Georg Weber und Wolfgang Schneider: Herauswachsen aus der Sucht illegaler Drogen¹ – Selbstheilung, kontrollierter Gebrauch und therapiegestützter Ausstieg

HERAUSWACHSEN AUS DER SUCHT ILLEGALER DROGEN¹
Selbstheilung, kontrollierter Gebrauch und therapiegestützter Ausstieg
– Ein Resümee –
(Eine
Zusammenfassung der ersten deutschen Studie zum Phänomenkreis eines autonom kontrollierten Gebrauchs illegalisierter Drogen wie Heroin und Kokain

©Georg Weber und Wolfgang Schneider³

Münster 1992

Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Institut für Soziologie/Sozialpädagogik i.G.

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¹ Das Forschungsprojekt mit dem Arbeitstitel „Herauswachsen aus der Sucht“ wurde hauptsächlich durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, das Ministerium für Wissenschaft und Forschung NRW und das Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit vom 1.6.1989 bis 31.5.1991 gefördert. Mitarbeiter waren: U. Kemmesies, R. Gerlach, St. Engemann, W. Haves, M. Wulfert und H. Zurhold.

² Der Abschlußbericht ist als Band 14 der INDRO-Buchreihe erhältlich.

³ Der Text wurde vollständig eingescannt. Wir bitten daher um Ihre Nachsicht bei evtl. auftretenden Recht-
….schreibfehlern.

Nachfragen bzgl. des Forschungsprojektes bitte richten an:

Dr. Wolfgang Schneider
INDRO e.V.
Bremer Platz 18-20
D-48155 Münster
Fon: +49 (0)251 60123
Fax: +49 (0)251 666580
Email: Schneiderindro@aol.com


Inhaltsverzeichnis:

 

1. Projektspezifische Arbeitsdefinition

2. Methodik

3. Datenerhebung und Zugang

4. Interviewerhebung und Auswertungsverfahren

5. Ergebnisse

5.1 Selbstinitiierter, privatorganisierter und umweltgestützter Ausstiegsprozeß

5.2 Selbst- oder fremdinitiierter institutionsgesteuerter Ausstiegsprozeß

5.3 Autonom kontrollierter oder substitutiver Gebrauch illegaler Drogen

6. Ausstiegsphasen

7. Praktische Konsequenzen

8. Drogenpolitische Konsequenzen

9. Literaturverzeichnis

 

 

 

1. Projektspezifische Arbeitsdefinition

Forschungsarbeiten zum selbstgesteuerten, nicht therapiebezogenen Ausstieg aus der Drogenbindung sind in der Bundesrepublik äußerst rar (siehe: FORSCHUNGSPROJEKT SELBSTHEILER 1989, 1990). Bedingungen und Erscheinungen von „Selbstheilungsprozessen“ aus der Subjektperspektive, d.h. unmittelbar Betroffener, sind bisher kaum erforscht, geschweige denn für praktische Konsequenzen fruchtbar gemacht worden. Nach wie vor unaufgeklärt ist außerdem der vermutlich moderierende Effekt personaler, sozialer und materieller Ressourcen bei der selbstgesteuerten Überwindung des Abhängigkeitsstatus. Vorhandene Forschungsergebnisse zum Ausstieg aus der Sucht basieren durchweg auf Stichproben institutionell betreuter Personen, sie können deshalb auch nur therapeutische Effekte beschreiben (vgl. u.a. PROJEKTGRUPPE RAUSCHMITTELFRAGEN 1989,1991).

Auch im Blick auf Forschungen über Möglichkeiten eines kontrollierten, nicht zwanghaften und regelorientierten Gebrauchs illegaler Drogen (Heroin, Kokain, Polamidon, Cannabis) müssen wir Fehlanzeige konstatieren. Zwar findet man in der deutschen Literatur sporadisch Hinweise auf einen sozialintegrierten und kontrollierten Gebrauch illegaler Drogen (vgl. SCHLÖMER 1986, 9 1 ff.; BRAGA 1987, 25ff.; FORSCHUNGSPROJEKT SELBSTHEILER 1990, 8ff.), doch für die Bundesrepublik sucht man nach konkreten und fundierten Untersuchungsergebnissen vergeblich. Dieses Manko ist nicht zuletzt auf den bisher kaum gelungenen Zugang zur privaten Drogenszene zurückzuführen. „Selbstheiler“ und autonom kontrollierte Gebraucher halten sich bekanntlich nicht in Reichweite offizieller Drogenhilfe auf. Doch eine einschlägige Dunkelfeldforschung ist in der BRD bis heute nicht zu erkennen. Wir haben mit unserem Forschungsprojekt versucht, in diese terra incognita vorzustoßen. Erstmals wurden hier Forschungszugänge zu den sensiblen privaten Bereichen von „Selbstheilern“ und autonom kontrollierten Gebrauchern illegaler Drogen angestrebt und gefunden. Dabei interessierte uns nicht die Aufklärung öffentlicher Mutmaßungen zur „Dunkelziffer“ noch die Befriedigung voyeuristischer Bedürfnisse oder gar „die unbekannten Abhängigen endlich besser zu erreichen“ (KINDERMANN 1989, 24). Unser Forschungsinteresse war vielmehr, die „Innenseite“ selbstinitiierter Ausstiegsversuche aus der Drogenbindung und Prozesse danach sowie selbstgesteuerte Gebrauchsmuster aus der Sicht der Betroffenen zu erfassen und zu analysieren. Über diesen Weg vermuteten wir wenigstens einige Mythen zur „Drogenabhängigkeit“ in der Drogenforschung und Drogenarbeit plausibel relativieren zu können. Dabei gingen wir davon aus, daß ein derartiger, äußerst aufwendiger Versuch nicht nur neue Einsichten in die Drogenproblematik zeitigen, sondern auch neue „bedürfnisgerechte“ Perspektiven für den Umgang mit ihr bieten würde.

Als Adressat unseres Forschungsprojektes wählten wir die in der Drogenforschung vernachlässigte Gruppe von institutionell unbetreuten Konsumenten illegaler Drogen. Eine „Teilmenge“ davon – so war unsere Annahme – kann als „Selbstheiler“ oder sich selbst kontrollierende Gebraucher illegaler Drogen bezeichnet werden. Gelungene Ausstiegs- versuche ohne überwiegende professionelle Betreuung – dies ist seltsam genug – werden oft mit medizinisch gefärbten Begriffen wie „Selbstheilung“ (u.a. FORSCHUNGSPROJEKT SELBSTHEILER), „Spontanremission“ (STALL/BIERNACKI 1986), „Autoremission“ (KLINGEMANN 1990) oder „natural recovery“ (BIERNACKI 1986) belegt. Da aber ein Ausstieg aus der ausschließlich drogenbezogenen Lebensführung durch vielfältige Bedingungen vorbereitet und mitgestaltet wird, also kaum „spontan“ oder gar „natürlich“, quasi als ein „Münchhausenakt“, geschieht, sprechen wir vom selbstinitiierten, privatorganisierten und umweltgestützten Ausstiegsprozeß aus dem Status des „kompulsiven“‚ Drogengebrauchs (vgl. ZINBERG 1984) ohne überwiegende professionelle Betreuung (Unter kompulsivem Drogengebrauch verstehen wir – in Anlehnung an ZINBERG (1984) – zwanghafte und exzessiv ausgelegte Gebrauchsmuster. Hier handelt es sich um einen sozial auffälligen Drogengebrauch, wobei die Drogenbeschaffung den Tagesablauf des Users strukturiert und der Konsum vorwiegend der Vermeidung von Entzugssymptomen dient. Vorherrschend ist in dieser Gruppe ein polyvalenter Drogengebrauch). Das Gesagte impliziert, daß sich unsere avisierten Personen im Prozeß der selbstbezogenen Ablösung befinden mußten, sie also seit mehreren Monaten keine Opiate oder Kokain gebraucht oder schon seit mehr als einem Jahr opiat- oder kokainfrei gelebt hatten. Unter professioneller Betreuung verstehen wir drogenspezifische institutionelle Angebote, die von geschultem und spe- ziell ausgebildetem Personal gemacht werden. Die erwähnten selbstinitiierten Ausstiegsprozesse können auch autonom kontrollierte („occasional use“ oder „chipping“, vgl. CRAWFORD et al 1983, 705f.; ZINBERG 1984, 135ff.) und risikobewußte Gebrauchsformen als Entwicklungspunkte einschließen. Kurzfristige Entgiftungsmaßnahmen oder auflagenbedingte Kurzkontakte zu professionellen Hilfseinrichtungen sind ebenfalls darin enthalten, da derartige Kontakte aufgrund der Illegalität des Drogengebrauchs und der daraus resultierenden Verfolgungspraxis für einen Drogenabhängigen kaum vermeidbar sind.

In diesen Kontext gehört auch die schon ältere „Maturing-Out“-These, die erstmals von WINICK (1962, 1ff.) formuliert wurde. Kurz gefaßt besagt sie: Kompulsive Drogengebraucher tendieren quasi naturwüchsig mit zunehmendem Alter dazu, über „Reifungsprozesse“ aus ihrem Abhängigkeits- status herauszuwachsen (vgl. auch BRECHT et al 1987, 55ff.). Da diese These nur anhand des Kriteriums der Legalbewährung validiert werden kann, sie sich also ausschließlich auf kriminalstatistische Erhebungsdaten (vgl. etwa: LANGE 1986,112ff.) stützen muß, war es bis dato nicht möglich, „Maturing-Out-Prozesse“ im lebensgeschichtlichen Kontext zu verfolgen und damit auch die Ausstiegsmotive und die diese unterstützenden personalen und sozialen Ressourcen subjektbezogen zu erfassen.

Wir gingen davon aus, daß ein überwiegend autonom durchgeführter, privat- organisierter und umweltgestützter Ausstieg aus dem Status des kompulsiven Drogengebrauchs bzw. der Übergang zu einem kontrollierten Konsummuster als ein dynamischer und zeitintensiver Prozeß verstanden werden muß. Zusätzlich nahmen wir an, daß dieser Prozeß durch vielschichtige und unterschiedliche Bedingungskonstellationen ausgelöst und mitbestimmt wird (vgl. auch: BLACKWELL 1983).

Unter kontrolliertem Gebrauch illegaler Drogen verstehen wir eine bewußte und autonom eingeleitete „relativ“ stabile Gebrauchsvariante, die eine explizit drogenbezogene Lebensführung ausschließt. Dies bedeutet: Kontrollierte Gebrauchsformen müssen mit funktionalen Alltagsanforderungen und konventionellen Lebensbezügen (vgl. den Driftstatus bei BLACKWELL 1983, 222f.) vereinbar sein. Kontrollierter Gebrauch wurde also von uns eindeutig vom ausschließlich kompulsiven Gebrauch illegaler Drogen abgegrenzt. Zum kontrollierten Gebrauch zählen wir auch medikamentengestützte Drogengebraucher, die sich zum einen quasi „selbst“ substituierten, d.h. über mehr oder weniger „graue“ Substitutionsmöglichkeiten verfügten, oder sich zum anderen in staatlich kontrollierten Methadonprogrammen befanden.

Unser Ziel war es, Personen innerhalb der privaten Drogenszene zu finden, die sich selbst als kontrollierte Gebraucher definierten. Es galt herauszufinden, wie sie es geschafft haben, kontrollierten Gebrauch stabil zu halten, keine physische Abhängigkeit zu verspüren und kein ausschließlich als „Junkie“ ausgelegtes Selbstkonzept zu entwerfen. Eine relative Verhaltensstabilität bezüglich eines kontrollierten Gebrauchs konnten wir selbstverständlich nur aufgrund der Selbstzuschreibung und der zeitlichen Dauer von zwei Jahren unserer Untersuchung eruieren. Von dieser Grenze her gesehen, waren „allgemeingültige“ Aussagen über „den“ kontrollierten Gebrauch nicht zu erwarten. Dies trifft allerdings auch auf andernorts gemachte sog. Erfolgsmessungen posttherapeutischer Verlaufsmuster zu. Erweiterte Längsschnittstudien von längerer Dauer wären hier angebracht.

Eines unserer Teilziele bestand darin, eine exemplarische Prozeßbeschreibung biographischer Entwicklungslinien bezüglich der regelorientierten Kontrolle differenter Drogengebrauchsmuster und der Bedeutung eines mit dem jeweiligen Drogengebrauch verbundenen Setting zu liefern, etwa durch die Erfassung bewußter, (sub-) kulturell gestützter Risikoeinschätzungen. Unter risikobewußten Gebrauchsformen verstehen wir nicht nur die Nicht- benutzung gebrauchter Spritzbestecke, sondern auch die rationale Taxierung von Applikationsweisen wie Rauchen, Chineesen – chasing the dragon -, Sniefen, von Dosisbeschränkung, Gebrauchshäufigkeit, selbstinitiierten Cleanphasen nebst nicht zielgerichtetem, szeneorientiertem Aufsuchen von Gebrauchsgelegenheiten. Die Erfassung solcher „Sozialcharakteristika“ und Regulierungsmechanismen aus der Subjektperspektive und deren Relevanzeinschätzungen bildete einen wesentlichen Teil unserer Studie.

