Einstellungen und Vorurteile substituierender Ärzte

Einstellungen und Vorurteile substituierender Ärzte

Unter Leitung von Ralf Gerlach und Dr. John Caplehorn *) lief von 1995 bis 1997 ein leider nur mit äußerst geringen Fördermitteln finanziertes**), australisch-deutsches Gemeinschaftsprojekt, in dessen Zielfokus erstmals in Deutschland die Erfassung der Einstellungen und Vorurteile substituierender Ärzte zu/gegenüber der Methadonbehandlung sowie zu/gegenüber den Aspekten Drogen und Drogenabhängigkeit stand.

Zur Anwendung und Validierung gelangte ein von Dr. Caplehorn entwickeltes und bereits in Australien und den USA erprobtes Erhebungsinstrument zur Einstellungsmessung Methadon-verschreibender Ärzte.

Die anonymisierte Erhebung erfolgte mit organisatorischer Unterstützung der Ärztekammer Westfalen-Lippe durch Verschickung der standardisierten Fragebögen an alle 598 Ärzte in der Region Westfalen-Lippe, die zum Zeitpunkt 31.1.1996 die Genehmigung zur Substitution gemäß NUB-Richtlinien hatten (Einmalbefragung). Bis zum Stichtag 31.5.1996 antworteten 350 Ärzte, von denen 247 zum Befragungszeitpunkt tatsächlich Substitutionsbehandlungen durchführten. Die Angaben dieser 247 Ärzte gelangten zur Auswertung. Erste Zwischenergebnisse zum Forschungsprojekt konnten bereits im Rahmen der Fachtagung „Methadon am Ende? – Am Ende Methadon?“ am 13. November 1996 in Münster vorgestellt werden. Weitere Ergebnispräsentationen, basierend auf den Häufigkeitsverteilungen der Antworten zu den einzelnen Items des Erhebungsbogens, wurden im Westfälischen Ärzteblatt und im BINAD INFO veröffentlicht (vgl. Gerlach u.a. 1997; Gerlach/Caplehorn 1997a, b). 

An dieser Stelle sei uns nur eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse gestattet:

Die vorliegenden Ergebnisse unserer Studie dokumentieren ein breites Spektrum negativer Einstellungen und Wissensdefizite in großen Teilen der substituierenden Ärzteschaft. Alle Ärzte glauben fest an die Effektivität der Methadonbehandlung, viele von ihnen sind aber schlecht über die Substanzwirkung informiert. Dies lässt Rückschlüsse auf die konkrete Substitutionspraxis zu: Fehlendes Wissen verschlechtert die Qualität der Behandlung. Die Mehrzahl der Ärzte befürwortet zwar einen offenen Zugang für die Patienten zur Methadonbehandlung, besteht aber auf der strikten Durchsetzung und Einhaltung eigener klinischer Regeln; mangelnde Compliance wird häufig mit Behandlungsabbruch sanktioniert. Ein großer Teil der Ärzte ist bei weitem nicht so liberal eingestellt, wie viele Politiker glauben oder es uns glauben machen wollen.

In der Behandlung dominiert eine Abstinenzorientierung gegenüber präventiv-medizinischen Zielen und der Überlebenssicherung der Patienten. Wissensdefizite könnten im Rahmen gezielter Fortbildungsseminare und durch regelmäßige Teilnahme an Arbeitskreisen sowie eine verbesserte universitäre Ausbildung korrigiert werden, Einstellungsänderungen hingegen lassen sich sicherlich nicht über „Wissensvermittlung pur“ erzielen. 

Der Abschlußbericht der statistischen Auswertung ist in 1999 im Drug and Alcohol Review veröffentlicht worden (vgl. Gerlach/Caplehorn 1999).

*) Weitere Projektmitarbeiter sind Anke Follmann, Dr. Thomas Poehlke und Dr. Heiner Busch
**) U.a. bedanken wir uns für eine Teilfinanzierung beim Kuratorium für Interdisziplinäre Medizin (Münster) und der Hoechst Marion Roussel Deutschland GmbH.

Literaturhinweise:

Gerlach, R./Caplehorn, J./Follmann, A./Poehlke, T./Busch, H.: Forschungsprojekt „Einstellungen und Vorurteile substituierender Ärzte. Präsentation erster Ergebnisse. In: Westfälisches Ärzteblatt Nr. 4/1997, 16-17

Gerlach, R./Caplehorn, J.: Einstellungen substituierender Ärzte: Ausgewählte Ergebnisse eines australisch-deutschen Gemeinschaftsprojektes. In: BINAD INFO Nr. 8/1997a, 27-30

Gerlach, R./Caplehorn, J.: De attitude van artsen die vervangende middelen voorschrijven: resultaten van een Australisch-Duits samenwerkingsproject. In: BINAD INFO No. 8/1997b, 26-29

Gerlach, R./Caplehorn, J.R.M.: Attitudes and beliefs of doctors prescribing methadone to addicts in the Westfalen-Lippe region of Germany. In: Drug and Alcohol Review 1999;18:163-170

Fragen zu diesem Forschungsprojekt richten Sie bitte an:

Ralf Gerlach
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