztkonsums berichten 68% einen Medikamentengebrauch innerhalb des zurückliegenden Monats und immerhin noch 40% einen Letztkonsum im Verlaufe der zurückliegenden 24 Stunden. Diese Zahlen können als Indiz gewertet werden, daß Barbiturate und Benzodiazepin in der offenen Drogenszene weiterhin offenbar ein vielgenutztes Ausweich- und Überbrückungsmittel zum Heroin darstellt (vgl. etwa: Schneider 1994).

Um einen näheren, über die Aspekte ‚Letztkonsum‘ und ‚Konsumhäufigkeit‘ hinausgehenden Eindruck von den Drogengebrauchsmustern und den Bedeutungen der einzelnen Substanzen im Alltag bzw. Konsumgeschehen der offenen Drogenszene zu erhalten, sind die Interviewpartner (in Form einer Rangordnungsfrage) danach gefragt worden, welche Droge für sie im Verlaufe der vergangenen Woche am wichtigsten war und für welche sie das meiste Geld ausgaben. In den anstehenden Übersichten ist zunächst wiedergegeben, welche Droge(n) von den Interviewpartnern überhaupt als bedeutsam eingestuft wurde(n) und für welche Geld ausgegeben wurde(n):

Tab. 18: Droge(n) als ‚bedeutsam‘ eingestuft/letzte Woche (Mehrfachnennungen)

‚Szenebefragung‘

(n=100)

‚Druckraumbefragung‘

(n=50)

c 2

 

(DF: 1)

GESAMT

(n=50)

 

Heroin

78/78%

48/96%

8.03* * *

126/84%

 

Kokain

85/85%

35/70%

4.68* *

120/80%

 

Alkohol

25/25%

10/20%

35/23%

 

Medikamente

21/21%

7/14%

28/19%

 

Cannabis

18/18%

5/10%

23/15%

 

Sonstige

7/7%

4/8%

11/7%

Tab. 19: Droge(n) gekauft/letzte Woche (Mehrfachnennungen)

‚Szenebefragung‘

(n=100)

‚Druckraumbefragung‘

(n=50)

c 2

 

(DF: 1)

GESAMT

(n=50)

 

Heroin

78/78%

49/98%

10.3* * *

126/84%

 

Kokain

85/85%

36/72%

3.6*

120/80%

 

Alkohol

35/35%

11/22%

35/23%

 

Medikamente

25/25%

6/12%

3.4*

28/19%

 

Cannabis

16/16%

7/14%

23/15%

 

Sonstige

5/5%

2/4%

11/7%

Die Übersichten vermitteln zunächst, daß dem Heroin und Kokain aktuell offensichtlich eine herausragende Bedeutung in den Drogengebrauchsmustern auf der offenen Drogenszene zufällt: Mit Abstand rangieren sie vor allen anderen Substanzen. Weiterhin bestätigen die Verteilungsbilder der Tabellen die sich in der bisherigen Analyse herauskristallisierende Beobachtung, daß sich die Drogengebrauchsmuster der Teilstichproben vor allem im Hinblick auf die Substanzen Heroin und Kokain unterscheiden: Ungleich mehr Interviewpartner der Druckraumbefragung geben an, für Heroin in den letzten sieben Tagen Geld ausgegeben zu haben und räumen Heroin häufiger den Status einer subjektiv bedeutsamen Droge zu, während umgekehrt – in abgeschwächter Form – gleiches bez. Kokain innerhalb der Teilstichprobe ‚Szenebefragung‘ gilt.

Eine weitere Auffälligkeit betrifft ‚Medikamente‘. Obwohl die Interviewpartner der Szenebefragung – im Gegensatz zu denen der Druckraumbefragung – nicht nach ihrem konkreten Medikamentenkonsum gefragt wurden, weisen sie Medikamenten – zwar nicht signifikant – häufiger einen Bedeutungsrang zu und geben tendenziell häufiger an, für Medikamente im fraglichen Zeitraum Geld ausgegeben zu haben. Wenn auch davon ausgegangen werden kann, daß diese Unterschiedstendenz ein differentes, auf Medikamente ausgelegtes Drogengebrauchsmuster in den Teilstichproben andeutet, ist dies auch als Indiz zu werten, daß ein Medikamentengebrauch eingeräumt und auch berichtet wird. Zumindest aber ist die These fragwürdig, daß die Angaben über den Konsum von Medikamenten in derartigen Studien generell zu niedrig ausfallen, weil der Medikamentengebrauch „dem Image des ‚coolen-users‘ widerspricht“ (Vogt 1992, 21). Kommen wir noch einmal auf die Ausnahmestellung von Heroin und Kokain zurück, so vermittelt sich dies plastisch in der anstehenden Graphik:

Tab. 20: Wichtigste Droge – Droge mit Finanzierungspriorität/letzte Woche

 

Wichtigste Droge: c 2: —, DF: 2

 

Droge mit Finanzierungspriorität: c 2: 6.2* * , DF: 2

Als die wichtigste Droge stufen 88% aller Befragten Heroin (49%) oder Kokain (39%) ein und gar 91% gaben für diese Drogen das meiste Geld in der vergangenen Woche aus (Heroin: 49% – Kokain: 41%). Vor allem das Diagramm zur ‚Droge mit Finanzierungspriorität‘ veranschaulicht ein weiteres Mal, daß Kokain eine höhere Bedeutung innerhalb der Teilstichprobe ‚Szenebefragung‘ hat.

Versuchen wir eine zusammenfassende Skizze über die aktuell in der offenen Drogenszene Frankfurts primär praktizierten Drogengebrauchsmuster zu zeichnen, so ist zunächst festzuhalten, daß dem Kokain mittlerweile offenbar eine nahezu gleichrangige Bedeutung zufällt, wie der Droge Heroin: Es hat den Anschein, als behaupte Heroin nur knapp seine Vormachtstellung als die Droge der offenen Drogenszene. Bedenken wir weiterhin, daß – wie gesehen – eher polyvalente Drogengebrauchsmuster das Konsumgeschehen kennzeichnen, so ist die Setzung ‚offene Drogenszene – Heroinszene‘ nicht (mehr) zutreffend. Um einen besseren Überblick über das höchst differente, individuumspezifische Drogengebrauchsverhalten zu gewinnen, seien die unterschiedlichen Drogengebrauchsmuster in Anlehnung an Vogt (1992, 18) typisierend zusammengefaßt:

· Gewohnheitskonsumenten harter Drogen

Mit 89% vereint dieser Typ das Gros (133) der Interviewpartner: Diesem Typ sind Personen subsumiert, die mehrmals in der Woche oder täglich ‚harte Drogen‘ (Heroin u./o. andere Opiate u./o. Kokain u./o. Speed u./o. Crack) konsumieren. Die Personen, die diesem Typ zugeordnet sind, gebrauchen zu 89% (118) täglich und zu 9% (12) wöchentlich intravenös Drogen. Lediglich drei Interviewpartner rauchen gegenwärtig (vornehmlich) Crack. Die intravenöse Applikationsform ist also als ein wesentliches Kennzeichen der ‚Gewohnheitskonsumenten harter Drogen‘ anzusehen.

· Gelegenheitskonsumenten harter Drogen

Diesem Typ sind 8% (12) der Befragten zuzuordnen; er umschreibt – orientiert am Bild vom sog. ‚Wochenend-Fixer‘ – Konsummuster, innerhalb derer harte Drogen maximal einmal pro Woche, mindestens jedoch einmal pro Monat konsumiert werden. Auch die diesem Typ zugeordneten Konsumenten favorisieren aktuell den intravenösen Drogengebrauch.

· Gewohnheitskonsumenten weicher Drogen

Auf diesen Typ entfallen die verbleibenden 3% (5) der Befragten. Diesem Gebrauchsmustertyp sind diejenigen Interviewpartner zugeordnet, die aktuell ausschließlich ‚weiche‘ Drogen (Alkohol u./o. Cannabis u./o. Ecstasy) gewohnheitsmäßig konsumieren – gleichwohl verfügen alle über einschlägige Konsumerfahrungen mit harten Drogen, wobei zwei Personen gegenwärtig noch sporadisch (ein- bis dreimal vierteljährlich) harte Drogen gebrauchen. Anzumerken ist, daß zwei der fünf diesem Typ subsumierten Gesprächspartner aktuell substituiert werden.

Bez. der hier skizzierten Gebrauchsmustertypologie ergeben sich keine Differenzen zwischen den Teilstichproben (auch sind keine geschlechtsspezifischen Unterschiede ausmachbar). Die praktizierten Drogengebrauchsmuster sind im absolut überwiegenden Maße durch den parallelen Konsum verschiedener Substanzen gekennzeichnet, wobei sich zwischen den Teilstichproben eine Unterschiedstendenz hinsichtlich der auf Heroin und Kokain ausgerichteten Gebrauchsmuster abzeichnete: Das aktuelle Konsumverhalten der direkt auf der offenen Szene kontaktierten Interviewpartner ist in stärkerem Maße als in der Stichprobe ‚Druckraumbefragung‘ auf Kokain ausgelegt, während Heroin eine vergleichsweise umfangreichere Nutzung unter den in den Gesundheitsräumen befragten Personen erfährt. Weiterhin ist – vor dem Hintergrund des spezifischen Erkenntnisinteresses dieser Studie – festzuhalten, daß von einer absoluten Dominanz der Konsumform ’spritzen‘ innerhalb der offenen Drogenszene Frankfurts auszugehen ist: 96% der Interviewpartner sind aktuell der Gruppe der intravenösen Drogengebraucher zuzuordnen. Damit ist die Szenepopulation der Drogengebraucher quasi ausnahmslos der Zielgruppe des harm-reduction-orientierten Gesundheitsraumangebotes zuzurechnen. Diesbezüglich ergibt sich jedoch eine auffällige Unterschiedstendenz zwischen den Teilstichproben: Die Gruppe der täglichen iv-Gebraucher (in den Teilstichproben quasi gleichermaßen stark vertreten) der Szenebefragung berichtet durchschnittlich deutlich mehr Konsumsituationen pro Tag [(Gesamt: MW: 6.14, SD: 4.9, Min-Max: 1-20) ‚Szenebefragung‘: MW: 7, SD: 5.5 – ‚Druckraumbefragung‘: MW: 4.1, SD: 2.6; t: 3.9* * * * ]. Die auffällig höhere Konsumintensität/-frequenz ist wohl auf das stärker kokainorientierte Konsumverhalten der unmittelbar auf der offenen Szene kontaktierten Drogengebraucher zurückzuführen, insofern der intensive (Bei-)Konsum von Kokain allgemein kürzere Applikations-, Gebrauchsintervalle motiviert: „Because of the short lasting effects and the subsequent high frequency administration schedules, the perceived availability of the drug is for most users much lower than of heroin (although the drug may be just as easy to purchase), provoking increased drug craving and thus higher drug use levels“ (Grund 1993, 76). So liegt die Applikationshäufigkeit der täglich intravenös Drogen gebrauchenden Konsumenten in der Subgruppe derjenigen, die angeben, Kokain auf täglicher Basis zu gebrauchen, mehr als doppelt so hoch (!), wie in der Gruppe derjenigen, die nicht täglich oder gar nicht Kokain konsumieren (MW: 8.3, SD: 5.4 – MW: 3.2, SD: 1.9; t: 7.11* * * * ). Vor diesem Hintergrund enthält der Bedeutungsgewinn von Kokain im Konsumgeschehen der offenen Drogenszene wesentliche Implikationen (alleinig bereits) für die (quantitative) Ausgestaltung des Gesundheitsraumangebots.

4.4 Zum Gesundheitszustand

4.4.1 Physischer, psychischer Allgemeinzustand

‚Nähern‘ wir uns dem physischen Allgemeinzustand der Gesprächspartner, indem wir zunächst auf deren subjektive Selbsteinschätzung ihres Gesundheitszustandes eingehen. Zwar schätzen 47% (70) der Befragten ihren aktuellen Gesundheitszustand auf einer fünfstufigen Skala (1=’sehr gut‘ – 5=’sehr schlecht‘) gut bis sehr gut ein (s.u., Tab 20); die Mehrheit von 53% (80) schätzt den physischen Allgemeinzustand jedoch weniger gut bis hin zu sehr schlecht ein. Insgesamt wird durchschnittlich die Einschätzung ‚weniger gut‘ getroffen (MW: 2.8, SD: 1.1). Diesbezüglich sind keine teilstichproben- oder geschlechtsspezifischen Unterschiede ausmachbar. Wohl aber ist festzuhalten, daß die Personengruppe der Obdachlosen insgesamt ihren Gesundheitszustand schlechter einschätzt:

Tab. 21: Selbsteinschätzung ‚Gesundheitszustand‘

c 2: 14.9* * , DF: 4

Das Verteilungsbild ist quasi identisch mit den entsprechenden Beobachtungen von Vogt im Rahmen der Szenebefragung in FaM aus dem Jahre 1991. So kann – mit Vogt (1992) gesprochen – als ‚Zwischenresümee‘ festgehalten werden: „Während es fast der Hälfte von ihnen – entgegen landläufiger Meinungen – gesundheitlich sehr gut oder gut geht, befindet sich 1/4 von ihnen in einem schlechten bzw. sehr schlechten Gesundheitszustand“ (ebd. 23).