Da wir an der Entdeckung und Strukturierung unterschiedlicher Drogenentwicklungsverläufe im lebensgeschichtlichen Gesamtzusammenhang interessiert waren, war logischerweise eine Vorabselektion unserer Adressaten nach phasenspezifischen Verhaltensänderungen nicht möglich. Unser besonderes Forschungsinteresse galt ja gerade den phasenspezifischen Übergangswegen. Hauptziel unserer Untersuchung war – pointiert zusammengefaßt – die Exploration, Dokumentation und Analyse des komplexen Geflechts von Auslösebedingungen, Verlaufsformen, Stabilisierungs- und Destabilisierungsfaktoren bei der Entwicklung eines kontrollierten, regelorientierten Gebrauchs illegaler Drogen und beim selbstinitiierten, privatorganisierten und umweltgestützten Ausstieg aus dem Status des kompulsiven Drogengebrauchs.

In der Absicht, lebensgeschichtliche Vergleichsmöglichkeiten zu haben, bezogen wir in unsere Untersuchung Drogengebraucher mit ein, die sich mit professioneller Hilfe von ihrem kompulsiven Gebrauch zu befreien suchten oder sich als Auflagenklienten (§ 35 ff BtmG; § 64 StGB) in Therapie befanden. Sie fungieren also in unserer Studie als Vergleichsgruppe. Die freiwillige Aufnahme einer Langzeittherapie definieren wir als einen selbstinitiierten, institutionsgesteuerten Ausstiegsversuch. Eine auflagenbedingte Therapieaufnahme begreifen wir hingegen als einen fremdinitiierten, justitiell bedingten Ausstiegsversuch, wobei die Entwicklungsmöglichkeiten jeweils „offen“ bleiben und zu verschiedenen Resultaten fuhren können. Auf diese Weise wurde eine vergleichende Analyse der Bedingungen verschiedener Ausstiegs- und Cleanphasen möglich. Durch einen biographischen und grupplichen Vergleich konnten die unterschiedlichen Auslösebedingungen für Abstinenzanläufe erfaßt und für unser Praxismodell akzeptierender Drogenarbeit fruchtbar gemacht werden.

 

2. Methodik

Das Fundament unserer Untersuchung bildet eine längsschnittlich angelegte, biographisch orientierte Interviewerhebung mit Personen der oben erwähnten drei Gruppen:

– therapiebereite Drogengebraucher (fremd- oder selbstinitiierte Aus- ..steiger),
– Selbstaussteiger ohne therapeutische Intervention,
– autonom kontrollierte und substitutive Gebraucher illegaler Drogen.

Aus unseren Ergebnissen, die wir nach der Darstellung unseres empirischen und analytischen Zugangs präsentieren werden, sind keine repräsentativen oder generalisierenden Aussagen ableitbar. Die Gründe liegen auf der Hand: notwendiger selektiver Zugang, Stichwort Dunkelfeld, Forschungs- mittelbegrenzung auf zwei Jahre und qualitative Auswertung unter Berücksichtigung der „subjektiven Sicht“. Angestrebt wurde, Varianten lebensgeschichtlicher und drogaler Entwicklungsverläufe hinsichtlich einer „typischen Repräsentanz“ (LAMNEK 1988, 176) zu dokumentieren und analytisch aufzuarbeiten. Der Forschungsprozeß war so strukturiert, daß in ihm die Drogengebrauchsentwicklung als Phasenspezifik im biographischen Kontext sowohl retrospektiv als auch prospektiv identifiziert und erhoben werden konnte. Veränderungen hinsichtlich der Auseinandersetzung mit der eigenen Drogenbiographie, der aktuellen Lebenssituation sowie des Drogengebrauchsstatus waren ermittelbar. Die kontinuierliche Begleitung und die Durchführung mehrmaliger Interviews erlaubten es, moderierende Effekte zwischen dem individuellen Verarbeitungsstil unserer Zielgruppen und dem Unterstützungspotential beim Ausstieg aus dem Status des kompul- siven Drogengebrauchs oder bei der Entwicklung von Kontrollregeln für einen risikobewußten Drogengebrauch multi-perspektivisch zu erfassen. Damit wurde der Prozeßstruktur und den vielschichtigen differentiellen Faktoren, sowohl bei der Konstituierung eines kontrollierten Gebrauchs von Heroin, Kokain und Polamidon als auch bei der Überwindung eines kompulsiven Gebrauchs mit und ohne professionelle Intervention, Rechnung getragen.
Abschließend läßt sich – in komprimierter Form – unser Forschungs- und Erkenntnisinteresse für unsere Längsschnittstudie formulieren:
Mögliche Phasenverlaufsmuster des nicht endemischen Drogengebrauchs sollten in ihrer Dynamik, d.h. im Kontext lebensweltlicher und biographischer Erfahrungs- und Handlungsprozesse aus der Subjektperspektive im Längsschnitt analytisch nachgezeichnet werden. Hierbei unterschieden wir folgende Phasen:

– Einstieg in den Gebrauch „weicher“ und „harter“ Drogen,

– Konstituierung kompulsiver Gebrauchsformen,

– Driftings,

– Konstituierung risikobewußter, kontrollierter Gebrauchsformen,

– selbstinitiierte, privatorganisierte oder institutionsgesteuerte, ..medikamentengestützte Stabilisierungsphase,

– selbstinitiierte, institutionsgesteuerte Ausstiegsphase (freiwillig),

– fremdinitiierte, institutionsgesteuerte Ausstiegsphase (Auflagen),

– selbstinitiierte, justitiell bedingte Ausstiegsphase,

– fremdinitiierte, justitiell bedingte Ausstiegsphase,

– selbstinitiierte, privatorganisierte und umweltgestützte Ausstiegsphase.

Neben der phasenspezifischen Rekonstruktion unterschiedlicher Drogengebrauchsverläufe und Ausstiegsprozesse zielte unsere Analyse auf einen kontrastiven Gruppenvergleich in folgenden Dimensionen:

– strukturelle und inhaltliche Hintergrundbedingungen (biographischer ..Entwicklungsverlauf und aktuelle Lebenssituation als Interferenzen ..zwischen der Drogenkarriere und anderen Erfahrungskarrieren),

– psycho-soziale Bedeutungen des Drogengebrauchs im Rahmen der ..subjektiven Drogengebrauchsmotivzuschreibungen (Einstiegs- und ..Ausstiegsmotive, subjektive Drogengebrauchstheorie),

– personale und soziale Ressourcen (soziale Stützsysteme),

– Bewältigungsstrategien, Ursachenzuschreibungen, lebensgeschichtliche ..Deutungen und Zukunftsorientierungen.

Von einem kontrastiven Gruppenvergleich erwarteten wir wichtige Hinweise für innovative Maßnahmen im Bereich bedürfnisgerechter, sekundärer Prävention, aber auch im Bereich akzeptierender, nicht am Abstinenzparadigma orientierter Drogenarbeit als mögliche Unterstützung von selbstinitiierten Ausstiegsversuchen oder Risikoverringerung beim Gebrauch von Kokain und Heroin. Unser Forschungs-Praxisprojekt stellte also von vornherein nicht auf wissenschaftliche Erkenntnisse um ihrer selbst willen ab, sondern intendierte gleichzeitig und gleichgewichtig die Entwicklung innovativer Handlungsalternativen innerhalb der praktischen Drogenarbeit.

 

3. Datenerhebung und Zugang

Die Zielsetzung unserer Untersuchung erforderte eine Kombination von qualitativen Erhebungsmethoden, Arrangements im privaten Bereich und in der Drogenszene mit Hilfe äußerst sensibler Methoden offener Feldforschungsarbeit. Derartige Methoden konnten nur in aufsuchender Arbeit vor Ort greifen. Wichtig waren dabei spezielle Qualifikationen der Feldforscher. Nur Mitarbeiter, die Vertrauen, Identifikation mit und Distanz zu den Untersuchungsgruppen herstellen konnten, kamen in Frage. Sie sollten in der Lage sein, die Selbst- und Weltsicht unserer Untersuchungsgruppen in Erfahrung zu bringen, ohne dabei selbst einem Prozeß des „going native“ zu unterliegen (zum Problem der „Verkafferung“ vgl. ausführlich: REICHERTZ 1989, 84ff.; GIRTLER 1989, 103ff.). Trotz der genannten Kautelen blieb der „Intensitätsgrad der Teilnahme am Feldgeschehen“ (HONER 1989, 301) ein schwieriger Balanceakt. Über formelle wöchentliche „Round-Table-Gespräche“ der Mitarbeiter konnten praxisbezogene Probleme bewältigt und Nähe und Distanz ins Gleichgewicht gebracht werden. Unser Zugang, von uns in Teilaspekten auch als miterlebende Beobachtung bezeichnet, bedurfte teilweise einer längeren kontinuierlichen Begleitung unserer Kontaktpersonen. Vereinbarungen über den Ort der Kontakte, die Kontakthäufigkeit und deren zeitliche Erstreckung wurden im Forschungsverlauf personenbezogen abgestimmt. Da unser Zugang lebensraumorientiert war, mußten wir an allen möglichen Situationen (z.B. Freizeitaktivitäten) teilnehmen und mitwirken. Nicht unerheblich war dabei die Beherrschung der „Subkultursprache“. Durch diverse Vorerfahrungen der Forschungsgruppe innerhalb der Drogenszene oder im Drogenhilfesystem gab es kaum „Sprachprobleme“.

Der Zugang zu privaten Bereichen unserer Adressaten bildete einen neuralgischen Punkt im Forschungsprojekt. Unauffällige oder weitgehend sozial-integrierte Opiat- und Kokaingebraucher sowie Selbstaussteiger halten sich bekanntlich nicht in Reichweite offizieller Hilfseinrichtungen auf und sind auch in der öffentlichen Drogenszene kaum anzutreffen. Außerdem sind sie „diskreditierbare Personen“ (GOFFMAN 1980, 56). Als solche haben sie spezifische Verhaltenstechniken entwickelt, um ihr potentielles Stigma „Drogenabhängigkeit“ zu verbergen und diskriminierenden Definitionen durch soziale Kontrollinstanzen zu entgehen.

Aus diesen Gründen mußte unser Zugang behutsam, d.h. ohne Nachteile für die Gesprächswilligen gestaltet werden. Bedenken hinsichtlich der Preisgabe „sensibler“ biographischer Daten konnten wir durch radikale Offenlegung unserer Forschungsziele zerstreuen. Jeder Gesprächspartner durfte für sich einen Code-Namen erfinden. Wir versprachen darüber hinaus, alle Daten, die zu einer Identifikation der Person hätten führen können, aus den Interviewtexten zu tilgen oder zu verfremden. Auf Wunsch gewährten wir unseren Interviewpartnern Einsicht in die transkribierten Interviewtexte oder stellten sie ihnen zur Verfügung. Derartige Kautelen schafften Vertrauen und den Erstzutritt über ausschließlich private Kontakte.

Um uns Anschlußzugänge zu erschließen, wurde das Schneeballsystem oder die Mund-zu-Mund-Propaganda angewandt. Kontakte wurden in privaten und anonym-öffentlichen Bereichen wie Diskotheken, Kneipen, alternativen Caf6s, öffentlichen und privaten Treffpunkten, Jugendzentren geknüpft. Das Schneeballverfahren erwies sich als eine gute Methode des „active case finding“. Es gelang den Projektmitarbeitern, über Erstkontakte bzw. Erstinterviews vertrauliche Informationen über weitere relevante Zielpersonen zu erhalten. Die Kontaktierung solcher Zielpersonen erhöhte wiederum die Chance, neue Kontakte aufzunehmen. In Anlehnung an BIERNACKI 1986 und KAPLAN/KORF/STERK 1987 wurden diese Primärkontaktpersonen als „respondent assistants“ dem Forschungsprojekt angeschlossen. Durch diese „Forschungsassistenten“, d.h. die Einbeziehung von „Experten“ aus dem ersten Kreis von Interviewpartnern, wurde es möglich,

– „ergiebige Verweisketten“ („Chain-Referell-Sampling“ BIERNACKI 1986, ..201) auszulösen, d.h. mögliche neue Interviewpartner, die sich selbst ..als Selbstaussteiger und kontrollierte Gebraucher definierten, zu ..rekrutieren,

– die Offenheit, Kommunikativität und Lebensweltlichkeit unseres Zugangs ..zu garantieren und

– in Zusammenarbeit dieser „key-locators“ (KLINGEMANN 1988, 12) bzw. ..„indigenous data gatheres“ (ZINBERG 1984, 66) mit den ..Projektmitarbeitern eine zeitlich kontinuierliche Strukturierung und ..Steuerung des Forschungsablaufs zu gestalten.

Weiterhin konnten massenmediale Zugänge erschlossen werden. Konkret: Kontaktpersonen wurden über diversifizierte Anzeigen, öffentliche Aushänge und durch Verteilung von Faltblättern angesprochen. Der Zugang zu Personen unserer Vergleichsgruppe, also zu denjenigen, die freiwillig einen therapiebezogenen Ausstiegsversuch unternahmen oder sich – auflagenbedingt – in Therapie befanden, erreichten wir mehrheitlich über eine Drogentherapieeinrichtung in NRW. Dies geschah aus arbeitsökono- mischen Gründen. Die kontinuierlichen Kontakte zu dieser Einrichtung erforderte sehr aufwendige Kontaktvorbereitungen- und -pflege. So stellten wir unser Forschungsprojekt den therapeutischen Mitarbeitern und den Klienten mehrmals vor. Unser Ziel im Blick auf die Klientel war die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses, um unter ihnen freiwillig motivierte Interviewpartner zu gewinnen. Zur Verfügung stellten sich besonders hoch motivierte therapiebereite Drogengebraucher. Eine Rückkopplung der Interviewinhalte an die Therapeuten wurde von vornherein ausgeschlossen. Ohne die verständnisvolle und engagierte Mitarbeit beider Gruppen, wäre die Forschungsarbeit an diesem Punkt gescheitert.

Da ein wesentliches Ziel unseres Forschungprojektes die Entwicklung eines alternativen Drogenarbeitsmodells war, ergab sich daraus die Notwendigkeit, nicht nur „Datenerhebung“ im klassischen Sinne zu betreiben, sondern daneben ein eigenes Modell drogenspezifischer Arbeit zu konzipieren und zu erproben. Orientierungen an drogenspezifischen Betreuungsangeboten traditioneller Art wurden in unserem Fall eher als hinderlich denn dienlich angesehen, da ihre Zugangsschwellen wie absolute Drogenfreiheit, eindeutige ‚Therapiemotivation und Leidensdruck oft zu hoch und ihre bürokratischen Strukturen wenig einladend sind. Aus diesen Gründen richteten wir mit Unterstützung des Liegenschaftsamtes und der Universität Münster ein Kontaktcafé außerhalb des universitären Bereichs ein. Bei dessen Einrichtung gingen wir davon aus, es als Basis für die Weiterentwicklung von modellhaften Hilfsplanungen im Sinne niedrigschwellig und akzeptierend angelegter Drogengebrauchsbegleitung ohne therapeutischen Anspruch auszubauen. Zusätzlich aber war uns das Kontaktcafé für die Interviews von Nutzen.

Unser „Kontaktladen“ sollte einer optimalen Kontaktanbahnung, -erhaltung und -pflege mit unseren Zielgruppen dienen und eine Brücke zu kooperierenden Drogenhilfseinrichtungen bilden. Nicht ausgeschlossen sollte dabei Krisenintervention sein. Bald zeigte sich, daß Hilfestellungen in drogenunspezifischen und drogenspezifischen Problemsituationen unumgänglich waren. In vielen Fällen konnten wir erst notwendige Hilfsangebote selbst bereitstellen oder vermitteln.

Im folgenden werden wir nun unser Interviewverfahren beschreiben. Dies impliziert die methodische Abklärung und Darstellung der durchgeführten narrativ orientierten und fokussierten Interviews. Daran anschließend werden wir unser Auswertungsverfahren der exemplarischen Deskription darlegen.

 

 


4. Interviewerhebung und Auswertungsverfahren

Zur Informationssammlung für die verstehende Rekonstruktion von Drogenentwicklungsphasen im lebensgeschichtlichen Kontext eignet sich am besten das qualitative Interview. Es ermöglicht den Interviewpartnern, sich umfassend darzustellen und eröffnet durch gesprächsimmanente Nachfragen Chancen, Inhalte zu vertiefen und neu auftauchende Themenbereiche flexibel aufzugreifen. Dadurch wird es möglich, die alltäglichen Handlungszusammenhänge aus der Sicht der jeweiligen Interviewpartner kennenzulernen. Die Aufklärung des je individuellen Sinnverständnisses erschien uns nur möglich, wenn wir möglichst wenig vorstrukturierte Orientierungsschemata vorgaben, sie hätten unsere Adressaten von ihren persönlichen Relevanzstrukturen nur abgelenkt. Bei dem von uns eingesetzten Verfahren handelte es sich um ein offenes, längsschnittlich angelegtes Interview. Der empirische Zugang zur Subjektsicht unserer Zielpersonen gründete sich also auf die Methode und Konzeption des „narrativen Interviews“ (vgl. SCHÜTZE 1981. 1983, 1984; zusammenfassend etwa: WIEDEMANN 1986). Ziel narrativer Interviews ist es, möglichst nahe an ein Alltagsgespräch zu kommen und genauere, „authentische“ Informationen vom Interviewpartner mit besonderer Berücksichtigung seiner Perspektiven, seiner Bedürfnisse und seiner Weltsicht zu erlangen. Wir haben das narrative Interview in modifizierter Form als ein Informationsbeschaffungsinstrument gewählt und eingesetzt.

Da wir an der Dynamik von Drogenentwicklungsphasen im biographischen Kontext interessiert waren, zielte unsere Interviewstrategie auf Alltagstheorien, mit denen unsere Interviewpartner ihre eigenen biographischen und drogenbezogenen Entwicklungslinien und ihre eigene aktuelle soziale Lage interpretieren und begründen. Insofern kam für uns die Durchführung eines „reinen“ narrativen Interviews nicht in Frage. Im Gegensatz zu SCHÜTZE gingen wir in Anlehnung an STRAUB (1989) davon aus, daß lebensgeschichtliche Erzählungen nicht nur durch narrative Sprachformen konstituiert und dargestellt werden, sondern daß sich ein narrativer Text, in dem Biographisches zum Ausdruck kommt, auch nicht narrativer Sprachformen bedient.

„Sowohl deskriptive Elemente im engeren Sinne des Wortes als auch explikative und argumentative Elemente gehören zur Erzählung selbst, sie gehören zum sprachlichen Prozeß der Konstitution und der Darstellung von Geschichte(n)“ (STRAUB 1989, 147).

Erst diese Elemente machen eine lebensgeschichtliche Erzählung verständlich und nachvollziehbar. Demzufolge richteten wir unsere Interviewstrukturierung narrativ-orientiert und biographisch-argumentativ aus. Nachfragen wurden direkt textimmanent an bestimmte Erzählpassagen und Lebenslaufberichte und nicht erst im Anschluß an die Haupterzählphase als Rekurs auf schon länger zurückliegende Erzählphasen angeschlossen.

Wesentliche Prämissen für die Durchführung narrativ orientierter Interviews waren für uns:

– Das Interview mußte auf freiwilliger Basis geführt werden.

– Der Interviewpartner sollte zur Offenlegung seiner Lebensgeschichte ..selbst motiviert und auf keinen Fall fremdgesteuert sein.

– Die Anonymität des Interviewpartners mußte gesichert sein (Detailliert ..zu den Durchführungsmodalitäten vgl. unseren Schlußbericht).

Um im Sinne einer kommunikativen Sozialforschung zu lebensweltrelevanten Informationen zu gelangen, mußten wir uns an alltagsweltliche und drogenszenetypische Kommunikationsregeln halten. Die Verwendung sozialwissenschaftlicher Termini wurde vermieden, damit einerseits keine Prädetermination durch den Interviewer erfolgte und andererseits alltägliches Verstehen ermöglicht wurde. Da die zentrale Interviewmaxime „Offenheit“ lautete, wurde der aktuellen Biographiekonstruktion und -rekonstruktion im narrativ orientierten Interview kein „Leitfadenkorsett“ übergestülpt. Die Orientierung an einem ausgefeilten Interviewleitfaden hätte zum einen die Interviewer überfordert und zum anderen eine offene Gesprächsführung verhindert.

Vor jedem Interview wurden neben Einführungsgesprächen einige biographische Standarddaten wie Alter, Geschlecht, regionale Herkunft, Schulabschluß, eigene und elternbezogene Berufsqualifikation, Alter beim Beginn des legalen und illegalen Drogengebrauchs, aktuelle Arbeits- und Wohnsituation, gegenwärtiger Drogengebrauchsstatus mittels eines Kurzfragebogens erhoben, um durch die Abfrage dieser Daten im Interview den anschließenden Gesprächsfluß nicht unnötig zu hemmen.

Mindestens ein halbes Jahr nach dem ersten führten wir mit dem selben Personenkreis ein zweites Interview. Interviewtechnisch orientierten wir uns dabei an der Konzeption des „fokussierten Interviews“ (MERTON/KENDALL 1979, 171ff.; auch: HRON 1982, 128f.; LAMNEK 1989, 78ff.). Bei der Durchführung dieser fokussierten Interviews war wiederum das Prinzip „Offenheit“ ausschlaggebend, wobei selbstverständlich auch der narrative Charakter der Interviewdurchführung beibehalten wurde. Der Interviewte wurde hier zwar auf bestimmte Themen hingelenkt, konnte aber offen, ohne Antwortvorgaben auf Fragen reagieren. Hierbei wollten wir Veränderungen bzw. Stabilisierungen zum Zeitpunkt des Zweitinterviews personenbezogen in Erfahrung bringen. Eine präzise Themenstellung für die Zweitinterviews ergab sich erst im Laufe des Forschungsprojektes, d.h. nach einer ersten paraphrasierenden Aufarbeitung der bereits geführten narrativ-orientierten Erstinterviews. Die spezifisch inhaltliche Fokussierung zum Interviewzeitpunkt (t2) hatte zum Ziel, Entwicklung zu erfassen und längsschnittlich zu dokumentieren. Doch wie ließ sich diese Materialvielfalt auswerten?

Das von uns entwickelte Auswertungsverfahren läßt sich als Methode der exemplarischen Deskription begreifen. Darunter verstehen wir eine möglichst zuverlässige und präzise Darstellung und Interpretation der Merkmale von Objekten, Sachverhalten, Ereignissen und Handlungen, soweit diese in sprachlichen Symbolen repräsentiert sind. Ziel der exemplarischen Deskription als „qualitative Inhaltsanalyse“ (MAYRING 1991) war es, das Material inhaltlich so zu reduzieren und zu übersetzen, daß die Textimmanenz garantiert und die Perspektivität jedes einzelnen drogalen Biographieentwurfes erhalten blieb. Es galt „zwei Sprachspiele kompatibel zu machen“ (WINDOLF 1979, 61), ohne den Text überzuinterpre- tieren und damit den „Gegenstandsbezug“ aus den Augen zu verlieren. Mit diesem äußerst zeitintensiven Verfahren intendierten wir eine diskursive Konsensbildung im Forscherteam. Diskursive Konsensbildung wurde von uns als argumentative Geltungsbegründung verstanden. Nach der wortwörtlichen und vollständigen Transkription der einzelnen Interviews wurde im Forscherteam eine erste textnahe Paraphrase der Interviewtexte in einem diskursiven Interpretationsverfahren vorgenommen.

Immer noch im Rahmen der exemplarischen Deskription wurden sodann im Gruppenvergleich die einzelnen Narrationstexte nach einer drogalen Phasensequenzanalyse strukturiert. Eine derartige Bearbeitung des Materials ermöglichte die inhaltsorientierte Kondensierung bestimmter durch den Interviewpartner markierter Lebensbereiche und Handlungsabfolgen innerhalb der einzelnen Drogenverlaufsphasen. Diese subjektbezogenen Markierungen im Interview gaben uns dann über die Zuordnung von Orientierungskriterien Aufschlüsse, die dem Erkenntnisinteresse unseres Projektes entsprachen. Die Überprüfung der Kriterienzuordnung wurde im Gesamtforschungszeitraum permanent betrieben. Die Plausibilität und Glaubwürdigkeit der Rekonstruktionen subjektiver Sinn- und Deutungsstrukturen wurde durch die ständige komparative Analyse unserer Gruppierungen (maximale Kontrastierung) und innerhalb der Gruppen zwischen den einzelnen Forschungssubjekten (minimale Kontrastierung) gewährleistet.

Unser Auswertungsverfahren ermöglichte sowohl fallbezogene als auch gruppenorientierte Vergleiche im zeitlichen Verlauf. Konkret bezog sich unsere integrierte Auswertung bezog sich auf folgende vom Interviewpartner selbstthematisierte Lebens- und Themenbereiche zum Zeitpunkt des jeweiligen Interviews (t1 – t2):

– Drogengebrauchsentwicklung (Einstieg in die Phase des Gebrauches ..„weicher“ und „harter“ Drogen; Konstituierung kompulsiver ..Gebrauchsformen; Driftingphasen; Entzugs- und Cleanphasen; erneuter ..Drogengebrauch als „Rückfallepisoden“ oder „Rückfallperioden“; ..Opiatabstinenzphasen),

– Interferenzen zwischen drogenspezifischen und drogenunspezifischen ..Lebensbezügen/Lebensereignissen (biographisch bedeutsam ..Lebensereignisse; Bewältigungsstrategien),

– selbstinitiierter, privatorganisierter und umweltgestützter ..Ausstiegsprozeß aus dem Status des kompulsiven Drogengebrauchs ..(Einstiegs- und Ausstiegsmotive; Driftingphasen; Heroinabstinenz; ..Umgang mit „Cravings“; Unterstützungsformen und Bewältigungsstrategien; ..Integration in relativ drogenfreie Lebensbezüge),

– selbst- oder fremdinitiierte, institutionsgesteuerte Ausstiegsversuche ..(selbstinitiierte bzw. auflagenbedingte Ausstiegsmotive; ..Unterstützungsformen und Bewältigungsstrategien; institutionelle ..Stabilisierungsversuche),

– Regeln und Riten eines autonom kontrollierten Gebrauchs illegaler ..Drogen (Intensität des Drogengebrauchs: Frequenz(Quantität; ..Driftingphasen; Unterstützungsformen und Bewältigungsstrategien; ..Vereinbarkeit mit funktionalen Alltagsanforderungen; ..Kriminalisierungseffekte; bewußte Risikoabschätzung beim Drogengebrauch ..und der Applikationsweise sowie deren Umsetzung),

– psycho-soziale Bedeutung des Drogengebrauchs – subjektive Theorien ..bezüglich der Aufnahme des Drogengebrauchs,

– aktueller Drogengebrauchsstatus, Konsummotivation für die Zukunft, ..gegenwärtige Lebenssituation und Zukunftsperspektiven.