Um ein konkreteres Bild vom Allgemeinzustand der interviewten Drogengebraucher zu erhalten, sind sie danach gefragt worden, welche Beschwerden sie innerhalb der letzten drei Monate hatten (bzw. immer noch haben) und ob sie deshalb medizinisch behandelt wurden (bzw. aktuell noch werden):

Tab. 22: Art körperlicher Beschwerden – medizinische Behandlung /letzten 3 Monate (n=134/Mehrfachnennungen)

 

(war/ist) akut

 

(war/ist) in Behandlung

 

Leberstörung/Hepatitis

52/35%

30/20%

 

Herz/Kreislauf

35/23%

14/9%

 

Lunge/Bronchien

47/31%

25/17%

 

Magen/Darm

49/33%

14/9%

 

Erkältung/Grippe

35/23%

11/7%

 

Zahnschmerzen

48/32%

20/13%

 

Abszesse

45/30%

27/18%

 

AIDS

27/18%

15/10%

 

epileptische Anfälle

7/5%

1/1%

 

Depressionen

63/42%

11/7%

 

Sonstige

13/9%

8/5%

Bis auf ‚epileptische Anfälle‘ und ‚Sonstige‘ werden alle in der Tabelle stichwortartig angedeuteten Krankheitsbilder von jedem fünften oder gar jedem dritten Interviewpartner genannt, wobei die jeweilige Behandlungsquote deutlich niedriger liegt. Auffällig ist, daß zwei von fünf Gesprächspartner – vor allem Frauen (Frauen: 57% – Männer: 37%; c 2: 4.4* * , DF: 1) – angeben, in den letzten drei Monaten unter Depressionen gelitten zu haben. Es kann davon ausgegangen werden, daß es sich diesbezüglich im wesentlichen um Erschöpfungsdepressionen handelt, die als Reaktion auf das enorme psychosoziale Streßpotential des Szenealltags (primär: Beschaffungsdruck) zu werten sind (diesbezüglich: Kemmesies 1995, 247). Insgesamt berichten die Interviewpartner durchschnittlich drei unterschiedliche Beschwerden (MW: 2.9, SD: 2.1, Min-Max: 0-8). Dieser Durchschnittswert liegt nahezu doppelt so hoch, wie in der Studie von Vogt (1992, 22), aus der ein entsprechender Wert von 1.5 hervorgeht. Selbst die durchschnittliche Zahl berichteter medizinischer Behandlungen (ein vergleichsweise ‚härterer‘ Indikator) liegt mit 1.9 (SD: 1.4, Min-Max: 0-6) noch merklich höher, als der Durchschnittswert berichteter Beschwerden der Studie von Vogt. Der Hintergrund dieses Ungleichverhältnisses ist vermutlich darin zu sehen, daß die vorliegende Studie die Situation nach der massiven Rückdrängung öffentlicher Szenekonzentrationen widerspiegelt (vgl. in diesem Kontext: Ostheimer/et al 1993, 20). Es kann davon ausgegangen werden, daß die aktuell quantitativ merklich reduzierte offene Drogenszene gegenüber der Situation vor der Rückdrängung der Szene aus dem Bereich der Taunusanlage (1992/1993) eine Art ‚Negativ-Ausschnitt‘ besonders problembehafteter Drogengebraucher darstellt, die insbesondere – mangels Alternativen – auf den sozialräumlichen Kontext der offenen Drogenszene angewiesen sind (was im besonderen für die große Gruppe der Obdachlosen gilt). Bedenken wir, daß insgesamt lediglich 16 Interviewpartner (11%) angeben, in den letzten drei Monaten beschwerdefrei gewesen zu sein, so bleibt, vorstehend skizzierte Beobachtungen zusammenfassend festzuhalten, daß sich die Drogengebraucher der offenen Drogenszene offenbar mehrheitlich in äußerst schlechtem Gesundheitszustand befinden.

4.4.2 HIV-Status

Bis auf zwei Ausnahmen haben sich bisher alle Interviewpartner einem HIV-Test unterzogen. Von den 148 (99% der Gesamtstichprobe) getesteten Personen geben 39 (26%) ein positives Testergebnis an. Auffällig ist, daß der Anteil HIV-positiver Frauen mehr als doppelt so hoch liegt, wie der entsprechende Prozentwert der interviewten männlichen Drogengebraucher (Frauen: 47% – Männer: 20%; c 2: 10.7* * * , DF: 1) – eine Beobachtung die in ähnlicher Weise von Ostheimer/et al (1993, 16) gemacht wurde, jedoch im Widerspruch zur Studie von Vogt (1992, 24) steht, in der eine gleichhohe HIV-Prävalenzrate unter Frauen und Männern berichtet wird. Während in der vorliegenden Studie jeder vierte Interviewpartner (26%) angibt, HIV-positiv zu sein, trifft das bei den Szenebefragungen durch Ostheimer/et al (1993, 16: 17%) und Vogt (1992, 24: 19%) auf ’nur‘ jeden fünften Gesprächspartner zu. Diese höhere Rate ist allerdings wohl weniger als Indikator einer Erhöhung der HIV-Prävalenzrate unter iv-Drogengebrauchern insgesamt zu werten; vielmehr ist davon auszugehen, wie in 4.5.1 ausgeführt, daß die gegenwärtige Zusammensetzung der offenen Drogenszene in FaM in erster Linie einen Extremausschnitt besonders problembehafteter Drogengebraucher repräsentiert.

4.4.3 Überdosiserfahrungen

Eine Überdosierung gehört für die absolute Mehrheit der interviewten Drogengebraucher offensichtlich zum ‚drogalen Erfahrungsschatz‘: 65% (97) der 150 befragten Konsumenten berichten, bisher mindestens einmal eine Überdosis erlebt zu haben. Im Vergleich zur Studie von Kemmesies (1995, 192) liegt der Anteil an Überdosiserfahrenen Interviewpartnern in der vorliegenden Stichprobe mit 65% gegenüber 72% etwas niedriger. Diese Differenz ist zwar nicht signifikant. Sie kann allerdings mit aller gebotener Vorsicht als Trend in Richtung einer leichten Abnahme des Überdosierungsrisikos interpretiert werden. Diese Interpretation gründet in zwei hypothetischen, in weiteren Forschungsbemühungen zu verfolgenden Annahmen:

 

· Die Ausweitung der Substitutionspraxis innerhalb der letzten Jahre in FaM kann möglicherweise zu einer Reduktion des Überdosierungsrisikos beigetragen haben, insofern einer Substitutionsbehandlung ein moderierender Effekt bez. des Überdosierungsrisikos zugesprochen werden kann (vgl. Kemmesies 1995, 194). Für diese Annahme spricht, daß der Zeitpunkt der letzten Überdosis bei den aktuell Substituierten tendenziell länger – um mehr als ein Jahr – zurückreicht, als bei den Nicht-Substituierten [MW: 28.5 (Monate), SD: 28 – MW: 16, SD: 23.7; t: 1.84* ].

· Ggf. liegt über einen längeren Zeitraum ein konstanter (allerdings niedriger) Reinheitsgehalt des gehandelten Straßenheroins vor, ohne größere, das Überdosierungsrisiko potenzierende Qualitätsschwankungen.

 

Möglicherweise sind mit den vorstehenden Annahmen auch Faktoren angesprochen, die die in den letzten Jahren zu verzeichnende Abnahme der Drogentodesrate und der Notfalleinsätze der Rettungsdienste anläßlich von Drogennotfällen betreffen (vgl. überblickartig: Drogenreferat – Frankfurt/aM 1995, 17ff).

Gehen wir näher auf die Überdosiserfahrungen der Interviewpartner ein, indem wir zunächst die Anzahl der Überdosierungen betrachten:

Tab. 23: Anzahl ‚Überdosierungen‘

Diese für die Gesamtstichprobe stehende Übersicht vermittelt ein Verteilungsbild, das sich in den Teilstichproben ohne signifikante Abweichungen in etwa gleich darstellt. Im Durchschnitt liegt die letzte Überdosierung 21 Monate zurück (SD: 26, Min-Max: 0-120); nahezu jeder vierte Interviewpartner (22/23%) der Überdosiserfahrenen erlebte eine Überdosis im Zeitraum der letzten vier Wochen. Bezüglich des Ortes der letzten Überdosierung ergibt sich folgende Aufschlüsselung:

Tab. 24: Ort ‚letzte Überdosierung‘ (n=97)

 

Wohnung (Zuhause/bei Bekannten)

32/33%

 

Öffentlichkeit (Straße, Parkt etc.)

48/50%

 

öffentliche Gebäude

6/9%

 

Drogenhilfeeinrichtung

8/8%

Jeder zweite Überdosiserfahrene erlebte die letzte Überdosierung in der Öffentlichkeit, jeder dritte in einer abgeschlossenen Wohnung – ein Indiz dafür, daß der Konsum der Interviewpartner primär in der Öffentlichkeit stattfindet (nicht zuletzt Ausdruck des hohen Obdachlosenanteils) und/oder aber der öffentliche Drogenkonsum (aufgrund der Hektik auf der Straße) durch ein erhöhtes Überdosierungsrisiko gekennzeichnet ist.

Hervorzuheben ist weiterhin, daß 28 der Befragten (29%) zum Zeitpunkt der zur letzten Überdosierung führenden Konsumsituation alleine waren und elf Interviewpartner (11%) berichten, bei der letzten Überdosis keinerlei Hilfe erhalten zu haben. Diese Zahlen sind deshalb bemerkenswert, insofern eine Überdosierung im Falle ausbleibender oder zu spät einsetzender Hilfestellung (bzw. medizinischer Versorgung) im besonderen Gefahr laufen kann, einen letalen Ausgang zu nehmen. Vor diesem Hintergrund erscheint das Gesundheitsraumangebot – vor allem im Blick auf die Gruppe der Obdachlosen, deren Konsum zwangsläufig in z.T. ‚unentdeckten‘ Nischen des öffentlichen Raumes geschieht – bedeutsam, insofern eine unmittelbare Versorgung überdosierter Personen gewährleistet ist. Neben den elf Personen, die keinerlei Hilfestellung erhielten, wurden 35 (36%) der Befragten von einem Notarzt versorgt und bei weiteren sechs (6%) war eine intensiv-medizinische Behandlung in einem Krankenhaus erforderlich. Weitere 32 (33%) Konsumenten erhielten bei der letzten Überdosis Hilfestellung durch Bekannte (die zu 80% ebenfalls über einschlägige Drogengebrauchserfahrungen verfügten). In acht Fällen (8%) unterstützten Mitarbeiter der Drogenhilfe die betroffenen Personen; fünf (5%) Interviewpartner geben an, sich an die letzte Überdosissituation nicht mehr erinnern zu können. Bedenken wir, daß insgesamt bei nur zwei von fünf (42%) der berichteten letzten Überdosissituationen ein Notarzt herbeigerufen wurde, so ist dies als deutliches Anzeichen zu werten, daß das Drogennotfallgeschehen im Sozialraum der offenen Drogenszene weitaus komplexer, umfangreicher ist, als es sich in den geführten Rettungsdienststatistiken abzeichnet. Auf die Frage, welchen Umstand sie als ausschlaggebend für die letzte Überdosissituation ansehen, gab ein Großteil der Befragten (44/44%) eine ‚unbekannte Drogenqualität‘ an: Die Substanz wurde in ihrer Wirkpotenz falsch eingeschätzt bzw. unterschätzt. Einen kombinierten Drogengebrauch benennen 30 Personen (31%). Das spezifische Überdosierungsrisiko besteht aufgrund letztlich kaum einschätzbarer synergistischer Effekte der parallel konsumierten Einzelsubstanzen. Weitere 14 Interviewpartner (14%) betonen, sich in Unkenntnis des aktuellen Toleranzniveaus nach einer längeren Clean-Phase aus Versehen zu hoch dosiert zu haben; neun (9%) Personen gaben an, die Überdosierung bewußt in suizidaler Absicht herbeigeführt zu haben. Aus dieser Gruppe gaben sechs Personen den Umstand, HIV-positiv zu sein (und die damit einhergehende Perspektivlosigkeit) als Motiv an.

4.5 Zur Alltagspraxis

4.5.1 Bestreitung des Lebensunterhaltes/Drogenbedarfs

Die anstehende Analyse ist im besonderen unter folgenden Vorbehalten zu sehen. Das präsentierte Datenmaterial gibt in weitem Umfang Näherungswerte wieder, was – neben der Schwierigkeit einer genauen Erinnerbarkeit – vor allem darauf zurückzuführen ist, daß die Einnahmen wie Ausgaben im spezifischen Untersuchungsfeld dieser Studie enormen, auch kurzfristigen Schwankungen unterstehen. Zudem ist zu bedenken, daß ein erheblicher Teil der Einnahmen in Form von Naturalien (primär: Drogen) vorliegt (Entlohnung von Dienstleistungen im Bereich des Drogenhandels oder der Prostitution). Dieser Aspekt ist bei den entsprechenden Fragestellungen berücksichtigt worden.

Bezogen auf den Zeitraum der vergangenen Woche geben die Interviewpartner ein Durchschnittseinkommen von DM 1.000 an. Es ergibt sich folgende Einkommensverteilung:

Tab. 25: Einkommen/letzte Woche (in DM)

 

kein Einkommen

3/2%

 

bis 250

25/17%

 

251 – 500

23/15%

 

501 – 1000

48/32%

 

1001 – 2000

38/25%

 

> 2000

13/9%

MW:

SD:

Min-Max:

1077

1135

0 – 10.000

Wie das Verteilungsbild sowie die hohe Standardabweichung illustriert, bestehen enorme Einkommensunterschiede. Gehen wir von einem Sozialhilfesatz von DM 1.000 pro Monat aus, so liegt der Bargeldzufluß bei jedem fünften Interviewpartner (19%) unterhalb des Sozialhilfesatzes. Demgegenüber verfügte jede vierte Person (25%) über ein- bis zweitausend DM im Verlaufe der letzten sieben Tage. Nahezu ein Zehntel (9%) der Befragten kann zu den ‚Spitzenverdienern‘ gezählt werden. Zu dieser Gruppe zählen in erster Linie Personen, die entweder lukrativen Drogengeschäften nachgehen, oder der Prostitution – mit einem letztwöchigen Einkommen von DM 10.000 führt eine Frau das Einkommensfeld mit Abstand an; sie berichtet, daß sie derzeit äußerst einkommensträchtig als Domina arbeitet und über einen gut betuchten Kundenstamm verfügt. Nehmen wir die Gruppe der ‚Spitzenverdiener‘ aus der Berechnung heraus, so ergibt sich ein um ca. 25% reduziertes Durchschnittseinkommen von DM 818 (SD: 551). Das sich hier abzeichnende Einkommensniveau bewegt sich im Rahmen entsprechender Angaben aus Studien mit vergleichbaren empirischen Bezugsfeldern (Korf/Hoogenhout 1990, 86f; Grapendaal/et al 1991, 108). Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß ein Großteil der Befragten (54%) angibt, Drogen im Tausch für bestimmte Dienstleistungen (primär: Vermittlungstätigkeiten auf dem Drogenmarkt u. Prostitution) zu erhalten. Auf die Frage, welchem Gegenwert die so erlangten Drogen entsprächen, ergab sich so ein zusätzliches Durchschnittseinkommen von DM 604 (SD: 995) – wobei noch einmal ausdrücklich darauf verwiesen sei, daß es sich hierbei um eine Schätzgröße handelt.

Um einen Eindruck vom Verhältnis des ‚Bargeldeinkommens‘ zum ‚Naturalieneinkommen‘ zu erhalten, haben wir das jeweilige, von den 150 Interviewpartnern berichtete Gesamteinkommen (Bargeld-Einkommen: DM 160.344 – Naturalieneinkommen: DM 90.690) zueinander in Beziehung gesetzt: Hieraus ergibt sich, daß etwa 36% des Gesamteinkommens in Form von Naturalien vorlag. Die hohe Bedeutung des Naturalieneinkommens im Rahmen der Drogenbeschaffungsmuster vermittelt sich vor allem in der Gegenüberstellung des Drogenerwerbs gegen Bargeld gegenüber demjenigen in Form von Naturalien. Durchschnittlich gaben die Befragten im Zeitraum der letzten Woche DM 781 (SD: 1013) für Drogen aus. Demgegenüber erhielten sie im Tausch gegen Dienstleistungen durchschnittlich Drogen im geschätzten Wert von DM 604. D.h., daß der Drogenbedarf zu 44% bargeldlos gedeckt wurde – ein Wert, der sich mit den Beobachtungen von Kreuzer/et al (1991) im Rahmen einer Studie zur Beschaffungskriminalität von Drogenabhängigen nahezu deckt. Die Autoren gehen von einem entsprechenden Anteil von ca. 40% aus (ebd. 187).

Gehen wir näher auf die durchschnittliche Summe der Bargeldausgaben für Drogen ein, so entlarvt sich die weitverbreitete Annahme, abhängige Drogengebraucher geben DM 300 bis DM 400, ja gar bis zu DM 1.000 pro Tag zur Deckung des Drogenbedarfs aus, als Mythos. Bei derartigen Beträgen handelt es sich offensichtlich um vereinzelte Ausnahmen, die sich einer kurzfristig günstigen Einkommenssituation verdanken. In der hier vorliegenden Stichprobe ergibt sich ein Durchschnittsbetrag für Drogenausgaben von DM 111 (SD: 144), der der Einschätzung von Kreuzer/et al (1991, 201) entspricht, „daß die Annahme eines Betrages von 100-150 DM pro Tag für den Drogenkonsum, bezogen auf die gesamte Drogenkarriere, realistisch erscheint“. Selbst wenn wir den Durchschnittsbetrag ‚Naturalieneinkommen‘ mit einbeziehen, ergibt sich ein Drogenbedarf bzw. -verbrauch (pro Tag) im Gegenwert von DM 198; ein Betrag, der weit unterhalb landläufiger, vor allem massenmedial verbreiteter Schätzungen angesiedelt ist.

Daß jedoch dem Drogengebrauch im Alltagsgeschehen der Drogenszene offenbar absolute Finanzierungspriorität zufällt, wird daran ersichtlich, daß lediglich 28 Interviewpartner (19%) in der vergangenen Woche mehr Geld zur Deckung des Lebensunterhaltes (Nahrungsmittel, Miete etc.) ausgaben als zum Erwerb von Drogen. Zehn Personen geben ein gleich hohes Ausgabenaufkommen an. Die absolute Mehrheit (75%) der interviewten Drogengebraucher gibt mehr Geld für Drogen als zur Bestreitung des Lebensunterhalts aus. Gegenüber DM 780 durchschnittlicher Drogenausgaben betragen die Lebensunterhaltsausgaben für den Zeitraum der letzten Woche im Durchschnitt DM 226 (SD: 233, Min-Max: 0 – 1.000). D.h., daß die Drogenausgaben den Lebensunterhalt um etwa das Dreifache übersteigen.

Betrachten wir das Verhältnis der (Bargeld-)Einnahmen und Ausgaben, so ergibt sich durchschnittlich eine positive Bilanz [MW: 69 (DM), SD: 589, Min: -1.500/Max: 3.290). Dies sollte jedoch nicht – wie die große Streuung signalisiert – darüber hinwegtäuschen, daß zwei von fünf Befragte (38%) eine Negativ-Bilanz aufweisen.

Die bisher präsentierten Zahlen weisen keine auffälligen Abweichungen in den Teilstichproben auf. Teilstichprobenspezifische Unterschiede ergaben sich jedoch im Verlaufe der näheren Analyse zur Struktur der praktizierten Beschaffungsmuster (Art der Finanzierungsquellen, ‚Legalstatus‘ der Finanzierungs-, Beschaffungsmuster). Zunächst ist festzuhalten, daß das Bargeld-Einkommen der letzten Woche in überwiegenden Maße – zu 59% – aus legalen Finanzierungsquellen stammt: Die Einnahmen aus legalen Finanzierungsquellen betragen durchschnittlich DM 633 (SD: 971, Min-Max: 0 – 10.000) und liegen höher (t: 1.74* ) als die Einnahmen aus illegalen Quellen (MW: 444, SD: 762, Min-Max: 0-3300). Diesbezüglich ergibt sich jedoch ein auffälliger Unterschied zwischen den Teilstichproben: Die legalen Einkünfte lagen unter den Befragten in den Gesundheitsräumen deutlich höher als unter den direkt auf der offenen Szene Befragten (‚Druckraumbefragung‘: MW: 916, SD: 916 – ‚Szenebefragung‘: MW: 491, SD: 587; t: 2.58 * * ), während sich das Bild bez. der illegalen Einkünfte gegenteilig darstellt (‚Druckraumbefragung‘: MW: 225, SD: 439 – ‚Szenebefragung‘: 553, SD: 861; t: 3.09* * * ). Hiermit ist ein erster, deutlicher Hinweis auf strukturell unterschiedliche Beschaffungsmuster gegeben: Es drängt sich die Vermutung auf, daß der im Rahmen der Szenebefragung kontaktierte Personenkreis in stärkerem Maße auf illegale Beschaffungsmuster zurückgreift.

Tab. 26: Einkommensquellen/letzte Woche (Mehrfachnennungen)

‚Szenebefragung‘

(n=100)

‚Druckraumbefragung‘

(n=50)

GESAMT

(n=150)

 

staatliche

 

ja

62/62%

30/60%

92/61%

 

Unterstützungsleistungen

 

nein

38/38%

20/40%

58/39%

c 2

—-

 

ja

58/58%

20/40%

78/52%

 

Drogengeschäfte

 

nein

42/42%

30/60%

72/48%

c 2

4.33 * *

 

ja

38/38%

18/36%

56/37%

 

Eltern/PartnerIn

 

nein

62/62%

32/64%

94/63%

c 2

—-

 

ja

19/19%

21/42%

40/27%

 

Arbeit/’Jobben‘

 

nein

81/81%

29/58%

110/73%

c 2

9.02* * *

 

ja

21/21%

7/14%

28/19%

 

diverse illegale Aktivitäten

 

nein

79/79%

43/86%

122/81%

c 2

—-

 

ja

18/18%

4/8%

22/15%

 

Diverse legale Aktivitäten

 

nein

82/82%

46/92%

128/85%

c 2

—-

 

ja

9/9%

8/16%

17/11%

 

Prostitution

 

nein

91/91%

42/84%

133/89%

c 2

—-

Die vorstehende Tabelle gibt eine Aufschlüsselung aller genannten Finanzierungsquellen wieder. Es scheint typisch für die aktuelle Lebenssituation der interviewten Drogengebraucher zu sein, gegenwärtig mehrere Finanzierungswege parallel zu beschreiten. Durchschnittlich werden zwei Finanzierungsquellen angegeben (MW: 2.4, SD: 1.1, Min-Max: 1 – 8). Lediglich 27 Befragte (18%) decken ihren Finanzbedarf über nur eine Einkommensquelle; zwei von fünf Interviewpartner (39%) geben drei und mehr Finanzierungsquellen an. Am häufigsten werden staatliche Unterstützungsleistungen (primär: Sozialhilfe) genannt. Diese Unterstützungsleistungen stellen für den überwiegenden Teil der Befragten (61%) eine Art ‚Basisfinanzierung‘ dar. Jeder zweite Interviewpartner (52%) geht Drogengeschäften nach, zu denen (in absteigender Bedeutungsreihenfolge) im wesentlichen Vermittlungs-, Deal- und Service-Tätigkeiten zählen. Auffällig ist auch der relativ hohe Prozentsatz an Personen, die in der zurückliegenden Woche finanzielle Unterstützung seitens des sozialen Nahfeldes (Eltern u./o. PartnerIn) erhalten haben. Arbeits- oder ‚Job‘-Einkünfte berichten 40 (27%) Interviewpartner, wobei dieser Anteil unter den in den Gesundheitsräumen Befragten deutlich höher liegt. Anzumerken ist, daß von diesen 40 Personen lediglich elf einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen, von denen sich wiederum fünf aktuell in einem Ausbildungsverhältnis befinden.

Der Prostitution gingen in der vergangenen Woche 17 Befragte (11%) nach, wobei dies vor allem für die Frauen eine relevante und zumeist lukrative Einkommensquelle darstellt (Frauen: 35% – Männer: 4%). Unter ‚diverse illegale Aktivitäten‘ sind hier Straftaten (primär: Diebstahl, Hehlerei, Einbruch) zu verstehen, die nicht dem Geltungsbereich des BtMGs unterstehen. Jeder fünfte Interviewpartner hat sich in der letzten Woche (zumindest partiell) über die diversen, dieser Kategorie subsumierten Straftaten finanziert. ‚Diverse legale Aktivitäten‘ meint vor allem Betteln (‚Schnorren‘), woraus etwa jeder siebte Gesprächspartner (15%) Einkünfte bezog.

Einen prägnanteren Eindruck von den aktuellen Beschaffungsmustern erhalten wir, wenn wir nach der Haupteinnahmequelle der zurückliegenden Woche fragten:

Tab. 27: Haupteinnahmequelle/letzte Woche

c 2: 18.9 * * * , DF: 6

Die mit Abstand meistgenannte Haupteinnahmequelle der letzten Woche stellten Drogengeschäfte dar: Sie werden von jedem dritten (35%) Interviewpartner angegeben. Danach folgen staatliche Unterstützungsleistungen (19%) und Einkünfte aus einem Arbeits- oder ‚Job‘-Verhältnis (17%). Diverse illegale Aktivitäten stellten für jeden zehnten (10%) Gesprächspartner die bedeutungsvollste Finanzierungsquelle dar.

Das sich zwischen den Teilstichproben signifikant unterscheidende Verteilungsbild ist vor allem auf die Unterschiede bez. der Kategorien ‚Drogengeschäfte‘ (Übergewicht ‚Szenebefragung‘) und ‚Arbeit/Jobben‘ (Übergewicht ‚Druckraumbefragung‘) zurückzuführen. Reduzieren wir den Differenzierungsgrad der bisherigen Darstellung auf die Information ‚Beschaffungsmuster: legal oder illegal?‘ ergibt sich eine Verteilung, die anschaulich illustriert, daß sich die Teilstichproben – wie sich bereits andeutet – im Blick auf den Legalstatus ihrer Beschaffungsmuster unterscheiden:

Tab. 28: Legalstatus ‚Beschaffungsmuster’/letzte Woche

c 2: 9.3 * * * , DF: 2

Die Graphik vermittelt, daß illegale Finanzierungsquellen eher typisch für die unmittelbar auf der Szene befragten Drogengebraucher zu sein scheinen, während ein leichtes Bedeutungsübergewicht legaler Einkommensquellen unter den in den Gesundheitsräumen kontaktierten Personen zu konstatieren ist. Für diese offenkundige Unterschiedlichkeit der Teilstichproben bieten sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Analyse keine Erklärungen an. Möglicherweise ist dies Ausdruck eines höheren – wie zunächst auch immer zu erklärenden – Grades an sozialer Marginalisierung innerhalb der Stichprobe der Szenebefragung.

4.5.2 Zum Drogenerwerb

Die absolute Mehrzahl (93%) der Befragten bezieht die konsumierten Substanzen hauptsächlich auf der ‚offenen Drogenszene‘ – nur 7% der Befragten gibt an, (illegale) Drogen in erster Linie über ‚Hausadressen‘ zu beziehen. Der Drogenerwerb geschieht bei drei von fünf Interviewpartnern (60%) vorrangig im vertrauten Rahmen eines ‚Stammkundenverhältnisses‘, insofern ein Stammdealer bester Garant für eine vergleichsweise ‚hohe‘ und konstante Drogenqualität ist (, was nicht zuletzt auch Schutz gegenüber qualitätsschwankungsbedingte‘ Überdosierungen bietet). Zwei von fünf Befragten (40%) vertrauen sich wechselnden Dealern an, wobei es sich hierbei zumeist auch um bekannte Dealer handelt (und sei es, daß man sich zumindest bei Dritten über die jeweilige ‚Kaufquelle‘ informiert). In vielen Fällen kann man davon ausgehen, daß die Konsumenten über mehrere ‚Stammdealer‘ verfügen. So ist auch das Risiko minimiert, sich plötzlich auf eine neue Bezugsquelle (und eine damit häufig einhergehende Drogenqualität) einstellen zu müssen, falls der ‚eine‘ Stammdealer einmal (krankheitsbedingt, wegen einer Inhaftierung etc.) ausfallen sollte.