Die sozialwissenschaftlichen Kriterien mußten dabei aus dem Text emergieren und in ihn wiederum rückübersetzbar sein (Postulat der Adäquanz, d.h. Rückübersetzbarkeit wissenschaftlicher Konstrukte in die Alltagswirklichkeit – hier „Textwirklichkeit“, vgl. LENZ 1986, 131). Unser angewandtes Auswertungsverfahren kann als ein gegenstandsangemessenes, d.h. der Sicht unserer Adressaten gerecht werdendes und deren Alltagsnähe wahrendes Verfahren angesehen werden. Es ermöglicht, subjektiv konstruierte und zum Zeitpunkt des Interviews rekonstruierte Wirklichkeit der in ihren Lebensweiten handelnden Individuen in ihrer Kontext und Subjektabhängigkeit so authentisch wie möglich zu erfassen. Unsere Auswertungsstrategien zielten insgesamt auf

– die Formulierung differenzierter Individualprofile und exemplarischer ..Fallanalysen,

– die Herausarbeitung von Gruppenprofilen und auf

– einen kontrastiven Gruppenvergleich.

Darauf aufbauend, entwickelten wir induktiv ein theoretisches Modell von Ausstiegsverläufen und regelorientierten kontrollierten Gebrauchsformen. Dieses theoretische Modell versucht exemplarisch und typologisch, die jeweiligen Varianten der untersuchten Drogenentwicklungsverläufe im lebensgeschichtlichen Kontext darzustellen. Im kontrastiven Gruppenvergleich wurde mit Hilfe der aus den Primärmaterialien gewonnenen Kriterien das theoretische Modell entworfen. Dieser Entwurf erfolgte mittels Existentialaussagen im Sinne einer „typischen Repräsentanz“ (LAMNEK 1989, 384). Am Ende der theoretischen Auswertung standen also Prozeßmodelle von Lebensabläufen, ihrer Drogengebrauchsphasen, Bedingungen und Problembereichen und dies im Zusammenhang von Drogengebrauch, Individuum und Umfeldbedingungen („Drug, set and setting“, ZINBERG 1984).

Im Zusammenhang mit der Gesamtauswertung galt es darüber hinaus, eine alternative, facettenreiche Konzeptualisierung akzeptanzorientierter Drogenarbeit zu entwickeln. Dies geschah im Verbund mit der Auswertung der praktischen Anteile des Projekts (Kontaktladen) und den Praxiserfahrungen richtungweisender, niedrigschwellig orientierter Drogenhilfeeinrichtungen (nationale Modellprojekte, internationale Evaluationsforschungsergebnisse). Zu den einzelnen Themenbereichen wurden also mehrere Informationen aus verschiedenen Blickwinkeln eingeholt. Durch diese „maximale strukturelle Variation“ (KLEINING 1982, 236) der Perspektiven (die Sicht der Betroffenen, Praxiserfahrungen im eigenen Kontaktladen und Erfahrungen aus der Drogenhilfepraxis) wurde Verläßlichkeit und Reichweite hinsichtlich der Konzeption unseres betroffenenorientierten Handlungsmodells angestrebt.

Was realiter die Ergebnisse betrifft, so führten wir im Zeitraum von Juli 1989 bis Februar 1991 insgesamt 17 narrativ orientierte Interviews mit therapiebereiten Drogengebrauchern, 15 mit autonom kontrollierten Gebrauchern, 9 mit selbst oder staatlich kontrollierten, medikamenten- gestützten Opiatkonsumenten und 19 mit „Selbstaussteigern“ durch (n = 60). Die einzelnen Interviews fanden in Münster privat oder im Kontaktcafé bzw. an verschiedenen Orten in NRW im privaten Bereich statt. Ein Interview dauerte durchschnittlich 3 – 4 Stunden.

Soweit dies aus zugangstechnischen Gründen möglich war, wurde mit denselben Personen ein ausführliches Zweitinterview durchgeführt, wobei in der Auswertung die zeitliche Differenz zwischen den Interviewzeitpunkten (t1 – t2) genau festgehalten wurde. Schließlich standen für die Auswertung insgesamt 52 Zweitinterviews zur Verfügung.

Aufgrund einiger Probleme bei der Wiederauffindung einzelner Interview- partner, der zeitlichen Vorgabe, geringer personeller Ressourcen und des äußerst aufwendigen und beträchtliche Arbeitskraft und psychische Energie absorbierenden Aufbaus von Vertrauensbeziehungen mußten wir uns auf die Erhebungszeiträume t1 und t2 beschränken. Außerdem waren die Vereinbarung eines Interviewtermins, das Interview selbst und die notwendigen zusätzlichen Gespräche vor und nach einem Interview sehr zeitaufwendig und erforderten die „ganze“ persönliche Kraft und den Einsatz jedes einzelnen Mitarbeiters im Projektteam. Ferner mußte die manchmal notwendige An- und Rückreise als zusätzlicher Zeitfaktor einbezogen werden, nicht zu reden von Terminabsprachen, die aus verschiedenen Gründen nicht zustande kamen. Darüber hinaus implizierte unsere methodische Selbstverpflichtung bezüglich der Erstellung subjektbezogener Fallanalysen und Individualprofile einen ungeheuren Arbeitsaufwand. Die phasensequenzanalytische Strukturierung der narrativ orientierten und der fokussierten Interviews verschlang immense nicht vorhersehbare Zeiten. Die methodisch notwendige Beschränkung auf zwei Interviewzeitpunkte machte es jedoch möglich, die jeweiligen Zeiträume zwischen t1 und t2 beträchtlich zu erweitern. Von jedem einzelnen Interviewpartner erstellten wir einen biographischen Längsschnitt im Drogenentwicklungs- verlauf (Individualprofil und exemplarische Fallanalyse). Die unterschiedlichen Drogenentwicklungsverläufe wurden dann im Sinne des theoretical sampling nach Gruppen geordnet. Dieser Schritt erleichterte danach einen kontrastiven Vergleich.

 

 

5. Ergebnisse

Angesichts der erheblichen Unterschiede und Vielfältigkeiten individueller Entwicklungsmuster des Drogengebrauchs war es nicht leicht, die drogalen Entwicklungsverläufe typologisch zu ordnen. Unsere explorativen Prozeßanalysen bestätigen jedoch ohne Anspruch auf Generalisierung und eingedenk der Schwierigkeiten, die Typologisierungen stets kennzeichnen (mangelnde analytische Trennschärfe, Überlappungen, Vermischungen), folgende maximal kontrastierende Prozeßtypen (Gruppenprofile):

1. Selbstinitiierter, privatorganisierter und umweltgestützter Ausstiegsprozeß (Typ: Selbstaussteiger)

2. Selbst- oder fremdinitiierter, institutionsgesteuerter Ausstiegsprozeß (Typ: Therapiebereite)

3. Autonom kontrollierter oder substitutiver Gebrauch illegaler Drogen (Typ: Kontrollierte Gebraucher).

Da Drogengebrauch als ein „qualitativ heterogenes Phänomen“ (LENZ 1990, 124) anzusehen ist, bezieht sich die folgende empirisch fundierte theoretische Verdichtung auf globale Entwicklungs- bzw. Handlungstypen, die differente Entwicklungspfade einschließen.

 

 

 

5.1 Selbstinitiierter, privatorganisierter und ….umweltgestützter Ausstiegsprozeß

Ein selbstgestalteter Ausstieg aus der ausschließlich drogenbezogenen Lebensführung wird durch vielfältige Bedingungen vorbereitet und mitgestaltet (szenetypische Lebensbedingungen, Ausstiegsmotive, Anknüpfungspunkte in nicht drogenbezogenen Lebenskontexten, Stützsysteme). Nach unseren Erkenntnissen kann der selbstinitiierte, privatorganisierte und umweltgestützte Ausstiegsprozeß als ein psycho-soziales Übergangsstadium begriffen werden. Unter den Bedingungen der kriminalisierten Alltagspraxis von Drogengebrauchern stellt der selbst eingeleitete Ausstiegsprozeß temporär besonders hohe, z.T. außergewöhnliche Anforderungen an das Bewältigungsvermögen. Dieser Transitus als Transformation von „eingelebten Zusammenhängen“ (WELZER 1990) verlangt Handlungskompetenz. Der Aussteiger ist nicht nur unbeteiligtes Objekt, sondern handelt im Prozeß des Übergangs selbst, gestaltet ihn und verändert darüber auch sich selbst. Hier wird schon andeutungsweise deutlich, daß die Rede vom selbstbezogenen Ausstiegsprozeß als „Spontanremission“ und deren Gleichsetzung mit „Autoremission“ nicht haltbar ist. Diese weitverbreitete, medizinisch stilisierte Annahme verkennt, daß es sich beim Ausstieg aus dem kompulsiven Drogengebrauch um eine Phase handelt, die sich nicht als Reaktion auf ein solipsistisch-dezisionistisches Ereignis interpretieren läßt. Ferner gerät mit dem Begriff „Selbstheilung“ die Bedeutung der sozialen Regulierung des Ausstiegs aus dem Blick, also die Nutzung und Wirksamkeit informeller, sozialer Unterstützungsquellen.

Nach unseren Ergebnissen ist der selbsteingeleitete Ausstieg ohne spätere professionelle Intervention als psycho-soziales Übergangsstadium in seinem Fortgang relativ offen. Folgende minimal kontrastierende Entwicklungsverläufe konnten wir für den Zeitraum der Etablierung der Ausstiegsphase (t0) und dem Zweitinterview (t2) ermitteln:

– ein relativ undramatisches, sukzessives Herauswachsen aus ..drogenspezifischen Lebenskontexten,

– eine „Entproblematisierung“ des kompulsiven Drogengebrauchs durch ..Etablierung kontrollierter Gebrauchsvarianten als Vorstufe oder Produkt ..des selbsteingeleiteten Ausstiegsprozesses,

– ein komplexerer „developmental-change“-Effekt differentieller und ..zeitintensiver Ausstiegssequenzen bis zur Stabilisierungsphase.

Unsere Ergebnisse zeigen darüber hinaus, daß beim selbsteingeleiteten Ausstiegsprozeß als ein möglicher Weg aus der Phase kompulsiven Drogengebrauchs privat und umweltgestützte Übergangsstadien einsetzen. Rock-Bottom-Erlebnisse (unter ‚Rock-Bottom-Erlebnissen“ verstehen wir einen subjektiv empfundenen Status psychosozialer und/oder physischer Verelendung innerhalb der Drogenentwicklung), Naked-Lunch-Erfahrungen (unter ‚Naked-Lunch-Erfahrungen“ verstehen wir Momente ‚totaler Selbstbewußtheit“, in denen Verlauf mögliche psychosoziale Kosten eines fortgesetzten Drogengebrauchs antizipiert werden), Angst vor weiterer oder antizipierter Verelendung und der Wunsch nach bewußter Umweltkontrolle machen ein unbeschwertes „Weitermachen wie bisher“ weitgehend unmöglich: Die Übergangsstadien erfordern Auseinandersetzung, Bewältigung und bringen ein verändertes Selbst hervor, kurz: sie sozialisieren. Als besonders wichtig erwies sich die Wirksamkeit personeller, materieller und ideeller Unterstützungsquellen für den selbstbezogenen Ausstiegsprozeß als Transition (zur näheren Differenzierung vgl. WEBER/SCHNEIDER 1992). Sie beeinflussen die Qualität des Übergangsprozesses, die Selbstwahrnehmung und die Entwicklung selbst.

 

 

5.2 Selbst- oder fremdinitiierter institutionsgesteuerter ….Ausstiegsprozeß

Ein weiterer Weg, kompulsiven Drogengebrauch zu überwinden, ist der eher klassisch zu nennende institutionsgesteuerte, therapiebezogene Ausstiegsprozeß. Die Aufnahme einer Therapie kann dabei selbst- oder fremdmotiviert sein. Eine fremdinitiierte Therapieaufnahme vollzieht sich meist über justitiellen Druck („Auflagenklienten“); sie ist extrinsisch motiviert. Nach unseren Ergebnissen ist dagegen ein selbsteingeleiteter, institutionsgesteuerter Ausstiegsversuch mehrheitlich durch Rock-Bottom-Erfahrungen und Schlüsselereignisse wie Schwangerschaft, HIV-Infizierung oder drohender Verlust des Sorgerechts für die Kinder motiviert. Zur Bewältigung steht außerhalb der Therapie meist keine adäquaten Handlungsalternativen und Unterstützungsquellen zur Verfügung. Das therapeutische Setting wird so zur Überlebenshilfe und erweist sich in vielen Fällen als materielles Stützsystem, das instrumentelle und selbstbewertende Unterstützung gewährte. Mitunter werden auch personelle Unterstützungsquellen wirksam. Unmittelbare Bezugspersonen wie Therapeuten, Sozialarbeiter und Mitaussteiger befriedigen oft das Bedürfnis nach emotionaler Anlehnung oder verhelfen zu einer besseren Selbsteinschätzung durch Unterstützung der Selbstbewertung.

Wie wir ermitteln konnten, bedeutet eine fremdinitiierte Therapieaufnahme (justitieller Zwang) nicht automatisch ein Scheitern des Ausstiegs- versuches, genauso wenig wie eine selbstinitiierte Behandlungsaufnahme „Erfolg“ garantiert. Nach unseren Ergebnissen kann ein institutions- gesteuerter Ausstiegsprozeß auch die Etablierung kontrollierter Gebrauchsmuster bei weitgehender sozialer Integration ebenso wie die erneute Entwicklung kompulsiver Gebrauchsformen zum Ergebnis haben. Wir können jedoch keine Aussagen dahingehend machen, ob eine fremdinitiierte Therapieaufnahme etwa durch justitiellen Zwang eine geringe Therapie- akzeptanz und damit ungünstige Voraussetzungen für eine Verhaltensmodi- fikation und für den Erwerb von drogenunspezifischen Fähigkeiten und Problemlösungsstrategien bewirkt. Unsere Ergebnisse zeigen aber, daß eine geringe Therapieakzeptanz sowohl bei selbstinitiierten als auch bei fremdinitiierten Therapieaufnahmen oft für einen erneuten Drogengebrauch ausschlaggebend ist. Ein „Rückfall“ während der Therapie ist jedoch nicht mit einer „Re-Addiction“ gleichzusetzen, d.h. er kann auch positiv für den weiteren Prozeß der Ablösung von der Droge sein. Trotz der Risiken von Rückfallepisoden und -perioden ist – wie wir ermitteln konnten – ein weitergehender therapiebezogener Ausstieg und damit Stabilisierungsprozeß möglich; daran mitbeteiligt sind die therapeutischen Reaktionen auf einen erneuten Drogengebrauch. Rigide Reaktionsmuster wie Therapieausschluß scheinen wenig hilfreich zu sein.

 

 

5.3 Autonom kontrollierter oder substitutiver Gebrauch ….illegaler Drogen

Eine weitere Möglichkeit, aus dem kompulsiven Gebrauch auszusteigen oder überhaupt keine kompulsiven Gebrauchsformen zu entwickeln, ist die Etablierung kontrollierter oder substitutiver Gebrauchsmuster. Wie wir dokumentieren können, gibt es durchaus die Möglichkeit, Heroin und Kokain kontrolliert in einer Weise zu gebrauchen, daß physische, soziale und juristische Probleme weitgehend vermieden werden. Zwar lassen sich bei unseren Interviewpartnern über alle Gruppierungen verteilt zeitlich begrenzte kontrollierte Gebrauchsphasen von „weichen“ und „harten“ Drogen feststellen. Jedoch verdeutlichen unsere Analysen zum kontrollierten Gebrauch, daß dieser auch als eine bewußte und autonom eingeleitete, relativ stabile Gebrauchsvariante, die keine ausschließlich drogenbezogene Lebensführung impliziert, angesehen werden kann. Kontrollierter Gebrauch ist nicht nur als eine zeitlich begrenzte „Durchgangsphase“ in Richtung eines kompulsiven Gebrauchs oder als Vorstufe zur Abstinenz zu interpretieren. Es gibt also Personen, die es geschafft haben, den Drogengebrauch in konventionelle Lebenskontexte zu integrieren und ihren Opiat/Kokaingebrauch auf einem Level zu verwalten, der in der Regel weit unterhalb einer physischen Abhängigkeitsschwelle liegt. Aufgrund unserer Recherchen lassen sich folgende Entwicklungsmöglichkeiten bestimmen:

– kontrollierte Gebrauchsphasen innerhalb der Entwicklung zum kompulsiven ..Drogengebrauch,

– Konstituierung ausschließlich kontrollierter Gebrauchsformen ohne ..Entwicklung eines kompulsiven Gebrauchs,

– eher sporadische, episodenhafte, situationsspezifische Gebrauchs- ..varianten von Heroin und/oder Kokain,

– Etablierung kontrollierter Gebrauchsmuster als Produkt einer ..heterogenen und zeitlich ausgedehnten Drogenverlaufsentwicklung,

– kontrollierte Gebrauchsmuster als Resultat eines selbstinitiierten, ..privatorganisierten und umweltgestützten Ausstiegsprozesses,

– kontrollierter Gebrauch als Produkt eines institutionsgesteuerten ..Ausstiegsprozesses,

– kontrollierter Gebrauch als medikamentengestützter ..Stabilisierungsprozeß.

Als Definitionskriterium für einen kontrollierten Gebrauch reicht – nach unseren Erkenntnissen – eine Bestimmung lediglich nach Gebrauchs- frequenzen nicht aus. Der jeweilige Gebrauch, wozu Applikationsweise, -häufigkeit und -dosis gehören, ist immer eine „subjektive Größe“. Sie kann letztlich nur im Rahmen einer drogalen Entwicklung und deren psycho-sozialem Setting verstanden werden. Kontrollierten Gebrauch allein aufgrund einer Konsumfrequenz von „höchstens“ einmal pro Monat (KLINGEMANN 1990, 33) zu bestimmen, fährt in die Irre, da körperliche Abhängigkeit auch da nicht auszuschließen ist. Selbst nach Phasen eines sozial integrierten, kompulsiven Gebrauchs konnten von uns festgestellt werden. Als Bedingungen der Möglichkeit, kontrollierte Gebrauchsmuster zu etablieren, konnten wir folgende festmachen:

– Drogengebrauchssetting,

– intrapersonelle Ressourcen (subjektive Kontrollerwartung, psychosoziale ..Bedeutung des Gebrauchs),

– Einbindung in konventionelle Lebensbezüge und – damit verbunden – ..Ausbildung funktionaler Äquivalente (die wiederum als ..Unterstützungsformen wirken können),

– Konstituierung regelorientierter Gebrauchsmuster und

– Anwendung risikobewußter Gebrauchsformen.

In höherem Maße als die jeweilige Gebrauchshäufigkeit/-intensität lassen sich risikobewußte Gebrauchsformen (Vermeiden von Needle-sharing, kein intravenöser Gebrauch wie Rauchen und Sniefen, selbstinitiierte Cleanphasen, bewußte Dosisbegrenzung) als Kriterien einer

eigenverantwortlichen und selbstregulierenden Schadensminimierung (u.a. auch Reduktion des Risikos einer Überdosierung und der Möglichkeit einer HIV-Infizierung) heranziehen. Aufgrund des „Faktums der Illegalität“ des Gebrauchs und einer nicht zu unterschätzenden oder gar zu verharmlosenden Wirkung illegaler Drogen ist ferner die Konstituierung und Einübung von Erfahrungsregeln notwendig, um einen kontrollierten Gebrauch kultivieren zu können. Eine Ritualisierung dieser informellen Regeln ist individuell unterschiedlich und hat ihren Ort vornehmlich im privaten Bereich. Zu diesen „selbstgestrickten“ Daumenregeln gehören:

– bewußte Einhaltung bestimmter Gebrauchsgelegenheiten,

– Distanzhaltung zur Drogenszene,

– Vermeidung von Kriminalisierung durch private Drogenbeschaffung ..außerhalb der öffentlichen Drogenszene,

– rationale finanzielle Mittelaufwendung,

– Prioritätensetzung drogenunspezifischer Äquivalente im Arbeits- und ..Freizeitbereich,

– kein Gebrauch in Krisensituationen, Mittel zur Selbstgratifikation.

Die Entwicklung und Einhaltung solcher rules of thumb ist – nach unseren Ergebnissen – wesentlich durch die Angst vor weiterer oder antizipierter Verelendung und dem Wunsch motiviert, daß der Drogengebrauch nicht negativ mit der Alltagsbewältigung korreliert, d.h. nicht zu einer „Junkiesation“ (GERLACH/KEMMESIES 1990, 30), zur Entwicklung eines ausschließlich auf den Drogengebrauch ausgelegten Selbstkonzeptes führt. Der Gebrauch selbst folgt oft einer bewußten Risikoabschätzung durch die Reflexion möglicher psychosozialer „Folgekosten“ eines fortgesetzten, kompulsiven Gebrauchs.

Die Etablierung von Kontrollregeln um den Gebrauch können wir als Strukturmerkmale einer eher privaten Gebrauchskultur illegaler Drogen ansehen (vgl. auch: SCHMIDT-SEMISCH 1990, 30). Zum einen bewirkt deren Einhaltung Routinisierung und Selbstdisziplinierung bei der instrumentellen Handlung des Gebrauchs. Zum anderen erfolgt eine subjektive Bewertung der Angemessenheit des Drogengebrauchs im Zusammenhang mit der Erfüllung sozialer Verpflichtungen. Dies führt letztlich zur Gebrauchskontrolle und zu bewußten Verhaltensarrangements zwischen „zwei Welten“. Diese Gebrauchskontrollregeln sind jedoch implizite Regeln, d.h. sie haben sich settingspezifisch eingespielt. Ihre mangelnde institutionelle Stützung macht sie zusätzlich leicht zerbrechlich. Hieraus ergeben sich für die praktische Drogenhilfe im Bereich akzeptierender Drogenarbeit spezifische Konsequenzen: die Vermittlung und Stützung von Gebrauchskontrollregeln und Safer-Use-Strategien.

Aufgrund unserer Unterlagen eine objektivierende Definition „des“ kontrollierten Gebrauchs vornehmen zu wollen, erscheint uns eher problematisch, denn zu vielfältig sind auch in diesem Zusammenhang die vorgefundenen individuellen und phasenspezifischen Unterschiede. Die Zuordnung des jeweiligen Drogengebrauchsstatus konnte von uns nur innerhalb der Erhebungszeiträume t1 und t2 versucht werden. Außerdem konnten wechselnde Phasen in den Drogengebrauchsentwicklungen aufgrund der Zuordnungsproblematik unseres narrativen Textmaterials teilweise nur unzureichend berücksichtigt werden.

Doch wie dem auch sei, nach unseren Ergebnissen kann kontrollierter Gebrauch dreierlei sein: das Folgeverhalten nach Überwindung kompulsiver Gebrauchsformen, ein medikamentengestützter Stabilisierungsversuch oder eine relativ stabile, eigenständige Gebrauchsvariante. Für alle drei Varianten gilt: Eine zuverlässige Prognose hinsichtlich kontinuierlicher Verhaltensstabilität ist auf der Basis unseres Materials letztlich kaum möglich, zu viele heterogene Imponderabilien sind im Spiel. Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse, daß es nicht „den“ Weg in den und aus dem kompulsiven Drogengebrauch gibt. Wir haben jene Faktoren und Motive subjektbezogen nachgezeichnet, die einen selbsteingeleiteten Ausstieg, eine institutionsgesteuerte Überwindung, kontrollierte Gebrauchsformen und medikamentengestützte Stabilisierungsversuche bewirken. Dabei konnte auf die komplexe Verlaufsdynamik und Variabilität von Ausstiegssequenzen verwiesen werden. Die Dynamik möglicher Drogenentwicklungsphasen als wechselseitigen Prozeß des Driftings zwischen konventionellen und drogenspezifischen Lebenskontexten impliziert sowohl Entwicklungs- möglichkeiten zur relativen Abstinenz als auch zur Etablierung selbst- regulierter, kontrollierter Drogengebrauchsformen.

 

 


6. Ausstiegsphasen

Der Überwindungsprozeß kompulsiver Gebrauchsformen selbst läßt sich idealtypisch durch folgende Phasen charakterisieren:

1. Bildung einer expliziten Ausstiegsmotivation als Initialphase

Als ausschlaggebende Ausstiegsmotive aus dem kompulsiven Gebrauch konnten wir je biographiespezifische, psycho-soziale Konstellationen wie „Rock-Bottom-Erfahrungen“ und Schlüsselereignisse, kognitiv bedingte „Naked-Lunch-Wahrnehmungen“, Angst vor erlebten oder antizipierten Verelendungsprozessen und dem Wunsch nach einer bewußten Umweltkontrolle ermitteln. Singuläre Wendepunktereignisse wie Wahrnehmung negativer körperlicher Folgeerscheinungen des Gebrauchs, eine lebensbedrohliche Erkrankung, Tod nahestehender Personen wurden ebenso angesprochen wie positive Ereignisse z.B. Schwangerschaft oder ein Bekehrungserlebnis. Diese Lebenszäsuren, insbesondere „Naked-Lunch-Erlebnisse“ bei den Selbstaussteigern, produzierten Phasen des relativen Ungleichgewichtes in dem bis zum Eintritt der Ereignisse hergestellten Passungsgefüge zwischen Set und Setting. Sie setzen selbstkorrektive Aktivitäten, vor allem Veränderungen des eigenen Verhaltens in Gang. Extrinsisch motivierte Ausstiegsmotive wie justitieller Zwang oder Druck durch das soziale Umfeld spielen eine eher untergeordnete Rolle. Die damit einhergehende Reflexion der eigenen Drogenentwicklung und der gegenwärtigen Lebenssituation läßt einen weiteren kompulsiven Drogengebrauch und, damit verknüpft, eine ausschließlich drogenbezogene Lebensführung aversiv und dysfunktional erscheinen: Ein gewisser „Sättigungsgrad“ ist erreicht.