Einen Einblick in das Geschehen des Drogenschwarzmarktes erlauben uns die Angaben zur Qualität(-sveränderung) und zum (zur) Preis(-entwicklung) von Heroin und Kokain. Bez. Heroin fragten wir nach der Qualitätseinschätzung des aktuell gekauften und konsumierten Heroins. Die Gesprächspartner wurden gebeten, auf einer fünfstufigen Skala mit den Eckpunkten ’sehr gut – sehr schlecht‘ die Heroinqualität einzustufen. 51% bewerten die Qualität schlecht (29%) bis sehr schlecht (22%); 29% der Befragten stufen die Heroinqualität gut (25%) bis sehr gut ein (4%) und jeder fünfte (20%) gab an, daß aktuell gehandelte Heroin sei von weniger guter Qualität. Insgesamt besteht die Tendenz, eher eine weniger gute Qualität anzunehmen (MW: 3.4, SD: 1.3), wobei der Reinheitsgehalt des Heroins durchschnittlich auf 11% geschätzt wird. Dieser Schätzwert liegt höher, als der für Straßenhandel seitens der Polizeibehörden offiziell angenommene durchschnittliche Reinheitsgehalt des ‚Straßenheroins‘ von 3% bis 8% (Polizeipräsidium FaM 1993, 190). Dieser offizielle Schätzwert beruht jedoch auf einer Auswertung eines aus dem Jahre 1992 stammenden Gutachtens seitens des Hessischen Kriminalamtes. Möglicherweise hat ja tatsächlich eine leichte Qualitätsverbesserung zwischenzeitlich gegriffen. Hierfür sprechen drei Indizien. Erstens: Zwar gibt die Mehrzahl (65%) an, das gehandelte Heroin habe sich im Verlaufe des letzten Jahres verschlechtert. Aber dieser Anteil ist deutlich niedriger als in der Szenebefragung durch Ostheimer/et al (1993, 10), in der 85% der Befragten eine Qualitätsverschlechterung annahmen. Zweitens: Wenn auch nicht signifikant, so liegt der von den Befragten durchschnittlich angenommene Reinheitsgehalt mit 11% höher als innerhalb der Stichprobe der Studie von Kemmesies (1995, 157), in der die 1993 befragten Drogenkonsumenten durchschnittlich einen Heroinhydrochloridanteil von 9% annahmen. Drittens: Während die Interviewpartner der Studie von Kemmesies (ebd. 157) die Heroinqualität eher als ’schlecht‘ einschätzen, liegt in der vorliegenden Studie eine tendenziell positivere Bewertungstendenz (‚weniger gut‘) vor (t: 1.69* ). Diese Indizien sprechen dafür, daß die Heroinqualität – zwar immer noch auf äußerst niedrigem Niveau – sich stabilisiert hat, wenn nicht gar graduell verbessert hat.

Auch deutet sich an, daß das auf dem Drogenschwarzmarkt gehandelte Heroin billiger geworden ist: Die überwiegende Mehrheit (70%) der Befragten gibt an, daß Heroin günstiger als vor einem Jahr zu erwerben sei; 21% geben ein gleiches und nur 9% ein höheres Preisniveau an. Es besteht eine eindeutige Tendenz, einen Preisrückgang zu berichten (c 2: 87.44* * * * , DF: 2). Dies äußert sich ebenso eindrucksvoll darin, daß die Interviewpartner im Durchschnitt einen deutlich niedrigeren Kaufpreis für einen ‚Halben-Beutel‘ berichten als noch vor zwei Jahren (vgl. Kemmesies 1995, 158/ MW: 73.7, SD: 19.0 – MW: 99.3, SD: 21.6; t: 7.39* * * * ).

Die Frage nach dem ‚Warum‘ der sich andeutenden leichten Qualitätssteigerung sowie Preisreduktion von Heroin ist – so hat es den Anschein – wohl nur im Zusammenhang mit der Marktentwicklung von Kokain zu klären. Da – wie gesehen (4.3.1) – Kokain im Bereich der offenen Drogenszene fest etabliert ist, scheint eine Konkurrenzsituation zwischen dem Heroin- und Kokainmarkt entstanden zu sein, in der es um den Ausbau bzw. die Festigung besetzter Marktanteile geht. Um dies zu erreichen, greifen Marktstrategien, die sich in einem Preisnachlaß und/oder Qualitätszuwachs für den Verbraucher in positiver Weise ausdrücken. In dieses Bild von einem konkurrierenden Heroin- und Kokainmarkt paßt, daß ebenfalls ein überproportional großer Anteil der Befragten (54%) auch einen Kokainpreisrückgang im Verlaufe des letzten Jahres berichtet; 35% geben ein gleiches und 11% ein höheres Preisniveau an. Wie im Zusammenhang mit Heroin, ist eine eindeutige Bewertungstendenz festzustellen (c 2: 38.25* * * * , DF: 2), die auf einen Preisrückgang von Kokain schließen läßt. Es bleibt zu beobachten, wie sich das Marktgeschehen entwickelt – vor allem wenn sich die Tendenz einer Bedeutungszunahme von Crack verstärkt fortsetzen sollte.

4.5.3 Zur Bedeutung der Szene

Daß die offene Drogenszene in der aktuellen Alltagspraxis der Interviewpartner offenbar einen hohen Stellenwert einnimmt, illustrieren bereits die Angaben zur Aufenthaltshäufigkeit und -dauer: Die Befragten halten sich in der Woche im Durchschnitt fünfmal (MW: 5.1, SD: 2.6, Min-Max: 0 – 7) für durchschnittlich achteinhalb Stunden (also etwa eine ‚Werktaglänge‘) auf der offenen Szene auf (MW: 8.4, SD: 7.7, Min-Max: 0 – 24). Zehn Gesprächspartner (7%) geben an, aktuell nicht die offene Drogenszene aufzusuchen. Weitere 25 Personen (17%) besuchen die Szene maximal ein- bis zweimal pro Woche. Die Mehrzahl der Befragten (60%) ist quasi täglich auf der Szene anzutreffen. Von denen, die zur Zeit – zumindest einmal pro Woche – die offene Szene aufsuchen, hält sich jeder fünfte (20%) für nur etwa ein bis zwei Stunden (pro Besuch) dort auf. 33% der Befragten geben eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer von drei bis sechs Stunden an und 30% berichten, sich mehr oder weniger ganztägig (mindestens zwölf Stunden) auf der Szene aufzuhalten. Betrachten wir die Angaben zur Aufenthaltshäufigkeit und -dauer zusammenfassend, so kristallisiert sich eine Teilgruppierung heraus, für die das sozialräumliche Gefüge der offenen Drogenszene aktuell offenbar als dominanter Lebensraum zu bezeichnen ist: 42 der insgesamt 150 befragten Drogengebraucher (28%) hält sich täglich für mindestens zwölf Stunden im Kontext der Drogenszene auf. Diese Gruppe rekrutiert sich überwiegend (zu 83%) aus dem Kreis der aktuell obdachlosen Gesprächspartner, die in den Teilstichproben gleichermaßen stark vertreten sind.

Überraschend ist jedoch, daß die Gruppe der täglichen Szenegänger deutlich unterschiedlich in den Teilstichproben repräsentiert ist (‚Szenebefragung‘: 35% – ‚Druckraumbefragung‘: 7%; c 2: 7.3* * * , DF: 1). Demgegenüber findet sich in der Teilstichprobe ‚Druckraumbefragung‘ eine auffallend größere Gruppe an Personen, die die Szene gar nicht bzw. maximal zweimal pro Woche für maximal zwei Stunden (’sporadische Szenegänger‘) aufsuchen (‚Szenebefragung‘: 6% – ‚Druckraumbefragung‘: 30%; c 2: 15.95* * * * ). Offensichtlich zeichnen sich die Teilstichproben durch ein deutlich unterschiedliches Nähe-Distanz-Verhältnis zum Sozialraum der offenen Drogenszene aus, was auch anhand der signifikant abweichenden Durchschnittswerte ‚Szenekontakte pro Woche‘ (‚Szenebefragung‘: MW: 5.7. SD: 2.2 – ‚Druckraumbefragung‘: MW: 4.9, SD: 5.8; t: 4.62* * * * ) offenkundig wird. Festzuhalten ist auch die bereits von Kemmesies (1995) gemachte allgemeine Beobachtung, daß offenbar ein Zusammenhang zwischen der Kontaktanzahl (Woche) und der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer (je Kontakt) besteht (r: .54* * * * ): „Personen, die sich häufiger auf der Szene aufhalten, tun dies auch durchschnittlich über einen längeren Zeitraum. Offenbar halten seltenere ‚Szenegänger‘ nur kurze ‚Stippvisiten‘, um sich mit Drogen einzudecken“ (ebd. 226).

Um die Bedeutung der offenen Drogenszene für den interviewten Konsumentenkreis auch ‚qualitativ‘ fassen zu können, sind die Gesprächspartner gebeten worden, die Motive für die Szenekontakte anzugeben. Zunächst einmal ist anzumerken, daß Szeneaufenthalte zumeist mehrfach motiviert sind. Im Durchschnitt geben die Befragten zwei Aufenthaltsmotive an (MW: 2.2, SD: 1, Min-Max: 0 – 5). Von den aktuellen ‚Szenegängern‘ geben vier von fünf (82%) Personen zwei und mehr Motive an. Deutliche Abweichungen ergeben sich wiederum zwischen den Teilstichproben, insofern die im Rahmen der ‚Szenebefragung‘ interviewten Drogengebraucher im Durchschnitt mehr Aufenthaltsmotive benennen (‚Szenebefragung‘: MW: 2.4, SD: .9 – ‚Druckraumbefragung‘: MW: 1.6, SD: 1; t: 4.63* * * * ). Einen tieferen Einblick in die Aufenthaltsmotivation bietet die folgende Übersicht:

Tab. 29: Motive ‚Szenekontakte‘ (Mehrfachnennungen)

‚Szenebefragung‘

(n=100)

‚Druckraumbefragung‘

(n=50)

GESAMT

(n=150)

 

ja

74/74%

35/70%

109/73%

 

Drogenkauf

 

nein

26/26%

15/30%

41/27%

c 2

—-

 

ja

63/63%

23/46%

86/57%

 

Sozialkontakte/Treffpunkt

 

nein

37/37%

27/54%

64/43%

c 2

3.94 * *

 

ja

28/28%

5/10%

33/22%

 

Drogenhandel

 

nein

72/72%

45/90%

128/78%

c 2

6.29* * *

 

ja

19/19%

3/6%%

22/15%

 

‚Service-Machen‘

 

nein

81/81%

47/94%

128/85%

c 2

4.5* *

 

ja

35/35%

15/30%

50/33%

 

‚Geschäfte‘(Prostitution/Hehlerei etc.)

 

nein

65/65%

35/70%

100/67%

c 2

—-

 

ja

24/24%

1/2%

25/17%

 

Langeweile/Konsumieren

 

nein

76/76%

49/98%

125/83%

c 2

11.62* * * *

Mit Abstand am häufigsten ist das Kontaktmotiv ‚Drogenkauf‘ genannt: Drei von vier Gesprächspartnern suchen die offene Drogenszene auf, um Drogen zu erwerben. Die offene Drogenszene stellt sich so in erster Linie als Handelsraum dar. Eine höhere Bedeutung der offenen Drogenszene als sozialer Bezugsraum, kann für die im Rahmen der ‚Szenebefragung‘ interviewten Drogengebraucher angenommen werden. Für deutlich mehr Befragte dieser Teilstichprobe hat die Szene offenbar eine besondere Bedeutung als sozialer Kontaktraum, innerhalb dessen Beziehungen angesiedelt sind. Ebenso scheint die offene Drogenszene innerhalb der Teilstichprobe ‚Szenebefragung‘ eine ungleich höhere ökonomische Bedeutung – in Gestalt einer Art ‚informellen Arbeitsmarktes‘ – im Blick auf die Geld- und/oder Drogenbeschaffung zu haben, wie dies anhand der Ungleichverteilung bez. des Motivs ‚Drogenhandel‘, ‚Service-Machen‘ und – allerdings nur graduell – ‚Geschäfte (abwickeln)‘ ersichtlich wird. Besonders augenfällig ist weiterhin, daß die direkt auf der Szene Interviewten deutlich häufiger das Motiv ‚Langeweile/Konsumieren‘ nennen – ein deutliches Indiz, daß die Gesprächspartner dieser Teilstichprobe offenbar über mangelnde Aufenthalts- und/oder Beschäftigungsalternativen verfügen (- wie sich dies ansatzweise in 4.5.1 abzeichnete).

In der Gesamtschau der aufgezeigten Unterschiedstendenzen scheint die These von einem differenten ‚Nähe-Distanz-Verhältnis‘ zum sozialräumlichen Kontext der offenen Drogenszene an Konturschärfe zu gewinnen: Offensichtlich nimmt die offene Drogenszene für die innerhalb der ‚Szenebefragung‘ interviewten Drogengebraucher einen größeren Bereich der Lebenswelt ein – ja sie erscheint für eine große Gruppe gar als ausschließlicher lebensweltlicher Bezugsraum. Eine hinreichende Erklärung für die offenkundig unterschiedliche ‚Szenebindung‘ in den Teilstichproben ist nicht ausmachbar – offensichtlich sind erklärende Hintergrundvariablen außerhalb der Interview- bzw. Frageinhalte dieser Studie angesiedelt.

4.5.4 Aktuelle Kontaktintensität ‚Drogenhilfe‘

Im Durchschnitt berichten die Interviewpartner fünf Kontakte mit den diversen Einrichtungen der Drogenhilfe Frankfurts pro Woche (MW: 5.2, SD: 2.6, Min-Max: 0 – 7). Der überwiegende Teil der Befragten (64%) gibt an, täglich zumindest ein Drogenhilfeangebot in Anspruch zu nehmen. Lediglich zwölf Personen stehen aktuell in keinerlei Kontakt mit der Drogenhilfe – sie gehören (angesichts des Stichprobenbildungsverfahrens nicht überraschend) ausnahmslos der Teilstichprobe ‚Szenebefragung‘ an. Beziehen wir uns lediglich auf die direkt im Feld der offenen Drogenszene befragten Personen, so stehen 88% (!) der Interviewpartner aktuell in einem – wie zunächst auch immer motivierten – Kontakt zur Drogenhilfe.