2. Eigentliche Überwindungsphase

Die Überwindung des kompulsiven Drogengebrauchs vollzieht sich nicht „spontan“ oder gar auf „natürliche“ Weise, sondern ist eher als ein Prozeß „abwärtsgerichteter Phasenmobilität“ (KLINGEMANN 1985, 419) zu interpretieren. Fortschritte im Rahmen konventioneller Lebensgestaltung haben dabei Auswirkungen auf die individuelle Wahrnehmung der Problem- belastung, das Drogengebrauchsverhalten und die situationsspezifische Kontrollerwartung hinsichtlich der kognitiven und emotionalen Verarbeitung. Die Aktivierung persönlicher Ressourcen, die Nutzung des vorhandenen dichten Netzes sozialer Unterstützung – wobei eindeutig personelle Unterstützungsquellen dominieren -, evasiv-konzentrative Strategien des Umgangs mit „Drug-Cravings“, bewußte Distanzierung von drogenspezifischen Lebenskontexten und die Bewältigung von weiterhin gültigen Stigmatisierungseffekten kennzeichnen die eigentliche Umsetzungsphase. Die „Beziehungslockerung“ zur Drogenszene und die Aktivierung adäquater Handlungs- und Bewältigungsstrategien im Verbund mit der effektiven Nutzung verfügbarer Unterstützungspotentiale werden von uns als wesentliche Anforderungen der Überwindungsphase ermittelt. Unsere Untersuchung zeigt, daß der selbstinitiierte Übergang zur relativen Drogenabstinenz oder zum kontrollierten Gebrauch im wesentlichen von der Veränderung der Selbstwahrnehmung und der gezielten Suche nach und Nutzung von sozialer Unterstützung im privaten Umfeld abhängig ist. Entscheidend für den eigentlichen Umsetzungsprozeß sind die Interaktionsinhalte sozialer Unterstützung, die kognitive Orientierung und emotionalen Rückhalt gewähren. Ferner ermöglichten sie den Prozeß sozialer Integration, die Herstellung von Selbstkontrolle und Handlungskompetenz sowie die Ventilierung von Handlungsalternativen. Soziale Stützsysteme stärken die Umsetzungsmotivation und das Selbstwertgefühl: Sie wirken als Puffer und psychosoziales Immunsystem in möglichen Krisensituationen. Die Verfügbarkeit über soziale Unterstützungsressourcen erweist sich nach unseren Ergebnissen als wesentliches „soziales Kapital“ (BOURDIEU 1983) für die Bewältigung des Umsetzungsprozesses. „Rückfallepisoden“ sind in diesem längerfristigen dynamischen Prozeß durchaus eingeschlossen, ohne daß es zu einem erneuten kompulsiven Drogengebrauch kommt. Diese haben in vielen Fällen für die Fortführung eines selbstgestalteten Ausstiegs eine positive Bedeutung; kontrollierte Gebrauchsphasen können integraler Bestandteil der Überwindungsphase sein. Mitunter dient der Gebrauch anderer Drogen wie Alkohol und Cannabis der Bewältigung von Opiatsehnsüchten. Ein Problem der Suchtverlagerung ist jedoch bei den von uns interviewten Selbstaussteigern nicht auszumachen.

3. Vorläufige Integration als Stabilisierungsphase

Diese Phase ist durch die fortschreitende, lebenspraktische „Testung“ relativ drogenfreier Lebensführung gekennzeichnet, durch Perspektivenentwürfe und erste Realisierungsversuche. Die sich entwickelnden, nicht drogenbezogenen Lebenskontexte (Partnerschaft, drogenfreie Lebensbezüge, Ausbildung/Beruf) beginnen sich zu „konsolidieren“. Die soziale Integration wird von einer „neuen“ biographischen Gesamtbilanzierung begleitet. Die Stabilisierungsphase ist ferner mit einer Veränderung zentraler Lebensziele verbunden. Alternativen, sprich funktionale Äquivalente zum Drogengebrauch besitzen nun einen höheren Stellenwert, wobei der gelegentliche Gebrauch von Cannabisprodukten und/oder der kontrollierte Gebrauch von Heroin/Kokain nicht prinzipiell als destabilisierend antizipiert wird.

Unsere qualitativen Analysen bestätigen das Ergebnis von BIERNACKI (1986): Eine erfolgreiche Überwindung kompulsiven Drogengebrauchs steht mit einer Identitätstransformation in einem wahlverwandtschaftlichen Verhältnis. Mit zunehmender Umsetzung des Projektes „drogenfreie Lebensbewältigung“ verblaßt die „Junkie-Identität“. Diese lebensgeschichtlichen Wandlungsprozesse im Selbstverständnis und Verhalten ziehen zum einen eine Änderung des Identitätsgefühls und damit der Bewertung von Lebenszusammenhängen nach sich. Zum anderen rekurrieren sie auf die Existenz multipler Identitätsmuster, die auch bei Opiatgebrauchern vorhanden sind (vgl. BIERNACKI 1986, 142ff.). Frühere, nicht drogenbezogene Identitätsentwürfe werden über die Zeit „gespeichert“ und ehen nun in die Verarbeitung des Überwindungsprozesses ein (Unter Identität verstehen wir in Anlehnung an FREY/HAUßER eine symbolische Struktur, die es einem Persönlichkeitssystem in seinen kognitiven, emotionalen und motivationalen Komponenten erlaubt, im Wechsel biographischer Zustände ein Selbstkonzept, Selbstwertgefühl und Kontrollüberzeugung herzustellen und damit über die verschiedenen Positionen im sozialen Raum hinweg, Kontinuität und Konsistenz zu sichern (vgl. FREY/HAUßER 1987, 8ff.). Die Aktivierung dieser „Identitätsressourcen“ reduziert zum einen die reale Kontingenz äußerer Ereignisse. Zum anderen führt dies zur Akzeptanz „neuer“ Handlungsmuster und Relevanzen, wobei häufig die drogale Vergangenheit nach den nun gültigen Klassifikationsregeln bewertet wird. Innerhalb der Stabilisierungsphase wird das drogale Selbst- und Weltverständnis korrigiert und durch den Erwerb „neuer“ Einsichten und Überzeugungen ersetzt. Diese „Identitätsarbeit“ (COHEN/TAYLOR 1977, 145) bezieht sich zum einen auf die Aktualisierung der „inneren Besitzstände“, d.h. der Identitätsressourcen. Zum anderen muß der Prozeß der sukzessiven Ablösung von der Junkie-Identität stets aufs neue abgesichert und stabilisiert werden. Die Herstellung eines „Gefühls der Kohärenz“ (KEUPP 1990, 31) ist dabei ein konstruktiver Prozeß von Selbstorganisation. Wie wir feststellen konnten, ist die Fähigkeit zum Aufbau einer nicht ausschließlich drogenbezogenen Identität keine rein persönlichkeits- spezifische Leistung, sondern entsteht aufgrund der gelungenen interaktiven Verquickung mit Aspekten konventioneller Lebenspraxis und der zunehmenden Aversion gegenüber Verhaltensoptionen des „Addiction Systems“. Die Übernahme sozialer Etikettierungen wie „einmal süchtig – immer süchtig“ blockiert in einigen Fällen sogar selbstorganisierte Ausstiegsprozesse und deren Stabilisierungen gravierend. Überwindungsprozesse sind davon abhängig, wie groß für den einzelnen die Chance ist, alternative, nicht drogenbezogene Aspekte der Identität zu verstärken und diese zu einem Element des veränderten Selbstkonzeptes zu machen. Jedenfalls zeigen unsere Ergebnisse, daß die selbstgestaltete Überwindung des kompulsiven Drogengebrauchs überwiegend mit intrinsischen Ausstiegsmotiven begründet wird. Ein durch „Internalität“ bestimmter Ausstieg (Opiatabstinenz oder kontrollierter Gebrauch) weist – wie wir demonstrieren konnten – eine hohe psychosoziale Stabilität über die Zeit auf.

Unser Phasenmodell ist – wie gesagt – idealtypisch. Die Übergänge zwischen den jeweiligen Phasen sind mitunter fließend und nicht immer stringent voneinander zu trennen. Gleichwohl konnte unseres Erachtens verdeutlicht werden, welche selbstgesetzten Anstrengungsanforderungen bei der Überwindung des kompulsiven Drogengebrauchs in der Regel notwendig sind. Die selbstinitiierte, privatorganisierte und umweltgestützte Überwindung des kompulsiven Drogengebrauchs kann als ein retroaktiver Selbstsozialisierungsprozeß verstanden werden. Wie „objektiv“ eine fortschreitende Eingrenzung von Handlungschancen bei Opiatgebrauchern durch den gesellschaftlich induzierten Verelendungs- und Kriminalisierungsprozeß auch sein mag, subjektiv ist durchaus eine sukzessive Fokussierung noch vorhandener Handlungschancen und Identitätsressourcen durch Nutzung sozialer Stützsysteme, drogenfreier Lebensbezüge und beruflicher und schulischer Qualifizierung möglich. Die sozialisatorisch wirkenden Effekte können den aktuellen und auch zukünftigen Umgang mit verfügbaren Chancen bestimmen, wobei – wie wir feststellen konnten – die Folgen, die mit der relativen Drogenabstinenz oder des kontrollierten Drogengebrauchs verbunden sind, einen hohen Anreizwert haben müssen: Subjektiv bedeutsam „Gewinn“- und Selbstbeeinflussungsmöglichkeiten wie materielle Existenz- und Perspektivantizipationen, sozialer Prestigegewinn, Befriedigung des Bedürfnisses nach positiver Selbstbewertung und Steigerung der Selbstachtung müssen erlebbar sein.

Die von uns ermittelten motivrelevanten Aufforderungsgehalte sind überraschenderweise sowohl für die Etablierung kontrollierter oder substitutiver Gebrauchsmuster als auch für die Einleitung selbstgestalteter Ausstiegsprozesse bedeutsam. Ihre Funktionen sind jedoch unterschiedlich: Bei den Selbstaussteigern fungieren sie als Ausstiegsmotive in Richtung relativer Abstinenz, bei den kontrollierten Gebrauchern dienen sie als Auslöser für die Entwicklung von Distanzierungstechniken, um einer weiteren Involvierung in Szenebezüge entgegenzuwirken und um kompulsive Gebrauchsformen zu vermeiden.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Insgesamt ist es uns gelungen, exemplarisch und kontrastiv-komparativ die jeweiligen Varianten drogaler Entwicklungen bezüglich des selbstgestalteten und institutionsgesteuerten Ausstiegs sowie der regelorientierten Kontrolle differenter Drogengebrauchsmuster subjektbezogen und inhaltsanalytisch zu rekonstruieren. Die konstatierten Überwindungsprozesse sind kaum zweckrational begründbar. Sie sind nicht quasi sich automatisch vollziehende Prozesse der Abwendung vom dysfunktional erlebten Drogengebrauch. Daraus folgt: Ausstiegsprozesse sind nicht planbar. Folgerichtig verbietet es sich, eine prognostische Ausstiegsmodellkonstruktion zu erstellen. Zu vielfältig, kontingent und multiperspektivisch stellen sich Ausstiegsprozesse und Ausstiegskontexte dar. Unsere Ergebnisse spiegeln ein „realistisches“ Bild wider, eine Vorstellung von der Vielfältigkeit, Komplexität und auch Unerwartbarkeit möglicher Verarbeitung.

Abschließend lassen sich unsere zentralen Ergebnisse thesenartig wie folgt zusammenfassen:

a) Die sog. Drogendeszendenztheorie, nach der Abhängigkeit entweder ins Gefängnis, in den Tod oder – positiv gewendet – in die stationäre Langzeittherapie führt, bringt nur die halbe Wahrheit zur Sprache; sie unterschlägt wesentliche empirische Fakten.

b) Drogengebrauchsentwicklungen laufen nicht quasi natürlich entweder in Richtung Verelendung oder Abstinenz ab.

c) Die ausschließliche Wahrnehmung von Drogengebrauchern als „Defizitwesen“ oder „Risikopersonen“ verschleiert den Blick auf das große Repertoire an Verhaltensalternativen auch bei Gebrauchern nicht endemischer Drogen.

d) Drogengebraucher sind nicht generell „behandlungsbedürftig“ und handlungsunfähig. Die Chancen zum selbstorganisierten Ausstieg sowie zur Etablierung regelorientierter, nicht dysfunktionaler Gebrauchsmuster werden von nicht wenigen selbst unter kriminalisierten Lebensbedingungen genutzt.

e) Die Ausstiegsmotivation entwickelt sich zum einen aus Angst vor faktisch fortschreitender oder auch nur antizipierter Verelendung, wobei das Bedürfnis nach bewußter Umweltkontrolle mit im Spiel ist. Zum anderen wird der Ausstiegsentschluß von kontingenten Ereignissen beeinflußt. Eine Bereitschaft zum Ausstieg entsteht also nicht erst, wenn der User total auf den Hund gekommen ist, sprich „reif“ ist, sich einer stationären Therapie zu unterziehen.

f) Der Gebrauch illegaler Drogen erweist sich nicht exklusiv als ein klassischer Fall von persönlicher Desorganisation und darum automatisch als ein bearbeitungsbedürftiges und Hilfeansprüche induzierendes soziales Problem. Stützpunkte außerhalb drogaler Lebenszusammenhänge verlieren nicht durchweg ihren normativen und subjektiven Sinn. Drogengebrauch fungiert nicht nur als Ersatz für mangelnde soziale Integration. Die „Entweder-Oder-Dichotomie“ – Abhängigkeit versus Abstinenz – kann so nicht aufrechterhalten werden.

g) Die Etablierung lebensstilbezogener Gebrauchs- und Kontrollregeln sowie die Einleitung einer Substitution unterstützen die Überwindung kompulsiver Drogengebrauchsmuster, einen selbstdisziplinierenden „Safer Drug Use“, die Minimierung der Rollenkonflikte als Grenzgänger zwischen zwei Welten und die Erfüllung funktionaler Anforderungen innerhalb konventioneller Lebenskontexte. Gegenüber der Wirklichkeit verkürzenden „klassischen“ Dichotomie gilt: tertium datur!

h) Die Entwicklung hin zu einem autonom kontrollierten Gebrauch als relativ stabile Gebrauchsvariante oder zum selbstinitiierten Ausstieg vollzieht sich nicht quasi lebenszyklisch bedingt oder naturwüchsig, sondern setzt die Nutzung und Wirksamkeit von vorhandenen Stützsystemen, die Antizipation positiver Folgen und die Aktivierung vorhandener Identitätsressourcen voraus. Sie wird wahrscheinlicher, je größer Handlungsmöglichkeiten und Anknüpfungspunkte außerhalb drogenbezogener Alltagspraxis sind.

i) Wohlgemeinte Behandlungsauflagen (§ 35 ff BtMG), als „helfender Zwang“ gedacht, verhindern nur zu oft selbstinitiierte und privatorganisierte Ausstiegsversuche oder die Entwicklung kontrollierender, regelorientierter Gebrauchsmuster und damit eine soziale und berufliche Reintegration.

k) Die „Kustodialisierung“ (OLK 1985, 104) illegaler Drogengebraucher, verbunden mit Strafe und Sanktionsandrohungen zur Durchsetzung der Abstinenznorm wirkt auf eine mögliche Entwicklung eines selbstgestalteten Ausstiegs und/oder einer selbstorganisierten Gebrauchskultur illegaler Drogen kontraproduktiv.

l) Illegalität und Kriminalisierung sind untaugliche Mittel, die „Imperative der Selbstbestimmung in die Kontrolladressaten“ (PETERS 1989, 170) zu verlegen. Sie führen häufig zu einer Verfestigung drogaler Identität, die eine situationsadäquate Selbststeuerung verhindert.

m) Die Verabsolutierung des Abstinenzparadigmas verstellt oft den Blick auf die Alltagspraxis der Adressaten, blockiert eine aktive Auseinandersetzung in Form von kommunikativer Verständigung und verhindert damit eine Entdramatisierung und Normalisierung des nicht endemischen Drogengebrauchs.

n) Die Pathologisierung des Drogengebrauchers als psychisch krank einerseits und seine Etikettierung als kriminell andererseits sind inkompatibel. Die Disparität beider daraus abgeleiteter Handlungsorientierungen – Behandlung versus Verwahrung/Strafe – stellt die Logik einer prohibitiven Drogenpolitik auf den Kopf, denn sie schafft durch ihre Starrheit die Voraussetzungen selbst für ihre Erfolglosigkeit.

o) Die Einsicht in die inter- und intraindividuelle Struktur drogaler Entwicklungspfade und Gebrauchsmuster muß diversifizierte, praktische Unterstützungsmöglichkeiten nach sich ziehen.

p) Notwendig ist u.a. die Entwicklung von nicht-therapeutischen Handlungsstrategien, die auf Schadensbegrenzung bezüglich des dysfunktionalen Drogengebrauchs und auf die Vermittlung und Stützung von risikobewußten Gebrauchsregeln ausgerichtet sind, Stichwort: selbstgestaltete Sekundärprävention.

Auf derartige nicht-therapeutische Handlungsalternativen, die sich aus unserem Forschungs-Praxis-Projekt ergaben, soll im folgenden kurz eingegangen werden. Obwohl sie eine Menge Anhalt an drogaler Wirklichkeit haben, sind sie nicht als Teil einer neuen „0rthodoxie“ mißzuverstehen und zu handhaben.

 

 


7. Praktische Konsequenzen

Unsere Forschungsergebnisse und praktischen Erfahrungen im angegliederten „Drogenkontaktcafé“ führen uns zu der Benennung notwendiger Aufgaben und Maßnahmen, die Bestandteile einer differenzierten Angebotspalette akzeptanzorientierter Drogenarbeit sein sollten [Eine ausführliche Auswertung der praktischen Arbeit im ‚Drogenkontaktcafé“ des Forschungsprojekts ist im Endbericht enthalten (WEBER/SCHNEIDER: Herauswachsen aus der Sucht. Abschlußbericht. Universität Münster 1992]. Wir ordnen die einzelnen Angebotselemente folgenden sieben Arbeitsbereichen zu:

a) Förderung und Unterstützung von Selbsthilfeaktivitäten

b) Einleitung und Begleitung von Substitutionsmaßnahmen

c) Unterstützung von Ausstiegsversuchen aus der Drogenbindung

d) Risikominimierende, drogengebrauchsbegleitende Maßnahmen

e) Spezielle, adressatengruppenorientierte Angebote

f) Drogenunspezifische, alltagspraktische Hilfestellungen

g) Gesellschaftspolitische Aufgabenstellungen

ad a):
Die organisatorische und finanzielle Unterstützung von Selbsthilfeaktivitäten von Drogengebrauchern stellt für akzeptanzorientierte Drogenhilfe eine eminent wichtige Aufgabe dar. Eine Weiterentwicklung der Drogenhilfe greift zu kurz, wenn sie der Forderung nach „unmittelbarem Einbezug der Betroffenen in den Umsetzungsprozeß“ (GERLACH/KEMMESIES 1990, 38) nicht Rechnung trägt. Mit der Kooperation von Betroffenen eröffnen sich Ansätze kollektiver Lernprozesse und Selbstorganisationsmöglichkeiten, deren Wirksamkeit darauf beruht, daß sie aus gemeinsam geteilter drogaler Erfahrung mit einem gemeinsam organisierten Prozeß der Aneignung von Handlungschancen verbunden ist. Hier dominieren nicht die ‚Experten‘, die ihre Arbeit oft durch gesellschaftlich gängige Vorstellungen von Drogengefährdung, Drogenabhängigkeit und Lösungsmöglichkeiten legitimieren müssen. Junkiebünde, JES-Gruppen (Junkies, Ex-User, Substituierte) und andere Selbsthilfeorganisationen sind positive Beispiele einer Gebrauchskultur illegaler Drogen, deren Entstehung sich auf die aktive Auseinandersetzung der Betroffenen mit ihrer Alltagspraxis gründet.

ad b):
Ein wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil der differenzierten Angebotspalette muß die kostenlose flächendeckende, für alle Betroffenen leicht zugängliche und ausreichende Vergabe von Substitutionsmitteln – etwa Methadon oder Remedacen – sein. Dadurch ließe sich in relativ kurzer Zeit ein Großteil des Kriminalisierungsdrucks auf Drogengebraucher und deren soziale und psychische Verelendung abschwächen. Ferner fiele der besonders gesundheitsgefährdende Verbrauch verunreinigter Drogen weg, und die Benutzung verunreinigter Spritzbestecke sowie polyvalente oder polytoxikomane Gebrauchsmuster würden stark reduziert werden.

ad c):
Äußern Drogenkonsumenten den Wunsch nach Ausstieg aus dem Drogenszeneleben und/oder Drogenkonsum, so sollte für sie eine breite Palette von Angeboten wahlweise bereitstellen. Maßnahmen für Ausstiegswillige sollten sowohl ambulante und stationäre Langzeit- als auch Kurzzeittherapien mit unterschiedlichen Anforderungsprofilen umfassen. Wir denken etwa an Kompakttherapien (Kurzzeittherapie mit integrierter Entgiftung), Mutter- bzw. Eltern-Kind-Therapien, ambulante Betreuungen, Substitutionsmöglichkeiten, frauenspezifische Angebote sowie Möglichkeiten des kostenlosen, stationären ‚kalten‘ und ‚warmen‘ Entzugs. Ein zunehmender Bedarf besteht nach warmen, d.h. polamidongestützten Entgiftungsmöglichkeiten von kompulsiv und polyvalent gebrauchenden Konsumenten. Das Ziel, drogenfrei leben zu wollen, muß jedoch – wie oben betont – von den Konsumenten selbst angestrebt und erreicht werden. Drogenhilfe sollte sie dabei so gut es geht unterstützen.

ad d):
Nicht jeder Drogenkonsument kann oder will seinen Konsum total einstellen. Aufgabe akzeptanzorientierter Drogenarbeit sollte es daher sein, Drogengebrauch zu tolerieren und Informationen über risikoarme und gesundheitsschonende Gebrauchsvarianten zu vermitteln. Neben den Hinweisen auf risikobewußte Gebrauchsformen gehören hierzu auch Informationen über Verunreinigungen und Stoffkonzentrationen von illegalen Drogen (Heroin, Kokain). Sie könnten Überdosierungen vermeiden und gesundheitliche Risiken allgemein reduzieren helfen. Es gilt auch – sozusagen als „selbstgestaltete Sekundärprävention“ (SCHNEIDER 1991) -, die von uns ermittelten lebensstilbezogenen Gebrauchsregeln zu stützen oder gegebenenfalls zu vermitteln.
Eine Reduzierung gesundheitlicher Risiken ist ferner durch folgende Maßnahmen erreichbar: flächendeckende Verteilung von sterilen Spritzbestecken (vgl. etwa: SCHULLER/STÖVER 1989, 115ff.) und von „Bleach“ (Natriumhypochlorit als Spritzenreinigungsmittel insbesondere in Justizvollzugsanstalten; vgl. CARLHOFF 1989) sowie durch die Einrichtung sogenannter ‚Druckräume‘ (vgl. STÖVER 1991, 9ff.). Der Betrieb solcher auch als Gesundheitsräume bezeichneten Einrichtungen, deren rechtliche Zulässigkeit in Deutschland umstritten ist (vgl. BOSSONG 1991, 4; MICHAELIS 1991, 1llff.), wäre besonders für akut kompulsiv Drogengebrauchende eine effektive Überlebenshilfe, da sie dort unter hygienisch sauberen Bedingungen und fachgerechter Aufsicht – etwa Medizinalpersonal – konsumieren könnten.