Wie auch die Szenekontakte (4.5.3), so sind auch die Drogenhilfekontakte zumeist mehrfach motiviert: Durchschnittlich werden drei unterschiedliche Motive genannt (MW: 3.3, SD: 1.8, Min-Max: 1 – 7) – ein eindeutiger Hinweis, daß die Drogenhilfe offensichtlich unterschiedliche Alltagsbedürfnisse der offenen Drogenszene abdeckt, wie es sich bereits anhand des breiten ‚Zuspruchradius‘ der Drogenhilfeangebote abzeichnete. In diesem Zusammenhang deutet sich jedoch wiederum ein teilstichprobenspezifischer Unterschied an: Nicht nur, daß immerhin jeder zehnte (12%) Interviewpartner der ‚Szenebefragung‘ aktuell keinerlei Kontakt zur Drogenhilfe unterhält, nein, auch finden wir eine augenfällig niedrigere Durchschnittszahl genannter Kontaktmotive (‚Szenebefragung‘: MW: 3, SD: 1.8 – ‚Druckraumbefragung‘: MW: 3.7, SD: 1.6; t: 2.14* * ), was insgesamt darauf hindeutet, daß die direkt auf der offenen Drogenszene interviewten Drogengebraucher eine tendenziell größere Distanz zur Drogenhilfe aufweisen. Widmen wir uns den diversen Motiven im einzelnen, indem wir sie zunächst überblickartig präsentieren:

Tab. 30: Motive ‚Drogenhilfekontakte‘ (Mehrfachnennungen/n=138)

 

‚Spritzentausch‘

103/75%

 

‚Drogenkonsum‘

89/64%

 

‚Aufenthalt/Treffpunkt‘

77/56%

 

‚Essen‘

57/41%

 

‚Beratung‘

47/34%

 

‚medizinische Behandlung‘

45/33%

 

‚Unterkunft‘

40/29%

Die mit Abstand meistgenannten Kontaktmotive – ‚Spritzentausch‘, ‚Drogenkonsum‘ und ‚Aufenthalt/Treffpunkt‘ – sprechen allesamt akzeptanz- und harm-reduction-orientierte Angebote der Drogenhilfe an. Dies kann als Indiz gewertet werden, daß sich offenbar die in Fachkreisen weitverbreitete Erwartung, mit derartigen Angeboten das Kontaktfeld der Drogenhilfe erweitern zu können, erfüllt hat. Bez. des Motivs ‚Drogenkonsum‘, welches sich auf das Gesundheitsraumangebot bezieht, ergibt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Teilstichproben (‚Szenebefragung‘: 47% – ‚Druckraumbefragung‘: 96%; c 2: 34* * * * , DF: 1). Diese Differenz ist nicht nur als Stichprobenartefakt aufgrund des Stichprobenbildungsverfahrens zu interpretieren, wie im nächsten Abschnitt (4.5.4.1) zur Nutzungsintensität des Gesundheitsraumangebots noch zu zeigen sein wird. Für zwei von fünf Interviewpartner stellt das von verschiedenen Einrichtungen offerierte Essenangebot ein Motiv zur Kontaktaufnahme dar. Eine ‚Beratung‘ und/oder ‚medizinische Behandlung‘ und/oder ‚Unterkunft/Übernachtungsmöglichkeit‘ wird von etwa jedem dritten Gesprächspartner als Kontaktmotiv benannt. Es fällt auf, daß innerhalb des Nutzungsverhaltens der Drogengebraucher der offenen Drogenszene das Beratungsangebot – das zentrale Tätigkeitsfeld der Drogenhilfe im klassischen Drogenverbundsystem – zwar noch eine wichtige, aber dennoch eher untergeordnete Rolle spielt.

4.5.4.1 Zur Nutzungsintensität des Gesundheitsraumangebots

Einleitend ist darauf zurückzuweisen, daß die befragten Drogengebraucher auch angesichts der aktuell praktizierten Konsummuster nahezu ausnahmslos der Zielgruppe des Harm-Reduction-Angebots ‚Gesundheitsräume‘ zuzurechnen sind: 96% der Interviewpartner praktizieren aktuell einen intravenösen Drogengebrauch. Gehen wir zunächst der Frage nach, ob das Gesundheitsraumangebot bereits genutzt wurde:

Tab. 31: Bisherige Nutzung des Gesundheitsraumangebots (n=147)

Neun von zehn interviewten iv-Gebrauchern haben bisher mindestens einmal einen der drei bestehenden Gesundheitsräume (‚Druckräume‘) in FaM genutzt – die absolute Mehrheit (81%) tat dies bereits mehrmals. Ein erster Hinweis darauf, daß sich die Teilstichproben im Nutzungsverhalten gegenüber diesem Angebot unterscheiden, ist damit gegeben, daß die Personen, die bisher einen Druckraum nie oder bisher nur einmal nutzten, ausnahmslos der Teilstichprobe ‚Szenebefragung‘ entstammen. Aktuell – bezogen auf den Zeitraum der zurückliegenden Woche – suchen drei von vier (75%) der interviewten iv-Gebraucher (auch) einen Druckraum auf, um Drogen zu konsumieren – selbst bei der Befragung unmittelbar auf der offenen Drogenszene betrug der entsprechende Prozentsatz 62(%). Vorstehende Zahlen vermitteln, daß dieses spezifische Harm-Reduction-Angebot offensichtlich einen weiten Kreis der anvisierten Zielgruppe ‚iv-Gebraucher der offenen Drogenszene‘ erreicht.

Tab. 32: Nutzungshäufigkeit ‚Druckräume’/letzte Woche (n=147)

Szenebefragung

(n=97)

Druckraumbefragung

(n=150)

GESAMT

(n=147)

 

Keinmal

37/38%

—-

37/25%

 

1-2mal

20/21%

13/26%

33/22%

 

3-6mal

15/15%

16/32%

31/21%

 

> 6mal

25/26%

21/42%

46/32%

c 2

26.5 * * * * , DF: 3

MW:

SD:

Min-Max:

4

5.5

0 – 25

8.4

8.0

0 – 30

5.5

6.8

0 – 30

 

t:

3.5 * * * *

Die angeführte Tabelle vermittelt zweierlei. Erstens: Insgesamt stellt die Nutzung eines Druckraums offensichtlich keine Ausnahme im aktuellen Konsumgeschehen der offenen Drogenszene dar; ein Druckraum wurde in den letzten sieben Tagen durchschnittlich fünf- bis sechsmal genutzt. Jeder dritte Interviewpartner ist quasi als ‚regelmäßiger Nutzer‘ (Nutzung siebenmal und häufiger pro Woche) einzustufen. Zweitens: Die Teilstichproben unterscheiden sich im Blick auf die aktuelle Nutzungsintensität gravierend. Unter den iv-Gebrauchern der Szenebefragung finden wir eine große Gruppe (38%) aktueller ‚Nicht-Nutzer‘ und (damit zusammenhängend) einen bedeutend kleineren Kreis regelmäßiger Druckraumnutzer, was sich in einer deutlich niedrigeren durchschnittlichen Nutzungszahl niederschlägt.

Tab. 33: Hauptmotiv für letztmalige Gesundheitsraumnutzung (n=150)

Szenebefragung

(n=150)

Druckraumbefragung

(n=150)

GESAMT

(n=150)

 

‚bisher nie genutzt‘

18/18%

—-

18/12%

 

‚wollte Angebot einmal ausprobieren‘

14/14%

—-

14/9%

 

‚hat sich so ergeben, war in der Nähe‘

9/9%

5/10%

14/9%

 

‚wollte in Ruhe konsumieren‘

56/56%

33/66%

89/60%

 

‚gehe fast immer in einen Druckraum‘

3/3%

12/24%

15/10%

c 2

31.3 * * * * , DF: 4

Auffällig ist, daß sechs von zehn Befragten als wesentlichen Grund der letztmaligen Gesundheitsraumnutzung das Bedürfnis benannten, in Ruhe die jeweilige(n) Droge(n) gebrauchen bzw. applizieren zu wollen. Nicht selten äußerten Gesprächspartner, daß es ihnen dabei im wesentlichen um eine Art ‚Reduktion von Verfolgungsstreß‘ ging, da zu dem betreffenden Zeitpunkt eine hohe Polizeipräsenz auf der offenen Szene, der Straße gegeben war. Das sich in der Tabelle abzeichnende differente Verteilungsbild geht vor allem auf die Gruppe derjenigen zurück, die einen Druckraum bisher nicht nutzten oder einen solchen lediglich einmal ausprobierten. Auf der anderen Seite finden wir in der Teilstichprobe ‚Druckraumbefragung‘ eine ungleich größere Gruppe von augenscheinlich regelmäßigen Druckraumnutzern.

Wie die unterschiedliche Nutzungsintensität im Hinblick auf die Gesundheitsräume vermuten läßt, zeichnen sich auch deutliche Differenzen zwischen den Teilstichproben bez. des gegenwärtigen Konsums in der Öffentlichkeit ab, dem mit der Einrichtung der Gesundheitsräume – so die das Harm-Reduction-Angebot begleitende ordnungspolitisch orientierte Intention – entgegengewirkt werden soll. Fragen wir zunächst nach dem hauptsächlich genutzten Konsumort der vergangenen Woche:

Tab. 34: Vorrangig genutzter Konsumort/letzte Woche (n=150)

Szenebefragung

(n=150)

Druckraumbefragung

(n=150)

GESAMT

(n=150)

 

Zuhause

23/23%

8/16%

31/21%

 

Öffentlichkeit

68/68%

13/26%

81/54%

 

Gesundheitsräume

6/6%

26/52%

32/21%

 

Sonstige

3/3%

3/6%

6/4%

c 2

45.5 * * * * , DF: 3

Das in den Teilstichproben gravierend voneinander abweichende Verteilungsbild resultiert vor allem aus den unterschiedlichen Besetzungen der Kategorie ‚Öffentlichkeit‘ (Schwerpunkt ‚Szenebefragung‘) und ‚Gesundheitsräume‘ (Schwerpunkt ‚Druckraumbefragung‘). Unabhängig von teilstichprobenspezifischen Differenzen bleibt festzuhalten, daß über die Hälfte (54%) der Befragten angibt, aktuell vornehmlich in der Öffentlichkeit Drogen zu konsumieren. Vor allem obdachlose Interviewpartner (46% der Gesamtstichprobe!) greifen – notgedrungen – in erster Linie auf öffentliche Konsumorte zurück (Gruppe ‚Obdachlose‘: 74% – Gruppe ‚Fester Wohnsitz‘: 37%; c 2: 20.4* * * * , DF: 1). Diese – für die Organisation und Strukturierung (Öffnungszeiten, Kapazitäten) der Druckräume relevante – Beobachtung erklärt jedoch nicht die Unterschiedstendenzen zwischen den Teilstichproben, da in diesen der Obdachlosenanteil quasi gleich hoch liegt. Und, um Mißverständnissen vorzubeugen: Die Gruppe der Obdachlosen nutzt das Gesundheitsraumangebot im Wochendurchschnitt gar bedeutend häufiger, als der Kreis derjenigen, die über einen festen Wohnsitz verfügen (MW: 7.2, SD: 7.5 – MW: 4, SD: 5.8; t: 2.08* * * ) – offensichtlich aber entsprechen die zur Zeit vorhandenen Druckraumkapazitäten und -öffnungszeiten nicht dem drogengebrauchsbezogenen Tagesrhythmus, weshalb der Konsum aufgrund mangelnder Alternativen weiterhin vornehmlich im öffentlichen Raum stattfindet.

Die oben angesprochene Stichprobendifferenz scheint im wesentlichen auf die in 4.3.2 herausgestellten Konsummusterunterschiede zurückzuführen zu sein: Das insgesamt stärker kokainorientierte Drogengebrauchsmuster der im Rahmen der Szenebefragung interviewten Drogengebraucher und die damit einhergehende höhere Konsumfrequenz veranlaßt allem Anschein nach zu einem vorrangig öffentlichen Konsum – etwa, weil man sich nicht ständig in der Nähe eines Druckraumes aufhält, die Öffnungszeiten zu begrenzt sind, Wartezeiten nicht mit dem spontaneren, höher frequenten Konsumgeschehen gewohnheitsmäßiger Kokainkonsumenten vereinbar sind etc. Während 75% der täglichen Kokainkonsumenten angeben, vornehmlich in der Öffentlichkeit Drogen zu nehmen, trifft dies auf nur 35% derjenigen zu, die Kokain gar nicht oder nicht täglich konsumieren (c 2: 23.1* * * * , DF: 1).

Tab. 35: Häufigkeit öffentlichen Drogengebrauchs/letzte Woche (n=150)

Szenebefragung

(n=100)

Druckraumbefragung

(n=150)

GESAMT

(n=150)

 

Keinmal

15/15%

18/36%

33/22%

 

einmal

3/3%

7/14%

10/7%

 

mehrmals

32/32%

18/36%

50/33%

 

täglich

50/50%

7/14%

57/38%

c 2

24.3 * * * * , DF: 3

MW:

SD:

Min-Max:

27.7

29.1

0 – 105

7.9

17.2

0 – 90

20.5

27.2

0 – 105

 

t:

5.16 * * * *

Bezogen auf die Gesamtstichprobe geben drei von vier (71%) Interviewpartnern an, in der zurückliegenden Woche mehrmals oder täglich in der Öffentlichkeit (Straße, Plätze, U-Bahn-Stationen etc.) Drogen konsumiert zu haben – durchschnittlich werden 20 öffentliche Konsumsituationen berichtet, wobei sich die Teilstichproben drastisch unterscheiden: Die Zahl berichteter öffentlicher Konsumsituation innerhalb der ‚Szenebefragung‘ übersteigt diejenige innerhalb der ‚Druckraumbefragung‘ um das Dreieinhalbfache. Stellen wir die Angaben zu den öffentlichen Konsumsituationen den Zahlen der Tabelle zur Nutzungsintensität der Druckräume innerhalb der letzten Woche gegenüber, so wird ersichtlich, daß sich das Konsumgeschehen der befragten Drogengebraucher – mit Schwerpunkt in der Teilstichprobe ‚Szenebefragung‘ – aktuell vornehmlich in der Öffentlichkeit vollzieht: Den durchschnittlich 20 öffentlichen Konsumsituationen stehen fünf in den Gesundheitsräumen gegenüber (t: 6.77* * * * ). In der Summe ergibt sich allein bez. der Gesamtstichprobe von 150 Drogengebrauchern eine Gesamtzahl von 3080 Konsumsituationen in der Öffentlichkeit (gegenüber 803 in den Gesundheitsräumen) für den Bezugszeitraum von einer Woche. Beziehen wir uns allerdings alleinig auf die in den Druckräumen befragten Drogengebraucher, so besteht ein Gleichgewicht zwischen Drogengebrauchssituationen in den Druckräumen und in der Öffentlichkeit. Innerhalb der Teilstichprobe ‚Szenebefragung‘ werden jedoch im Durchschnitt siebenmal mehr öffentliche als in den Druckräumen stattfindende Konsumsituationen berichtet. Allem Anschein nach existiert eine Drogengebrauchsgruppe, die nicht in erwünschtem Maße vom Druckraumangebot erreicht wird bzw. aufgrund differenter Konsumgewohnheiten und einer unzureichenden Angebotsdichte nicht erreicht werden kann, um zu einer deutlichen Entlastung im Blick auf das öffentliche Konsumgeschehen – speziell in der Bahnhofsregion – beizutragen. Diese Gruppe besteht augenscheinlich – so legt es die vergleichende Analyse nahe – in erster Linie aus gewohnheitsmäßigen (täglichen) Kokaingebrauchern, die in besonderer Weise die Teilstichprobe ‚Szenebefragung‘ charakterisieren (s.o.): Diese Gruppe – die immerhin 47% der Gesamtstichprobe bildet – berichtet durchschnittlich sechsmal mehr öffentliche Konsumsituationen, als diejenigen Konsumenten, die Kokain gar nicht oder weniger intensiv gebrauchen (MW: 36.6, SD: 31.3 – MW: 6.3, SD: 9.3; t: 7.83* * * * ).

Das sich in den Zahlen insgesamt ausdrückende Mißverhältnis von Druckraumnutzung und öffentlichem Drogengebrauch läßt offenkundig werden, daß (alleinig) die derzeitige (quantitative) Ausgestaltung des Druckraumangebotes in FaM offensichtlich nicht hinreichend ist, zu einer nachhaltigen Entspannung im Blick auf den öffentlichen Drogengebrauch zu führen. Und zwar ‚offensichtlich‘ nicht wegen einer vermeintlichen Nicht-Annahme, wegen mangelnder Akzeptanz dieses Angebots durch die Zielgruppe, sondern in erster Linie aufgrund unzureichender Kapazitäten (Platzangebot, Öffnungszeiten) dieses Harm-Reduction-Angebots – vor allem angesichts des hohen und möglicherweise zunehmenden Verbreitungsgrades kokainorientierter Konsummuster und des hohen Obdachlosenanteils.

Der angedeutete Kapazitätsmangel findet eindrucksvoll Niederschlag in den Begründungen der Interviewpartner, warum sie trotz der zur Verfügung stehenden Gesundheitsräume weiterhin (zumindest teilweise) in der Öffentlichkeit (illegale) Drogen konsumieren. Die folgende Übersicht gibt die wesentlichen Begründungen der Interviewpartner in absteigender Bedeutungsreihenfolge wieder:

Tab. 36: Begründungen/Motive für öffentlichen Drogengebrauch trotz eines Druckraumangebots (Mehrfachnennungen/n=150)

 

1. ‚Öffnungszeiten zu begrenzt‘

 

96/64%

 

2. ‚Wartezeiten‘

 

68/45%

 

3. ‚Entfernung/Lage‘ (mangelnde Angebotsdichte)

 

45/30%

 

4. ‚Erwerbsort (zumeist) auch Konsumort‘

 

36/24%

 

5. ‚Verbot, Drogen zu teilen‘

 

36/24%

 

6. ‚Atmosphäre (zu eng, laut u. hektisch)‘

 

26/17%

 

7. ‚kein Zugang für Substituierte‘

 

11/7%

 

8. Sonstige

 

7/5%

Die in der vorstehenden Tabelle angeführten Beweggründe wurden ausnahmslos – z.T. deutlich – häufiger innerhalb der Stichprobe ‚Szenebefragung‘ benannt, was aufgrund der in dieser Teilstichprobe beobachtbaren stärkeren Tendenz zum öffentlichen Drogengebrauch nicht verwundert. Wie es sich im Verlaufe der bisherigen Analyse andeutete, scheint dies wiederum im wesentlichen auf die ungleichgewichtig vertretene Gruppe gewohnheitsmäßiger Kokainkonsumenten zurückzuführen sein.

Die drei häufig genanntesten Begründungsmuster für einen weiterhin stattfindenden öffentlichen Drogenkonsum heben allesamt direkt auf die offenbar mangelnde Kapazität bzw. Angebotsdichte der Gesundheitsräume ab. Im wesentlichen ‚zwingen‘ die begrenzten Öffnungszeiten, die kaum den in einer bestehenden physischen Abhängigkeit verankerten Drogengebrauchsmustern entsprechen, zu einem öffentlichen Drogenkonsum, was vor allem die Gruppe der Obdachlosen betrifft. In ähnlicher Weise sind auch die Begründungen ‚Wartezeit‘ und ‚Entfernung/Lage der Druckräume‘ zu verstehen: Etwaig aufkommende Entzugserscheinungen und das hochfrequente Konsumgeschehen unter den gewohnheitsmäßigen Kokaingebrauchern – eingebettet in die Hektik und Rastlosigkeit des durch Verfolgungsstreß gekennzeichneten Szenealltags – ist mit den sich aus den Kapazitätsengpässen zwangsläufig ergebenden Wartezeiten unvereinbar. Dies gilt ebenso für die Angebotsdichte des Druckraumangebots in FaM. Denn die drei bisher bestehenden Druckräume decken das Bewegungsfeld der Zielgruppe allem Anschein nach nur ansatzweise ab (vgl. zur Lage der Druckräume 4.5.4.2). In diesem Zusammenhang ist auch das von jedem vierten Gesprächspartner (24%) benannte Argument ‚Erwerbsort auch Konsumort‘ von Relevanz. Das unmittelbare – häufig durch Entzugserscheinungen verstärkte – Bedürfnis nach Drogeneinnahme, steht der Bereitschaft entgegen, weitere Anstrengungen zu unternehmen, einen Gesundheitsraum aufzusuchen – vor allem dann, wenn zu befürchten ist, daß dort mit Wartezeiten zu rechnen ist.

Die sich aus der Rechtslage ergebende Nutzungsregel, keine Drogen teilen zu dürfen (vgl. 2.2), veranlaßt ebenfalls offenbar jeden vierten (25%) interviewten Drogengebraucher (mitunter) zu einem öffentlichen Drogenkonsum. Dies verdeutlicht, daß das Teilungsverbot in Widerstreit mit der szeneüblichen – häufig notgeborenen – Alltagspraxis steht, (eine zumeist nur begrenzte Menge an) Drogen innerhalb freundschaftlicher, partnerschaftlicher Beziehungen – ohne monetäre Interessen – zu teilen.

Ein nicht unerheblicher Teil (17%) der Befragten benennt die mangelnde, ‚konsumunfreundliche‘ – oft zu hektische, laute – Atmosphäre in den Gesundheitsräumen, die einem positiven Drogenerleben entgegensteht. Dieses Motiv ist bedeutend häufiger von gewohnheitsmäßigen Kokaingebrauchern geäußert worden – wie einige Gesprächspartner berichten, nimmt die hektische Betriebsamkeit in den Druckräumen unangenehmen Einfluß (in Gestalt einer Art ’negativen Verstärkung‘) auf die stimulierende Wirkung von Kokain. Einige Interviewpartner benennen zudem das Zugangsverbot für Substituierte als ausschlaggebend für einen fortgesetzten öffentlichen Drogengebrauch.

Die vorgenannten Motive und Beweggründe spiegeln sich auch in den nach Ansicht der Befragten vordringlichst zu verfolgenden Verbesserungsvorschlägen im Hinblick auf eine bedarfsgerechtere Angebotsgestaltung wider:

Tab. 37: Verbesserungsvorschläge ‚Druckraumangebot‘ (Mehrfachnennungen/n=138)

 

Einrichtung weiterer Druckräume – Ausweitung der Öffnungszeiten

116/84%

 

Verbesserung der Atmosphäre (Vergrößerung des Raumangebots/Ruhe-, Entspannungsraum/Gestaltung etc.)

71/51%

 

Abmilderung der Kontrollatmosphäre – wesentlich: Aufhebung der Zugangsbeschränkung (Substituierte) und des Teilungsverbots

27/20%

 

Sonstige

5/4%

Die seitens der Interviewpartner geäußerten Verbesserungsvorschläge mahnen in erster Linie eine quantitative Angebotserweiterung an: Es werden mehr Druckräume mit erweiterten Zugangszeiten gefordert. Im Bemühen um eine Optimierung der Angebotsgestaltung sollte allerdings ebenso berücksichtigt werden, daß immerhin jeder zweite Gesprächspartner eine Verbesserung der Atmosphäre (räumliche Gestaltung) wünscht. Insbesondere in der Intention einer Ausweitung des Zuspruchs innerhalb der Zielgruppe scheint dies bedenkenswert, was ebenso für den Verbesserungsvorschlag ‚Abmilderung der Kontrollatmosphäre‘ gilt, der immerhin noch von jedem fünften interviewten Drogengebraucher (20%) geäußert wurde. Vor allem wäre in diesem Kontext über eine Aufhebung des Zugangsverbots für Substituierte nachzudenken. Denn diese Zugangsbeschränkung ist im Wissen darum, daß – gerade zu Beginn einer Substitutionsbehandlung – ein (auch intravenöser) Beigebrauch weiterer Substanzen eher als typisch zu begreifen ist, äußerst bedenklich. Angesichts dieser jüngst wieder in einer differenzierten Längsschnittstudie herausgestellten Verlaufstypik einer Substitutionsbehandlung (vgl. Raschke 1994) ist diese Zugangsbeschränkung einer erneuten, intensiven Prüfung zu unterziehen. Denn in der Konsequenz steht die Ausklammerung einer Drogengebrauchsgruppe vom Gesundheitsraumangebot, was der originären Intention dieses auf Schadensbegrenzung ausgelegten Angebots zuwiderläuft.

Die Frage, welche Voraussetzung erfüllt sein müßte, um nicht mehr in der Öffentlichkeit Drogen zu nehmen, wurde folgendermaßen beantwortet:

Tab. 38: Voraussetzung für die Einstellung des öffentlichen Drogengebrauchs (n=150)

 

‚Ausweitung des Gesundheitsraumangebots‘

67/45%

 

‚eigene Wohnung‘

32/21%

 

‚drogenpolitische Änderung‘ (Schaffung von Duldungsräumen u./o. Originalstoffsubstitution u./o. Legalisierung)

18/12%

 

‚Abstinenz‘

7/5%

 

’nehme keine Drogen in der Öffentlichkeit‘

26/17%

Ein Großteil der Befragten (45%) sieht eine Ausweitung des Gesundheitsraumangebots (Angebotsdichte, Zugangszeiten) als Grundbedingung für eine (weitestgehende) Einstellung des öffentlichen Drogengebrauchs an. Augenfällig ist auch, daß jeder fünfte Interviewpartner (21%) eine eigene Wohnung als Grundvoraussetzung benennt. Dies verweist einmal mehr auf die Problematik der Obdachlosigkeit innerhalb der offenen Drogenszene und des damit einhergehenden Bedarfsdrucks auf die Drogenhilfe. Ein nicht unerheblicher Personenanteil (17%), der vor allem im Rahmen der Druckraumbefragung angetroffen wurde, berichtet, Drogen aktuell nicht in der Öffentlichkeit zu konsumieren. Jeder zehnte Gesprächspartner benennt einschneidende drogenpolitische Änderungen, wobei die Forderungspalette durch die Eckpunkte ‚Schaffung von zugangsfreien Duldungsräumen‘ bis hin zur ‚Legalisierung‘ markiert ist, als Voraussetzung zur Einstellung des öffentlichen Drogenumgangs und zur Entlastung des öffentlichen Raumes vom Phänomen ‚offene Drogenszene‘ und der damit einhergehenden Negativ-Erscheinungen. Sieben Befragte geben an, den öffentlichen Drogengebrauch letztlich wohl nur über die Erreichung eines Abstinenz-Status einstellen zu können.

4.6 Teilauswertung ‚Gesundheitsraumstatistiken‘

Im vorherigen Abschnitt haben wir uns ausführlich der aktuellen Gesundheitsraumpraxis aus der Perspektive der Zielgruppe dieses im Verlaufe der zurückliegenden neun Monate in die Drogenhilfestruktur Frankfurts implementierten Harm-Reduction-Angebots gewidmet. Die Analyse konzentrierte sich im wesentlichen auf zwei Fragestellungen: In welchem Umfang wird das Angebot genutzt? Und: Warum ist trotz Bereitstellung von Konsummöglichkeiten dennoch ein nicht unerhebliches öffentliches Konsumgeschehen beobachtbar, d.h., welcher Konsumentenkreis wird möglicherweise nicht in erhofftem Maße erreicht? Um das Bild von der Alltagspraxis in den Gesundheitsräumen abzurunden, präsentieren wir im folgenden eine erst – exemplarisch zu verstehende – Auswertung der in den Einrichtungen geführten Tagesstatistiken. Diesbezüglich stützen wir uns auf die Daten des Zeitraumes Juni-Juli 1995. In Anbetracht des vergleichsweise klein bemessenen Beobachtungszeitraumes ist es offensichtlich, daß die anstehende Auswertung nur einen ersten Eindruck vom Praxisgeschehen vermitteln kann.