Für uns besteht kein Zweifel: Akzeptierende Drogenarbeit orientiert sich nicht exklusiv am Drogenfreiheitspostulat. Sie intendiert auch die Unterstützung von Drogengebrauchern, die den Konsum nicht einstellen wollen oder können. Sie kooperiert mit ihnen bei der Erarbeitung eines eigenverantwortlichen, risikominimierenden Umgangs mit illegalen Drogen. Dazu muß sie auch „Drogen-Beratung“ im wahrsten Sinne des Wortes durchfuhren und Angebote unterbreiten, die einen gesundheitsschonenden Konsum ermöglichen (etwa auch: SCHNEIDER 1989).

ad e):
Folgende spezielle adressatengruppenbezogene Hilfsangebote sind nach unseren Erkenntnissen erforderlich:

– Substitutionsmaßnahmen, Wohnprojekte, Positivengruppen, Stiftungen für ..HIV-positive Drogengebraucher,

– Prostituiertencafés und -wohnprojekte für Frauen und Männer,

– aufsuchende Arbeit mit Spritzenvergabe auf der Szene, Einrichtung von ..Szenejunkieläden in unmittelbarer Nähe der Drogenszeneplätze; Betrieb ..von Druckräumen für Street-Junkies,

– Substitutionsangebote für inhaftierte Drogengebraucher; ..Substituiertencafés und Kontaktläden für Aussteiger,

– frauenspezifische Unterstützungsangebote, z.B. Therapieeinrichtungen ..nur für Frauen.

ad f):
Die Angebotspalette akzeptanzorientierter Drogenarbeit sollte neben den bisher genannten, überwiegend drogenspezifischen Aufgaben und Maßnahmen auch drogenunspezifische Hilfestellungen umfassen. Hierzu zählen wir praktische Hilfen in den Bereichen Kontakt- und Aufenthaltsmöglichkeiten, Ernährung, Hygiene, Gesundheit, Übernachtung, Wohnung, Arbeit, Ausbildung, Freizeit, Umgang mit Behörden, Schuldenregulierung und Rechtsbeistand.

ad g):
Neben der Unterstützung von Selbsthilfepotentialen und dem Aufbau einer pluralen Angebotspalette besteht eine dritte Hauptaufgabe akzeptanzorientierter Drogenarbeit in drogenpolitischen Engagements, entstanden als Teilaspekt einer Gesellschaftspolitik. Dazu zählen wir eine sachorientierte, entdiabolisierende Öffentlichkeitsarbeit. Anzustreben sind ferner drogenpolitische Maßnahmen und Gesetzesänderungen, die auf ‚übergeordneter Ebene‘ eine Normalisierung und Verbesserung der Lebensbedingungen von Drogenkonsumenten ermöglichen. Neben drogenpolitischer Einmischung stellt auch praxisnahe Forschung einen weiteren wichtigen Aufgabenkomplex dar. Die Drogenproblematik und die Drogenszene ändern sich kontinuierlich. Drogenhilfe muß in enger Kooperation mit einer praxisnahen, sozialwissenschaftlich ausgerichteten Drogenforschung die dynamischen Entwicklungen verfolgen und sich auf diese einstellen, um nicht Gefahr zu laufen, erneut Drogenarbeit zu verfolgen, die die eigentlichen Problemzonen ausklammert. Die kontinuierliche Weiterentwicklung von Drogenarbeit und Drogenforschung sollte in Kooperation mit Betroffenen erfolgen (JES-Gruppen und Junkiebünde).

Fassen wir zusammen: Grundlegendes Prinzip akzeptanzorientierter Drogenarbeit muß nach unseren Erkenntnissen die Anerkennung des „Selbstbestimmungsrechts“ von jugendlichen und erwachsenen Drogengebrauchern sein. Drogengebraucher sollten als für ihr Leben kompetente Akteure wahrgenommen und als Konstrukteure eines potentiell gelingenden, auch drogenbezogenen Alltags angesehen werden. Akzeptanzorientierte Drogenhilfe muß also subkulturelle und drogenbezogene Lebenspraxis prinzipiell als existent anerkennen und drogenbezogene Lebensstile tolerieren. Ihre Angebote müssen auf absoluter Freiwilligkeit basieren, auf den ‚Defizitblickwinkel‘ verzichten und bedürfnisorientiert ausgerichtet sein. Die Angebotspalette sollte so breit wie möglich gefächert sein. Es gilt, Selbsthilfeaktivitäten zu unterstützen, Selbstverfügungskräfte zu stärken und zu erweitern, multiple Ausstiegshilfen wahlweise anzubieten und auch niedrigschwellige, alltagspraktische Hilfestellungen zu leisten. Ferner sind für jeden Konsumenten zugängliche Substitutionsmöglichkeiten einzurichten und flächendeckende Spritzbesteckvergabe und Informationsvermittlungen über risikoarme Gebrauchsformen anzustreben (Safer-Use-Strategien). Wesentlich ist auch die Einrichtung von freiwilligen, warmen, d.h. polamidongestützten Entzugsmöglichkeiten, die Ausweitung ambulanter Betreuungs- und Therapieformen im sozialen Nahfeld und die Schaffung sogenannter ‚Druckräume‘. All diese Maßnahmen könnten in entscheidendem Maße dazu beitragen, Betroffenen überlebenspraktische Hilfen zu geben, Ausstiegsprozesse zu fördern, ohne a priori auf Abstinenz zu drängen. Eine weitgehende Normalisierung der Lebensbedingungen von Konsumenten nicht endemischer Drogen dürfte va. dann gelingen, wenn sich auch die Drogenpolitik notwendigen Konsequenzen nicht verschließt. Dies wollen wir abschließend verdeutlichen.

 

 


8. Drogenpolitische Konsequenzen

Im Zusammenhang mit dem Aufbau und der Durchführung akzeptanzorientierter und bedürfnisadäquater Drogenarbeit muß – wie wir bereits mehrfach angedeutet haben – auch die bundesdeutsche Drogenpolitik problematisiert und neu strukturiert werden.
Immer ist das Drogenproblem auch ein Drogenpolitikproblem. Entgegen ihrer Intention kann eine repressive Drogenpolitik das Drogenelend ganz massiv verschärfen. Durch eine rechtspolitische Krimiinalisierung der Endverbraucher sowie durch ein Verbot kontrollierter staatlicher bzw. ärztlicher Drogenabgabe wird eine effektive Drogenarbeit stark behindert. In diese Richtung weist die derzeitige Behandlung der Substitution. So werden Teile des geltenden BtMG’s von Juristen zunehmend als verfassungswidrig eingestuft (vgl. etwa: DAMMANN/ SCHEERER 1986, 22ff.; BÖLLINGER 1991, 9). Der Passepartout für eine deutliche Verbesserung und Normalisierung der Lebensbedingungen von Drogengebrauchern liegt im drogenpolitischen Bereich. Ein Hinwirken auf Veränderungen drogenpolitischer Rahmenbedingungen – und hier insbesondere gesetzlicher Bestimmungen – ist also eine conditio sine qua non.

Das Ziel der Generalprävention, die absolute Drogenfreiheit herbeizuführen, ist gescheitert und wird wohl auch in Zukunft nicht erreichbar sein. Staatliche Drogenpolitik sollte dies berücksichtigen und den eigenverantwortlichen Umgang mit Drogen tolerieren. Drogengebrauchern, die ihren Konsum trotz größter Repressionsandrohung bisher nicht aufgeben konnten, würde so die Chance geboten, sozial integriert und menschenwürdiger zu ]eben. Denn – wie erwähnt – ist nicht die Droge an sich gefährlich, sondern lebensbedrohend wird sie durch einen unangemessenen Umgang und durch die gesellschaftliche Kriminalisierung ihres Gebrauchs. Eine weitere Verschärfung des heute dominierenden „legal approach“ (kriminalpolitischer, prohibitiver, repressiver Ansatz) durch eine noch intensivere Strafverfolgung und Pönalisierung des Umgangs mit vermeintlich sozialschädlichen Drogen verkennt die Komplexität von Drogenentwicklungsverläufen. Sie setzt – und dies zudem wenig effektiv – auf sicherheitspolitische Maßnahmen und sogenannte generalpräventive Strategien, ignoriert aber betroffenen- orientierte und gesundheitsfördernde Konzepte.

Eine staatlich glaubwürdige Drogenpolitik müßte u.E. eine Trennung der Märkte von sogenannten weichen und harten Drogen anstreben. Cannabisprodukte sollten gänzlich aus der entsprechenden BtmG-Anlage herausgenommen werden und, wie beispielsweise in den Niederlanden praktiziert, im Handel relativ frei erhältlich sein. Weder medizinische noch kulturhistorische Gründe legitimieren ein juristisches Verbot (vgl. etwa: HAVES/SCHNEIDER 1992). Es sollte erwogen werden, die quasi lizensierte, auf bestimmte Örtlichkeiten (coffee-shops) beschränkte niederländische Praxis des kontrollierten Einzelhandels mit Cannabisprodukten auf die Bundesrepublik zu übertragen.

Eine undifferenzierte Gleichbehandlung von Cannabis und Heroin verharmlost die Suchtpotentiale harter Drogen. Staatliche Präventionsmaßnahmen verlieren bei Jugendlichen gerade dadurch massiv an Glaubwürdigkeit. Wie Teilergebnisse unseres Forschungsprojekts zeigen, steigen viele Drogengebraucher auf härtere Drogen um, da sie die staatliche Drogenpolitik und Drogenaufklärung am Beispiel von Cannabis als unglaubwürdig erfahren haben. Eine Entkriminalisierung des Gebrauchs von Cannabisprodukten würde dies unterbinden und hätte eine Trennung der Märkte von weichen und harten Drogen zum Ergebnis.

Neben der Entkriminalisierung und Entdramatisierung des Cannabisgebrauchs sollte staatliche Drogenpolitik der Tatsache Rechnung tragen, daß einige Drogengebraucher ihren Konsum auch unter größter Repressionsandrohung nicht beenden werden. Es ist ein systematischer Fehler, Drogenkonsum respektive Drogenkonsumenten (indirekt) zu pönalisieren, indem sämtliche konsumvorbereitende Handlungen (Erwerb, Anbau, Besitz usw.) mit Strafe bedroht werden. Drogenpolitik sollte zukünftig die Endverbraucher durch Entkriminalisierung schützen. Die längst überfällige rechtliche Absicherung von flächendeckenden niedrigschwelligen Substitutions- maßnahmen wäre ein erster Schritt. Hier ist eine rechtliche Gleichstellung von Substitutionsbehandlungen mit Abstinenztherapien anzustreben, d.h. die bisher gültige Ultima-Ratio-Klausel aufzuheben. Eine staatlich und medizinisch kontrollierte Abgabe von sauberen Opiatderivaten (z.B. in Form von Methadon) an Heroingebraucher könnte die Konsumenten aus der Illegalität herausholen und ihnen ein weitgehend sozial integriertes Leben erleichtern. Zudem würden sich – wie bereits erwähnt – die Lebensbedingungen der Konsumenten erheblich verbessern und die Mortalitätsrate würde wahrscheinlich drastisch sinken. Ein weiterer Schritt wäre die Ermöglichung einer ärztlich kontrollierten Heroin- verschreibung (vgl. Züricher Pilotprojekt: LIEBEHERR 1991). Dadurch könnten, wie britische Erfahrungen in Heroinkliniken und die kontrollierte Abgabe von Heroin in Liverpool zeigen, auch jene Drogenkonsumenten aus der Illegalität herausgeholt werden, die bisher weder mit abstinenzorientierten Angeboten noch mit herkömmlichen Substitutionsmaßnahmen erreicht wurden (vgl. MARKS 1990, 6ff; NEWCOMBE et al. 1990, 143ff; BOSSONG 1991, 6; HÄMMIG 1 99 1).

Wenn wir abschließend uns notwendig erscheinende drogen(rechts)politische Forderungen zusammenstellen, so zählen wir dazu folgende:

– Revision des Cannabisverbotes (konkret: Änderung der entsprechenden ..BtmG-Anlage);

– Sicherstellung der rechtlichen Zulässigkeit von flächendeckenden, ..niedrigschwelligen Substitutionsangeboten (konkret: Veränderung von § ..13 BtMG/Abschaffung der Ultima-Ratio-Klausel);

– Entkriminalisierung des Anbaus, Erwerbs und Besitzes illegaler Drogen ..zum Eigenverbrauch und zur Überprüfung von Stoffkonzentrationen und ..-verunreinigungen (konkret: Änderung des § 29f. BtMG);

– Neufassung des Tatbestands der Verschaffung/Gewährung einer Gelegenheit ..(§ 29 Abs. 1 Nr. 10 BtMG), um rechtlich abgesichert, Druckräume ..betreiben und Spritzenaustauschprogramrne durchfuhren zu können;

– Abschaffung der „Kronzeugenregelung“ (§ 31 BtMG), um eine weitere ..Entsolidarisierung in der Drogenszene zu vermeiden;

– stärkere Inanspruchnahme von § 29 Abs. 1 Nr. 5 BtMG (Strafmilderung bei ..geringer Menge zum Eigenverbrauch) und § 37 BtMG (vorläufige ..Einstellung der Verfahren);

– stärkere Inanspruchnahme des alten Bewährungsparagraphen (§ 56 StGB);

– Verzicht auf Zwangstherapie (§ 64 StGB);

– Aufgabe des justitiellen Legalitätsprinzips zugunsten des ..Opportunitätsprinzips.

Diese rechtspolitischen Maßnahmen sollten selbstverständlich durch die öffentliche Förderung des Auf- und Ausbaus akzeptanzorientierter, stationärer und ambulanter Unterstützungsangebote in der Drogenhilfe ergänzt werden. Drogenpolitik müßte langfristig die Entwicklung einer Perspektive verfolgen, die den Drogengebrauch prinzipiell akzeptiert und die Verringerung gesundheitlicher und sozialer Schäden für die Betroffenen sowie die Minderung der Sekundärrisiken für die Allgemeinheit anstrebt. Hier wäre an eine kontrollierte Freigabe von illegalen Drogen zu denken. Dies stellt sicherlich keine Lösung des Drogenproblems, keine via regia dar, aber Drogengebraucher könnten unter menschenwürdigen Bedingungen ohne Kriminalisierungsdruck leben (Vgl. unsere Einzelauswertungen zur Entkriminalisierung und Methadonbehandlung im Schlußbericht). Gewiß klingen unsere Desiderata wie Zukunftsmusik. Ihre Realisierung dürfte aber selbst eine gesellschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung nicht zu scheuen haben.

 

 


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(Diese Seite wurde erstellt am 26.02.1998)