Stellen wir zunächst eine Kurzbeschreibung der drei bisher existierenden Gesundheitsräume Frankfurts voran:

· ‚Druckraum Moselstraße‘

 

Träger: Integrative Drogenhilfe e.V. a.d. FH Ffm

Lage: Moselstraße/Bahnhofsviertel – unmittelbar im Zentrum des aktuellen Aufenthaltsschwerpunktes der offenen Drogenszene gelegen/in direkter Nachbarschaft zu einem Drogenkontaktladen mit differenter Angebotspalette (Café Fix)

Kapazität: acht Konsumplätze

Öffnungszeit: Mo 14.30-19.30Uhr Di-Fr 16.00-21.20Uhr

(wöchentliche Gesamtöffnungszeit: 38.5 Std.)

 

· ‚Druckraum Eastside‘

 

Träger: Integrative Drogenhilfe e.V. a.d. FH Ffm

Lage: Schielestraße/Stadtrand – in einem Industriegebiet an der Peripherie Frankfurts gelegen (nicht zu Fuß zu erreichen – zwischen der Einrichtung und dem Bahnhofsviertel verkehrt ein speziell eingerichteter Pendelverkehr); der Druckraum ist Teil einer als Tagesanlaufstelle konzipierten Einrichtung mit differenter Angebotspalette (u.a. Übernachtungsmöglichkeiten)

Kapazität: acht Konsumplätze

Öffnungszeit: Mo-So 14.00-21.00Uhr

(wöchentliche Gesamtöffnungszeit: 49 Std.)

 

· ‚Druckraum La Strada‘

 

Träger: AIDS-Hilfe Frankfurt e.V.

Lage: Mainzer Landstraße/am Rande des Bahnhofsviertels gelegen – etwa ein halber Kilometer vom Szeneaufenthaltsschwerpunkt entfernt gelegen; der Gesundheitsraum ist in die Konzeption eines Drogenkontaktladens in Verbindung mit einer Notschlafstelle eingebunden

Kapazität: sechs Konsumplätze

Öffnungszeit: Mo 15.00-19.30Uhr Do 11.00-14.00Uhr

Di 09.30-14.30Uhr Fr 09.30-14.30Uhr

Mi 15.00-19.30Uhr

(wöchentliche Gesamtöffnungszeit: 22 Std.)

 

Die drei Einrichtungen verfügen insgesamt über 22 Konsumplätze, bei einer aufaddierten wöchentlichen Öffnungszeit von 108.5 Stunden. Zu bedenken ist, daß lediglich eine Einrichtung an zwei Wochentagen in den Vormittagsstunden zugänglich ist. Morgens (vor 9.00Uhr) und in den Nachtstunden (nach 21.30Uhr) ist kein Druckraum zugänglich. Die zeitliche Strukturierung des Druckraumangebots in FaM entspricht so nicht dem Leben auf der Drogenszene, wobei vor allem der hohe Obdachlosenanteil zu bedenken ist (4.2.3); auch entspricht sie den praktizierten Konsummustern, denen in überwiegendem Maße eine physische Abhängigkeit zugrunde liegt, nur partiell. Von daher ist, wie sich in 4.5.4.1 plastisch abzeichnete und im Bahnhofsviertel täglich beobachtbar, das weiterhin intensive öffentliche Konsumgeschehen im Umfeld der Drogenszene nicht überraschend. In der nun angeführten Tabelle ist die Nutzungsintensität der Druckräume auf der Grundlage der registrierten Konsumsituationen und Öffnungstage/-stunden präsentiert:

Tab. 39: Nutzungsintensität ‚Druckräume’/Anzahl registrierter Konsumsituationen (Juni-Juli 1995)

 

Gesamtzahl

Wochendurch-

schnitt

Tagesdurch-

schnitt

Stundendurch-

schnitt

 

‚Moselstraße‘

6.614

760

108

20

 

‚Eastside‘

2.612

300

42

6

 

‚La Strada‘

1.383

159

38

9

 

GESAMT

 

10.609

 

1.219

 

173

 

12

Im Gesamtüberblick illustrieren die Zahlen, daß die Gesundheitsräume – trotz einer erst kurzen Bestandsdauer dieses Angebots in FaM – in großem Umfang genutzt werden und offensichtlich ein vitales Interesse bzw. einen realen Bedarf der offenen Drogenszene berühren. Alleinig im Beobachtungszeitraum von nur zwei Monaten fanden in den Einrichtungen 10.609 Injektionen unter hygienischen Bedingungen und der Gewähr einer sofort verfügbaren Hilfe im Falle einer etwaigen Überdosierung statt. Die mit dem Konsum illegaler Drogen im besonderen verknüpften vielfältigen Risiken konnten also bei mehr als 10.000 Injektionen drastisch gesenkt werden. Zudem fanden die Konsumsituationen nicht im öffentlichen Raum statt und führten somit nicht zu einem Belästigungsempfinden in der Öffentlichkeit, wie es – so legt es eine aktuelle Studie nahe – mit der Beobachtung eines öffentlichen intravenösen Drogengebrauchs für weite Bevölkerungskreise offenbar einhergeht (vgl. in diesem Kontext: Renn/Lange 1995, 42ff).

Mit einer durchschnittlichen Anzahl von 1.219 Konsumsituationen pro Woche erreicht das Gesundheitsraumangebot in FaM bereits einen gleich hohen Versorgungsgrad wie die drei seit 1992 bestehenden Gesundheitsräume in Zürich; für das Jahr 1994 wird ein entsprechender Wert von 1.322 berichtet (Sozialamt Stadt Zürich 1995, 24). Der Frauenanteil der Nutzergruppe beträgt etwa 25% und liegt damit gleich hoch wie in der Stichprobe der vorliegenden Studie (vgl. 4.2.1). In der Gesamtschau aller Einrichtungen bewegt sich das Konsumaufkommen an allen Wochentagen um den in der Tabelle ausgewiesenen Tagesdurchschnitt ohne größere Abweichungen. Allerdings liegt bei den Einrichtungen ‚Moselstraße‘ und ‚Eastside‘ das Konsumaufkommen an Wochenendtagen (Sa/So) signifikant – um 13% bzw. 21% – niedriger als an Werktagen.

Im Beobachtungszeitraum wurden insgesamt 24 Drogennotfälle (18 Männer, 6 Frauen) in den Gesundheitsräumen registriert. Hierbei handelte es sich um Überdosierungen, die zu Atmungs- und/oder Kreislaufproblemen führten und die Intervention der Mitarbeiter sowie in einer (nicht näher ausgewiesenen) Anzahl von Fällen die Hinzuziehung eines Arztes erforderten (vereinzelt auch Aufnahme in ein Krankenhaus). Setzen wir die Anzahl der Notfälle (24) in Beziehung zur Gesamtzahl der registrierten Konsumsituationen (10.609), so ergibt sich eine Komplikationsrate von 0.2%: D.h., daß bei zwei von eintausend Injektionen Komplikationen auftraten. Im Vergleich zur Komplikationsrate von 0.2% wird im Erfahrungsbericht ‚Gassenzimmer‘ in Zürich für die Berichtsperiode 1993/1994 eine Komplikationsrate von 0.05% (Sozialamt Stadt Zürich 1995, 25) angegeben. Wenn diese Rate absolut besehen niedriger erscheint, so ist relativierend anzuführen,

 

· daß sich der vorliegende Berichtszeitraum Juni-Juli durch eine kreislaufbelastende und damit das Überdosierungsrisiko steigernde Wetterlage (hohe Temperaturen) auszeichnete.

· daß die Drogengebraucher der offenen Drogenszene in FaM möglicherweise einen schlechteren Allgemeinzustand aufweisen und ggf. Drogengebrauchsmuster praktizieren, die mit einem höheren Überdosierungsrisiko einhergehen.

· daß der Drogenmarkt in FaM möglicherweise durch höhere Schwankungen der Drogenqualität gekennzeichnet ist, was eine erhöhte Überdosierungswahrscheinlichkeit bedeutete.

 

Mag der Vergleich mit den Züricher Erfahrungen zwar zunächst irritieren, so ist die Komplikationsrate von 0.2% dennoch als vergleichsweise gering anzusehen. Denn das Risiko einer Überdosierung – ein letaler Verlauf – steigt überproportional mit zunehmender Dauer bis zum Behandlungseintritt. Da in den Gesundheitsräumen durch das geschulte Personal quasi unmittelbar Hilfestellung gegeben ist, ist das Risiko eines tödlichen Überdosierungsverlaufs – im Gegensatz zur Situation auf der Straße, in abgeschiedenen Hinterhöfen, in öffentlichen Bedürfnisanstalten etc. – auf ein Minimum reduziert.

Wie aus obig angeführter Tabelle hervorgeht, unterscheiden sich die Einrichtungen deutlich bez. des durchschnittlichen Besucheraufkommens. Die abweichende Nutzungsintensität ist vor allem auf die unterschiedliche Nähe der Einrichtungen zum Aufenthaltsschwerpunkt der Drogenszene (aktuell das Bahnhofsviertel) zurückzuführen. Dies wird deutlicher, wenn wir die Auslastungsquote der Einrichtungen gegenüberstellen. Der Errechnung der Auslastungsquote liegt die idealtypische Annahme zugrunde, daß die Konsumplätze über die gesamte Öffnungszeit stetig besetzt sind, wobei eine Konsumsituation mit einer durchschnittlichen Dauer von 20 Minuten veranschlagt ist (, d.h., daß pro Stunde je Konsumplatz drei Injektionen stattfinden). Die Gesamtauslastungsquote der Gesundheitsräume Frankfurts betrug in den Monaten Juni-Juli 52%. Dieser Wert ist als hoch anzusehen, insofern der Berichtszeitraum in den Sommermonaten lag und das diesjährig sehr gute Wetter Außenaktivitäten nahelegte. Es ist davon auszugehen, daß mit zunehmender Wetterverschlechterung (vor allem in den Wintermonaten) die Auslastungsquote drastisch steigt. Außerdem handelt es sich um einen Durchschnittswert, in den (Tages-)Schwankungsspitzen eingehen, womit davon auszugehen ist, daß in Stoßzeiten die Kapazitätsgrenzen erreicht sind. Dies gilt vor allem für den Druckraum ‚Moselstraße‘ – hier betrug die Auslastungsquote 82% (!). Das hohe, die Kapazitäten in Stoßzeiten deutlich übersteigende Besucheraufkommen in der Moselstraße ist wohl in erster Linie auf die unmittelbare Szenenähe zurückzuführen, denn im Vergleich zu dieser Einrichtung weisen die Druckräume ‚La Strada‘ (48%) und ‚Eastside‘ (25%), entsprechend ihrer räumlichen Distanz zur offenen Drogenszene, eine deutlich niedrigere Auslastungsquote auf.

Möglicherweise ließe sich durch eine Umschichtung von Kapazitäten/Ressourcen und besser abgestimmte Öffnungszeiten eine höhere Angebotsauslastung erreichen (ansatzweise wurden entsprechende Maßnahmen bereits eingeleitet). Aber: Die Maximalkapazität der bisherigen Angebotsstruktur liegt etwa bei 2.400 Injektionen pro Woche. Demgegenüber berichten die 150 interviewten Drogengebraucher eine Gesamtzahl von über 3.000 Konsumsituationen in der Öffentlichkeit im Zeitraum der vergangenen Woche (vgl. 4.5.4.1). Allein diese Zahl, die sich nur auf einen Teilausschnitt der Szenepopulation bezieht, übersteigt die bisher zur Verfügung stehenden Kapazitäten (die – daran sei erinnert – bereits zu 52% erschöpft sind) deutlich. Wenn es also – wie aufgrund gesundheits- wie ordnungspolitischer Erwägungen intendiert – darum gehen soll, das Konsumgeschehen der offenen Drogenszene von der ‚Straße‘ in die Gesundheitsräume zu verlagern, ist eine Erweiterung des Gesundheitsraumangebots in Anbetracht der gegenwärtigen Struktur der Drogenszene in FaM unabdingbar.

5 Zusammenfassung

Die vorliegende, in einem eng gesteckten zeitlichen Rahmen von drei Monaten (Auftragserteilung/Konzeption bis zur Endberichtsvorlage) erstellte Studie gibt einen Überblick über die aktuelle Struktur der offenen Drogenszene Frankfurts und vermittelt – für den bundesrepublikanischen Raum erstmalig – einen Eindruck von der Praxis des Harm-Reduction-Angebots ‚Gesundheitsräume‘ (‚Druckräume‘). Insgesamt wurden 150 Drogengebraucher auf der Grundlage eines umfangreichen Fragebogens in einer Face-to-Face-Interviewsituation befragt, wobei 100 Interviews unmittelbar auf der offenen Szene (Straße, Plätze etc.; Teilstichprobe ‚Szenebefragung‘) und 50 innerhalb der drei bisher in Frankfurt bestehenden Gesundheitsräume (Teilstichprobe ‚Druckraumbefragung‘) angebahnt wurden. Wenn auch die Stichprobe nicht als repräsentativ eingestuft werden kann – ein für die Drogenforschung geradezu typischer Umstand -, so darf dennoch begründeterweise angenommen werden, daß sie eine vergleichsweise hohe exemplarische Abbildungsqualität im Blick auf die offene Drogenszene Frankfurts im Sommer 1995 aufweist (vgl. 3.3).

 

· Stichprobencharakteristika ‚biographische Standarddaten‘ (vgl. 4.2)

 

Im Vergleich zu älteren Studien deutet das ermittelte Durchschnittsalter von 30.6 Jahren auf einen Altersanstieg innerhalb der ‚Szenepopulation‘ hin. Der Frauenanteil von 25% bewegt sich im Rahmen entsprechender Angaben korrespondierender Forschungsprojekte. Das Ausbildungsniveau der Interviewpartner stellt sich insgesamt als äußerst niedrig dar. Arbeitslosigkeit erscheint als ein typisches Charakteristikum des empirischen Bezugsfeldes ‚offene Drogenszene‘. Lediglich jeder zehnte ist aktuell über ein geregeltes Arbeitsverhältnis in das Erwerbsleben eingebunden. Ebenso erscheint – angesichts eines Anteils von 46% obdachlosen Gesprächspartnern – Obdachlosigkeit als ein typisches Phänomen im sozialräumlichen Kontext der offenen Drogenszene. Ein im Vergleich zu früheren Studien höherer Anteil an aktuell polizeilich in FaM gemeldeter Personen (63%), kann als Anzeichen eines tendenziell abnehmenden Anteils an auswärtigen Konsumenten in der offenen Drogenszene Frankfurts interpretiert werden.

 

· Stichprobencharakteristika ‚drogaler Entwicklungsverlauf – aktuelle Drogengebrauchsmuster‘ (vgl. 4.3)

 

Das Gros der Stichprobe (62%) ist als Langzeitgebraucher ‚harter Drogen‘ (vgl. Fußnote 6) zu bezeichnen, die seit mindestens zehn Jahren (mehr oder weniger kontinuierlich) harte Drogen konsumieren. Im Durchschnitt verfügen die Befragten über eine nahezu 14jährige Erfahrungskarriere mit harten Drogen. Die jeweils substanzbezogen ermittelten Einstiegsaltersdurchschnittswerte bewegen sich im Rahmen entsprechender Angaben einschlägiger Drogenforschungsprojekte. Im Verlaufe der Analyse verdichteten sich Hinweise bez. eines Bedeutungsverlustes der ‚klassischen Szenedrogen‘ LSD, Speed und Rohopium. Demgegenüber ist eine offensichtliche Bedeutungszunahme von Kokain und Crack im Konsumgeschehen der offenen Drogenszene zu beobachten. Die mit der Techno- und Rave-Szene assoziierte Drogen Ecstasy (XTC) findet innerhalb offener Szenebezüge allem Anschein nach keinen größeren Verbreitungsgrad.

Im Gesamtüberblick dominieren polyvalente Konsummuster und die intravenöse Applikationsform das Drogengebrauchsverhalten. Mit 89% wurden in erster Linie ‚Gewohnheitskonsumenten harter Drogen‘ (täglicher oder mehrmaliger Gebrauch pro Woche von Heroin u./o. anderen Opiaten u./o. Kokain u./o. Crack) angetroffen. Zwar ist die Substanz ‚Heroin‘ noch als ‚Droge Nr. 1‘ der offenen Szene anzusehen, allerdings scheint Kokain angesichts dessen weiterverbreiteter und intensiver Nutzung mehr und mehr den Status einer ‚Co-Nr.-1‘ einzunehmen. Zwischen den Teilstichproben ‚Szenebefragung‘ und ‚Druckraumbefragung‘ trat eine zentrale gebrauchsmusterbezogene Unterschiedstendenz auf: Während Kokain unter den unmittelbar auf der Szene kontaktierten Drogengebrauchern eine intensivere Nutzung erfährt, ist das Drogengebrauchsverhalten der in den Druckräumen kontaktierten Personen stärker auf die Substanz Heroin ausgerichtet. Die mit einem gewohnheitsmäßigen (auf täglicher Basis) Kokaingebrauch, der bedeutend häufiger in der Teilstichprobe ‚Szenebefragung‘ beobachtet wurde, zumeist in Verbindung stehenden kürzeren Gebrauchsintervalle und ein insgesamt ’spontaneres‘ Konsumgeschehen, enthält wesentliche Implikationen für die Konzeption des Druckraumangebots.

· Stichprobencharakteristika ‚Gesundheitszustand‘ (vgl. 4.4)

Der Allgemeinzustand der Konsumenten auf der offenen Drogenszene stellt sich insgesamt schlecht dar. Lediglich jeder zehnte Befragte (11%) berichtet, in den vergangenen drei Monaten beschwerdefrei gewesen zu sein; durchschnittlich geben die Interviewpartner drei unterschiedliche Beschwerden an [in der Spannbreite von Zahnschmerzen bis hin zu komplexen Krankheitsbildern im AIDS-Status (Leberstörung/Hepatitis: 35% !)] und berichten (durchschnittlich), zweimal durch medizinisches Fachpersonal behandelt worden zu sein (häufig im Rahmen des medizinischen Behandlungsangebots der Drogenhilfe Frankfurts). Der allgemein beobachtbare schlechte Gesundheitszustand sowie eine (vergleichsweise hohe) HIV-Prävalenzrate von 26% gibt mehr als hinreichenden Anlaß, in den Bemühungen um eine harm-reduction-orientierte medizinische Basisversorgung nicht nachzulassen.

Die absolute Mehrheit (65%) der interviewten Drogengebraucher berichtet, mindestens einmal eine Überdosis erlebt zu haben. Das sich abzeichnende komplexe Drogennotfallgeschehen im Umfeld der offenen Drogenszene verweist auf die vielfältigen mit dem Gebrauch von Schwarzmarktdrogen einhergehenden Risiken, die für die Problemadäquanz des Gesundheitsraumangebotes stehen.

· Stichprobencharakteristika ‚Bestreitung des Lebensunterhaltes/Drogenbedarfs‘ (vgl. 4.5.1)

In der aktuellen Alltagspraxis kommt der Deckung des Drogenbedarfs zumeist absolute Finanzierungspriorität zu: Die Drogenausgaben übersteigen die Ausgaben zur Deckung des Lebensunterhaltes um etwa das Dreifache. Die durchschnittlichen Ausgaben für Drogen betragen pro Tag etwa DM 111,-; ein Wert der deutlich unterhalb landläufiger (massenmedial geprägter) Vorstellungen angesiedelt ist. Bemerkenswert ist weiterhin, daß ein großer Teil (44%) des Drogenbedarfs bargeldlos, im Tausch gegen Dienstleistungen im Rahmen von Prostitution oder ‚Drogengeschäften‘ (Vermittlung, Service-Machen etc.) gedeckt wird. Die Beschaffungsmuster basieren zumeist auf mehreren Einkommensquellen, von denen staatliche Unterstützungsleistungen eine zentrale Position einnehmen, um die sich andere – legale und illegale – Finanzierungsquellen ranken. Auffällig war, daß in der Teilstichprobe ‚Szenebefragung‘ eine höhere Bedeutung illegaler Einkommensquellen (primär: Drogengeschäfte) beobachtbar ist, was implizit auf einen höheren Grad sozialer Marginalisierung des direkt auf der Szene kontaktierten Personenkreises hindeutet.

Bez. der Drogenerwerbspraxis (vgl. 4.5.2) fiel vor allem auf, daß die seitens der Gesprächspartner berichtete Preis- und Qualitätsentwicklung von Heroin und Kokain auf einen konkurrierenden Heroin- und Kokainmarkt hindeutet – ein indirekter Hinweis auf die Bedeutungszunahme von Kokain und die damit einhergehende ‚Marktanpassung‘.

· Stichprobencharakteristika ‚Bedeutung der Szene‘ (vgl. 4.5.3)

Für das Gros der Interviewpartner hat die Szene einen zentralen Stellenwert innerhalb der Alltagspraxis – sei es aufgrund ihrer Bedeutung als ‚informeller Arbeitsmarkt‘ und/oder sozialer Bezugsraum und/oder Drogenerwerbsort oder einfach als Ausdruck mangelnder Aufenthalts- und Beschäftigungsalternativen. Auffällig war das nicht näher zu ergründende ‚Nähe-Distanz-Verhältnis‘ zum Sozialraum der offenen Drogenszene in den Teilstichproben: Insgesamt hat es den Anschein, als habe die Szene für die unmittelbar auf der Drogenszene kontaktierten Gesprächspartner eine (noch) höhere lebensweltliche Bedeutung.

· Stichprobencharakteristika ‚Kontaktintensität Drogenhilfe/Gesundheitsräume‘ (vgl. 4.5.4, 4.5.4.1)

Die absolute Mehrheit von 88% steht aktuell in Kontakt mit den diversen Drogenhilfeeinrichtungen in Frankfurt, wobei die Inanspruchnahme akzeptanzorientierter, niedrigschwellig konzipierter Angebote (primär: Spritzentausch, Konsum-, Aufenthaltsmöglichkeit etc.) im Vordergrund steht; zu 38% der unmittelbar auf der offenen Szene befragten Drogengebraucher ist aktuell ein täglicher Kontakt zum Drogenhilfesystem über das Substitutionsangebot hergestellt. Es trat eine teilstichprobenspezifische Unterschiedstendenz in Erscheinung, insofern im Hinblick auf die unmittelbar auf der Szene gebildete Stichprobe eine tendenziell größere Distanzhaltung – auf einem allerdings insgesamt niedrigen Niveau – gegenüber der Drogenhilfe festzustellen ist.

Bez. des Gesundheitsraumangebots ist festzuhalten, daß es offensichtlich – trotz einer erst kurzen Bestandsdauer – einen breiten Akzeptanzgrad innerhalb der Zielgruppe intravenöser Drogengebraucher erreicht hat: 90% haben einen Druckraum bisher mindestens einmal genutzt und 75% taten dies innerhalb der letzten Woche. Im Durchschnitt geben die Interviewpartner fünf- bis sechs Konsumsituationen innerhalb eines Druckraumes im Verlaufe der zurückliegenden Woche an. Dennoch geschieht der Konsum der Befragten noch vorrangig in der Öffentlichkeit. Die Zahl der berichteten öffentlichen Konsumsituationen liegt etwa viermal höher, als die Anzahl der in den Gesundheitsräumen durchgeführten Injektionen. Vor allem in der Teilstichprobe ‚Szenebefragung‘ wurde ein intensiver öffentlicher Drogengebrauch beobachtet, was augenscheinlich mit dem stärker kokainorientierten und damit durch kürzere Gebrauchsintervalle gekennzeichneten Drogengebrauchsmuster der unmittelbar auf der Szene kontaktierten Konsumenten zusammenhängt.

Fassen wir die Beobachtungen zur Nutzungsintensität der Drogenhilfe zusammen, so bleibt resümierend festzuhalten: Die Unterschiedlichkeit sowie die Vielzahl der angegebenen Kontaktmotive und vor allem auch die hohe durchschnittliche Kontaktintensität belegt, daß das differente Angebotsspektrum des kommunalen Drogenhilfesystems offensichtlich vitale Interessen und Bedürfnisse der (offenen Drogenszene) berührt. Die in den letzten Jahren fortschreitende Differenzierung des Angebotsspektrums hat der Drogenhilfe – so legt es das Antwortverhalten der Befragten nahe – offenbar zu einer hohen Präsenz im Tagesablauf und ‚Alltagsbewußtsein‘ der Drogenszene verholfen.

· Teilauswertung ‚Besucherstatistiken Gesundheitsräume‘

Die sich auf einen Beobachtungszeitraum von zwei Monaten stützende Analyse des Besucher-/Konsumaufkommens in den Gesundheitsräumen der Stadt Frankfurt zeigt, daß das Angebot bereits nach einer lediglich etwa sechsmonatigen Bestandsdauer eine intensive Nutzung und hohe – in Stoßzeiten die Kapazitäten übersteigende – Auslastung erfährt. Insgesamt wurden innerhalb von nur 61 Tagen (Juni-Juli ’95) über 10.000 Konsumsituationen registriert, von denen 24 (zwei von eintausend -entspricht einer Komplikationsrate von 0.2%) zu einer Überdosierung führten, wobei weitere Komplikationen (vor allem ein potentieller letaler Überdosierungsverlauf) durch die unmittelbar verfügbare Hilfestellung/medizinische Behandlung – im Gegensatz zum Gefahrenpotential des Drogennotfallgeschehens in sozialräumlicher Abgeschiedenheit (allein, in Hinterhöfen, öffentlichen Bedürfnisanstalten etc.) – vermieden werden konnten. Hervorzuheben ist, daß die Nutzungsintensität der Einrichtungen offensichtlich in Abhängigkeit von ihrem Standort, ihrer Nähe zu Drogengebrauchskonzentrationen steht.

Bündeln wir die in der Gesamtstudie gemachten Beobachtungen zur Nutzungsintensität der Gesundheitsräume, so drängt sich der Schluß auf, daß eine weitere, nachhaltig spürbare Entlastung des öffentlichen Raumes vom Konsumgeschehen wohl nur erwartbar ist, wenn das offensichtliche Mißverhältnis von Angebotskapazitäten und Bedarfsumfang reduziert wird. Auch deutet sich an, daß eine inhaltlich-konzeptionelle Umgestaltung geboten scheint, um eine verbesserte Passung von Angebotsstruktur und (sich ändernden) Drogenumgangsformen (zentrales Stichwort: Kokainbedeutungszunahme) sowie Lebensbedingungen (zentrales Stichwort: Obdachlosigkeit) der im Zielfokus stehenden Gebrauchergruppe zu erreichen. Zudem sollte bei der weiteren Entwicklung des Druckraumangebots immer auch bedacht werden, daß Drogengebrauch nicht nur als Ausgleich eines entzugsauslösenden Mangelzustandes zu begreifen ist: In der Intention, einen weitestgehend umfassenden Angebotszuspruch innerhalb der Zielgruppe zu initiieren, sollte immer auch die Genuß- und soziale Komponente des Drogenkonsums bei der Angebotskonzeption berücksichtigt werden (in diesem Kontext: Trautmann 1995, 218).

 

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Anmerkung: MW = Mittelwert / c2 = Chi-Quadrat

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